Das Programm "Soziale Stadt", das die rot-grüne Bundesregierung 1999 zur Verteilung von EU-Mitteln ins Leben rief, ist auf die Finanzierung von Baumaßnahmen ausgerichtet: Fassadensanierung, Errichtung von Spielplätzen, Renovierung von Jugendzentren. Für Vorhaben, die die aufgehübschten mit Leben füllen, steht nur ein Bruchteil des Geldes zur Verfügung. Von den gut fünf Millionen Euro, die das Quartiersmanagement im Rollbergviertel seit 1999 ausgegeben hat, entfallen mehr als drei Viertel auf Bauttätigkeit, Personalkosten und Stadtteilfeste. Für alles Weitere bleiben weniger als fünzigtausend Euro pro Jahr.
Erst gestern erfuhr ich, dass man im VI. Wohnkomplex der Eisenhüttenstadt versucht, über das Programm der Bundestransferstelle "Soziale Stadt" die Weiterführung des zweifellos gelungenen Quartiersumbau (=Baumaßen) und des durchaus fruchtenden Quartiersmanagement (=Stadtteilbüro) abzusichern und schon berichtet heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Andeas Kilb von den Nebenwirkungen des Programms und speziell dem anscheinend an der berühmt-berüchtigten Berliner Verwaltungssturheit scheiternden Quartiersmanager auf dem Neuköllner Rollbergkiez, Gilles Duhem:
Der Mann, der integrieren kann, muss gehen.
Viel Baugeschehen gab es in Eisenhüttenstadt in den dort durchgeführten fünf bisherigen Soziale-Stadt-Projekten allerdings nicht: Im VII. Wohnkomplex wurde das Kinderhaus "Wi-Wa-Wunderland e.V." ein bisschen umgestaltet, vorrangig ging es jedoch um Programme. Für den WK VI erstellte man den Stadtteilkalender 2005 und die dazugehörige Ansichtskarten-Edition, mit dem Ziel die Bewohner für ihren Wohnkomplex zu sensiblisieren und eine stärkere Identifikation hervorzurufen. Gleiches gilt für die
Zeitzeugen heute-Ausstellung und den Stadtteilführer. Schließlich gab es noch das "Streifzüge mit Kindern und Jugendlichen"-Projekt, bei dem es um die Ermittlung der Nutzung des Quartierraumes durch die dort lebenden Kinder und Jugendlichen ging.
Hier stand also wirklich und ganz konkret das Leben hinter den - zum Teil über andere Fördertöpfe - "aufgehübschten" Fassaden im Mittelpunkt, wobei den Projekten, die so kurzfristig angelegt waren, wie es solchen Projekten nun mal eigen ist, weniger ein nachhaltig absichernder Charakter sondern eher die Aufgabe eines Impulses zuzuschreiben ist. Insgesamt erscheint mir konkret die Arbeit, die in den letzten Jahren im VI. Wohnkomplex geleistet wurde, von allen Aktivitäten, die sonst in Eisenhüttenstadt wahrnehmbar waren, am gelungensten.
Dieses Jahr nun läuft die
ZiS-Förderung aus und entsprechend wird die Arbeit weitgehend eingestellt. Dabei wäre es in jedem Fall sehr sinnvoll, wenigstens das
offis-Büro in der Fröbelringpassage längerfristig über städtische Mittel abzusichern. einerseits da es sich ja nun halbwegs erfolgreich als lokale Anlaufstelle etabliert hat und andererseits da es auch noch eine Art "Leuchtturm" in der leider vom Vermietungskonzept bisher erfolglosen Passagenvermarktung darstellt. Vielleicht verhandelt man ja schon mit dem Eigentümer des Objekts. Wünschenswert für das Klima im Viertel wäre es jedenfalls. Eine Schließung erwiese sich nicht zuletzt auch deshalb als ungünstiges Zeichen, als dass das vordringliche Teilziel "Stärkung der Wirtschaft und Förderung von Beschäftigung" im Zielgebiet nicht einmal in Ansätzen realisiert werden konnte. So hat man dann ein renoviertes Nahversorgungsobjekt, das allerdings weitgehend selbst, und zwar mit Mietern, unterversorgt ist. Wie magnetisch dieser Zustand wirkt, kann man hervorragend z.B. in der Königsstraße sehen.
Der sechste Wohnkomplex ist nunmal doch kein
Ziel 2-Gebiet mit großartigem Innovationspotential, sondern - wie der Rest der Eisenhüttenstadt - durchgängig und durchschnittlich Wohnbezirk, dabei allerdings noch einzigartig isoliert. Innovations- und Wirtschaftsförderung erscheint hier bestenfalls punktuell machbar - interessanter ist langfristig vielleicht die Perspektive, die nun im Bettenhaus am Kanal Einzug zu halten scheint und sich am Ende bei allem Anspruch an Familienorientierung eventuell als am vielversprechensten erscheint: Altersgerechtes Wohnen. (die EWG zieht in der Holzwolle nach und "liftet" ihre Liegenschaften, vgl. heute in der
Märkischen Oderzeitung)
Denn die dafür relevante Zielgruppe wird ganz sicher und hier im Anteil noch mehr als anderwo wachsen, da der Ort für alle Nichtmetallurgen unter den jungen Alterskohorten kaum Perspektiven bietet und man sich nicht sonderlich sichtbar um die Entwicklung solcher bemüht. Und es werden sicher nicht alle die Altersmigration in die
Sun Cities Südspaniens wagen können, wobei ein solcher Schritt u.U. auch rein klimatisch womöglich in den kommenden Jahrzehnten immer mehr an Attraktion einbüßt. Dass die hiesigen Rentner aufgrund ihrer Erwerbsvergangenheit und deren Anrechnung mitunter ökonomisch nicht durchgängig auf Vollpension abgesichert sind und auch deshalb bleiben müssen, ist noch ein ganz anderer Aspekt. Dazu addiert sich z.T. noch die Identifikation der Aufbaugeneration mit ihrer Stadt, die diese Alterskohorte gerade hier hält.
Generell fällt auf - und zwar ernüchternd - dass man in Eisenhüttenstadt, wie auch in anderen Teilen Ostdeutschlands, noch auf lange Zeit Stadtentwicklung und Quartiersmanagement rein auf Förder- und Zuschussbasis durchzuführen vermag, die Kommune also öffentliche Aufgaben nicht aus eigener Kraft übernehmen kann. Die Aufgabe des hiesigen Heimattiergartens über den Umweg der Übertragung in die Zuständigkeit eines Fördervereins und der nahezu vollständigen Streichung aller städtischen Zuschüsse ist nur ein weiterer Indikator, der sich gut mit der allgemeinen Vernachlässigung weiter Teile der Insel ergänzt. Soll sich doch jemand anderes kümmern. Dass sich der vermeintliche Rettungsanker Förderverein für einen dauerhaften Erhalt des Minizoos eignet, erscheint mir insgesamt allerdings eher fraglich - jedenfalls wenn ich an das im Durchschnitt wahrnehmbare Ausmaß von bürgerlichem Engagement und der Annahme des Gemeinswesens als persönliche Aufgabe denke. Hier kümmert man sich nunmal nicht so gern sondern zieht sich leider lieber zurück ins Nicht-Öffentliche. Es ist dieses Desiderat, was sich für mich als die eigentlich brüchige Stelle im Stadtgefüge erweist. Gerade hier fand das ZiS-Projekt für den WK VI gute Anknüfungs- und Wirkungspunkte.
Dennoch fehlt neben einer Absicherung der Nachhaltigkeit nach wie vor über weite Strecken die Gesamtidentifikation mit dem Stadtraum als Gemeinschaftsaufgabe und Handlungssphäre von Öffentlichkeit. Zwar ist man hier schon etwas entwickelter, als es die von Gilles Duhem geschilderten Zustände im Neuköllner Rollbergviertel ("Die Araber und Türken, die hierherkommen, sind Bauern und sie leben wie in einem Dorf. Sie respektieren keinen öffentlichen Raum. Sie werfen Müll aus dem Fenster, wenn wir es ihnen nicht verbieten."), aber soweit ausdifferenziert, dass man durchgängig von einem diesbezüglichen "Bewusstsein" sprechen kann, scheint die Beziehung
Bürger-
Stadt leider bisher nicht in der Gesamtheit der Eisenhüttenstädter Einwohnerschaft zu sein.
Solange dies nicht der Fall ist, bleibt dem Stadtumbau immer auch ein Akzeptanzproblem bzw. wird er als von Außen verordnet wahrgenommen. Insofern wünscht man sich als überzeugter Urbanist von zukünftigen Projektanläufen, dass diesem Aspekt - dem der Differenzierung von Perspektiven - mehr Gewicht eingeräumt wird.
Da wir hier im Blog die Entwicklung verschiedener Blickwinkel auf ein und dasselbe (nämlich Eisenhüttenstadt) gern fördern möchten, bringe ich hier wieder einmal den
Link zur Mitwirkung unter. Bitte nutzen.
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