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Eisenhüttenstadt Blog

Weblog für eine alternative Stadtwahrnehmung

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Geschrieben von
Ben
in Sonstiges
Dienstag, 22. April 2008
2 Kommentare

Vor knapp einer Woche hatten wir zwei schöne EisenhüttenStadtgedichte im Programm. Heute legen wir noch ein weiteres nach, denn die Lyrik der DDR war nicht zuletzt reich an Dichtung, die den Aufbau der sozialistischen Stadt beschwor. Das kleine Lied, 1987 erschienen, welches uns heute in diesen schönen Aprilabend geleiten wird, wirkt wie eine Rückschau auf die Aufbruchszeit in der frühen zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Geschrieben hat es die Oktoberklubberin und bekannteste und nicht zuletzt auch umstrittene DDR-Lyrikerin Gisela Steineckert, die zwar in Berlin beheimatet war und ist, in ihrem Text "In der Stadt" aber die Worte so setzt, dass sie beinahe zwingend auf die Stadtentwicklung Eisenhüttenstadts passen:

In der Stadt
in der ich Kind war
gab es lauter neue Häuser
und die Bäume standen kaum das zehnte Jahr

Und die Leute
die dort wohnten
waren jünger als woanders
kriegten ihre Kinder
schafften sich was an

Ich hab gedacht
ich muß raus da
jeden Frühling, Sommer, Herbst und Winter
ich wollte Felder sehn und Wälder
war vom Straßenlärm so satt
ich wollte immer raus ins Grüne
und gehör in eine Stadt

In der Stadt
in der ich Kind war
gabs die ersten jungen Sträucher
lustig neue Brunnen
Tulpen gabs sogar

Doch die Bagger
gruben weiter
und die Häuser sahn sich ähnlich
wurde immer lauter
in der großen Stadt

Ich hab gedacht
ich muß raus da
jeden Frühling, Sommer, Herbst und Winter
ich wollte Felder sehn und Wälder
war vom Straßenlärm so satt
ich wollte immer raus ins Grüne
und gehör in eine schöne
gutgebaute unverwechselbare Stadt.

Steineckert, Gisela: Laß dich erinnern. Berlin: Verlag Neues Leben, 1987, S. 121

Wer denkt hier nicht sofort an die frühen 1960er, an den Brunnenring und all diese Bilder der jüngsten Stadt Deutschlands und dann die Hinwendung zum Großblockbau... Es ist gut vorstellbar, dass die deutlichen Zuzüge mit den Erweiterungen des Stahlwerks die Stadtgesellschaft ähnlich intensiv umgruben, wie es später die massiven Abwanderungen taten und bis heute tun. Allerdings hatte man zur Zuzugszeit ein weitaus klareres Ziel vor den Augen, mit dem man es soweit trieb, dass die Kinder der Stadt die Flucht nach irgendwo - z.B. raus ins Grüne oder in Richtung Westen - erwogen, wobei sie es im ersten Fall dank der landschaftsräumlichen Einbettung der Planstadt zwischen sanften Hügelhöhen und weiten Oderwiesen vergleichsweise leicht hatten und im zweiten nicht nur aufgrund der Lage am Ostrand der Republik äußerst schwer.

Nun rücken die Wiesen dank Stadtumbau sogar noch näher und das, was man Westen nannte, ist in den letzten 18 Jahren sehr in die sozialistische Planstadtstruktur eingedrungen und wo Eisenhüttenstadt halbwegs verwechselbar Plattenbaublock war, ist aktuell unverwechselbare Abrisslandschaft und dort, wo sich Bauherren finden, demnächst verwechselbare Einfamilienhaus-Idylle, mit viel Freiraum nebenan.

Ich hab gedacht/ ich muß raus da...Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling. Und manchmal wird zwischen dem Beton als Klotz am Bein schon mal ein auf dem Herzen... Aber nicht natürlich nicht gewiss.
Was gewiss ist: Die Leute, die hier wohnen, sind älter als anderswo und die meisten ohnehin schon weg. Aber manchmal eilt noch ein Kind zwischen den Absperrgittern und den leeren Fenstern und den Betonbrocken davor, um die Ecke, wie ein Gast aus einer fernen Zeit. Wie spannend wäre es, zu wissen, woran sich dieses Kind erinnern wird, wenn es einst an seine Kindheit in Eisenhüttenstadt zurückdenkt... Hier eine völlig spekulative Variante:
In der Stadt
in der ich Kind war
fielen lauter große Häuser
und die Bäume manchmal mit

Und die Leute
die dort wohnten
waren älter als woanders
kriegten wenig Kinder
schafften sich was an

Ich hab gedacht
ich muß raus da
jeden Frühling, Sommer, Herbst und Winter
ich wollte Frohsinn sehn und Jugend
war vom stillen Ort so satt
ich wollte immer raus ins Leben
gehör wohl nicht in diese Stadt

In der Stadt
in der ich Kind war
gabs frisch nachgezogene Wände
gelblich neuverputzte Häuser
Stiefmütterchen ein paar

Doch die Bagger
gruben weiter
und die Häuser sahn sich ähnlich
wurden immer kleiner
in der kleinen Stadt

Ich hab gedacht
ich muß raus da
jeden Frühling, Sommer, Herbst und Winter
ich wollte Zukunft sehn und Jugend
war vom stillen Ort so satt
ich wollte immer raus ins Leben,
gehör wohl nicht in diese Stadt ...

Tags für diesen Artikel: , gisela steineckert, stadtgedicht, stadtumbau, vii. wohnkomplex
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#1 Kathrin am 04/23/08 um 02:35 [Antwort]
Sehr ergreifend! Ich war Kind in dieser Stadt, meine Kinderstube (Kiefernweg) wird 2009 abgerissen. Das bricht mir das Herz schon heute. Ich habe diese Stadt immer geliebt, egal, wie sie aussah. Und das bleibt so.
Kommentar (1)
#2 F.M. Alex am 04/23/08 um 04:41 [Antwort]
Kommentar (1)
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