Wenn die New York Times über Eisenhüttenstadt berichtet (übrigens nicht zum ersten Mal), müssen wir natürlich auch einen Hinweis bringen. Viel mehr allerdings, nicht, denn da ich selbst zum Beitrag beitrug (derzeit eher schlecht versteckt und unfreiwillig unter einem Tarnnamen), entsteht da natürlich eine gewisse Befangenheit, die der Beitrag durch eine naturgemäße Selektivität ausgleicht. Die trübe Episode mit den DAAD-Künstlern, die während der 7. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst das Angebot, ein paar Wochen in Eisenhüttenstadt zu wohnen und Kunst zu schaffen, eher nicht annahmen, wurde natürlich am Ende durch die ausgleichende Tendenz einer prinzipiell gerechteten Welt durch die Präsenz des Draftsmen's Congress in der Stadt abgefangen, der sogar noch lief, als die Berliner Auguststraße längst wieder mit anderen Dingen befasst war.
Aus dem Artikel von Melissa Eddy scheint mir vor allem die kalifornische Perspektive auf die Planstadt als Anstoß herauszuragen. Justin Jampol vom The Wende Museum, das aus meiner Sicht für eine touristische Kooperation mit Übersee sicher der weitaus sinnvollere Ansprechpartner als der Über-Multiplikator Tom Hanks wäre, benennt präzise, worauf Eisenhüttenstadt aus einer aufgeklärten Warte seine Identitätskonstruktion gründen könnte:
“Eisenhüttenstadt represents more than any other place that I can imagine the complexities of dealing with the past.”
Wo sich also die Bürgermeisterin und andere Menschen aus der Stadt in einer Facebook-Diskussion mit Recht davon getroffen zeigen, dass das Lunik mittlerweile in einer Clickstrecke mit Prypjat und Cody, British Columbia als Sinnbild für die Verwüstbarkeit der Welt erscheint, ist die Tatsache, dass das Zentralhotel der ersten sozialistischen Stadt derart repräsentativ Opfer der Privatisierungs- und Spekulationskultur des Spätkapitalismus wurde, eigentlich ein perfekter Ausdruck dieser Komplexität.
Statt nun, wie in der Facebook-Diskussion angeregt, ein Distanzierungsschild ans Haus zu hängen (eine alte und ziemlich dämliche Idee), wäre es doch viel besser, eine Informationstafel zur Geschichte des Hauses inklusive der hochfliegenden Hoffnungen und Privatisierungsetappen ab 1990 für die irritierten Touristen aus aller Welt (daher also vielleicht besser zweisprachig) auf dem Gehsteig vor dem Haus aufzustellen. Und an anderen Stellen andere Tafeln zum gleichen Zweck. Ein so entsprechend gegliederter Stadtraum, ein gereiftes Selbstverständnis der eigenen Geschichte und ihrer Brüche sowie eine breite Berichterstattung in der internationalen Presse über eine Stadtgesellschaft, die es, nachdem sie als Utopie scheiterte, schaffte, sich offensiv und zeitgemäß in der Gegenwart zu positionieren - das wären verhältnismäßig einfache und kostengünstig realisierbare Bausteine, aus der sich ein fruchtbares Identitätskonzept für Eisenhüttenstadt des fortschreitenden 21. Jahrhundert entwickeln ließe.
(Ben Kaden, @bkaden)