Alles hat seine Grenzen: Geduld, Verantwortung, Wissen, Städte. Und besonders beim letztgenannten Typus fällt auf, dass es mehrere parallel existierende Formen von Begrenztheit gibt: die Grenzen, die das Stadtgebiet von der Außenwelt abtrennen und daher Stadtgrenzen genannt werden und eine Vielzahl von inneren Grenzen, die - welche Freude für die Stadtsemiotiker - den Stadtraum in verschiedenster Weise strukturieren. Diese Strukturierungen bestimmen maßgeblich, darüber, wie sich die Menschen in einer Stadt bewegen, wobei sie implizit (z.B. in Form von Wohngebietsabgrenzungen auf dem Stadtplan) oder explizit (z.B. durch Mauern und Zäune) kommuniziert werden. Zu diesen externen Begrenzungsvorgaben gibt es noch unzählige kognitive Grenzkonstruktionen, die individuell sehr varriieren.
Während der letztgenannte Typ sicher der interessanteste ist, sich jedoch zumeist einer fotografischen Abbildung entzieht, gilt das Augen- bzw. Linsenmerk des Flickr-Bildwettbewerb für den Monat April den Zäunen und Metallgittern, denn wer aufmerksamen Auges durch in der DDR bebautes Siedlungsland reist, sieht leicht, welch unglaubliche Vielfalt an offiziellen und inoffiziellen Zaun- und Gitterformen dieser kleine Staat und seine Menschen hervorbrachten. Auf kaum einem anderen schöpferischen Gebiet wurde derart mit der Beziehung von Form und Funktion experimentiert. (Fast) Keine Spur Maschendrahtzaun: hier wurde gebogen und gegittert, was das Material und die Baustelle von nebenan hergaben, und auch in Eisenhüttenstadt lassen sich unzählige dieser Begrenzungsform entdecken. Wir möchten in den den nächsten Wochen in Flickr ein Potpourri dieser hochunterschätzten Ein- und Ausschlußformen des Stadtalltags sammeln und wie immer sind aller Leser aufgerufen ihre Aufnahmen von Vergitterungen, Zäunen und auch Trennmauern und Durchbruchwänden auf Flickr hochzuladen oder an uns zu e.mailen. Und wie das Beispiel zeigt, gelten auch vergitterte Fenster, zumal, wenn sie derart eindrucksvoll sind wie dieses:
Vor scheckigen Gardinen: An den Sportanlagen der Hüttenwerker montierte man nur thematisch passende Einbruchsvorbeugevorrichtungen.
Die Auflösung zum letzten Bildwettbewerb folgt später in dieser Woche. Und dem Tourismusverein sei ein weiterer Osterbesucher der Stadt gemeldet, dessen Fazit man gern auf ganzer Linie widersprechen würde, es aber, nachdem man an der Tunnelstraße und den unzähligen weiteren Ecken der Verwahrlosung und Verlassenheit (Musikantenschuppen, Kegelbahn auf der Insel, Schule in der Beeskower Straße, Bettenhaus am Kanal, Wohnkomplexzentrum im WK V.. die Liste ist ziemlich endlos fortsetzbar) vorbeigeradelt ist, es jedoch eigentlich nur in einem Punkt kann:
it's just the 1970s and 1980s that give the place its deservedly horrible reputation for being amazingly ugly.Es waren auch noch die 1990s+...Nein, im Moment haben wir im Großen und Ganzen keine schöne Stadt - nur noch die Rudimente einer spannenden städtebaulichen Idee, die allerdings in einem ganz grundsätzlichen Punkt ihr Scheitern von Anfang an in sich trug: der alltägliche Mensch lässt sich mit den - per se nicht alltäglichen - Utopien nicht zusammenbringen. Utopien sind schon vom Namen her unverortbar. Vom Menschen her erfahrungsgemäß noch viel mehr. Und das Grandiose an Eisenhüttenstadt ist, wie es diese Erfahrung repräsentiert und wie alle Versuche, hier etwas zu retten und die Stadt zu "normalisieren", sie am Ende nur noch mehr bestätigen... Was perspektivisch bleibt? Um darüber zu "brainstormen", also dafür ein Forum zu haben, wurde ursprünglich dieser Blog gegründet. Allerdings scheint es manchmal, als bräuchten die Menschen in der Stadt gar kein Forum. Sondern z.B. erstmal - wie ich bei meinem jüngsten Besuch erneut feststellen musste - einen wirklichen Anschluss an das Internet.
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