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Als bekanntermaßen passionierter Kartophilist konnte ich mich jüngst vor Freude kaum mehr im Zaume halten, als mir die Gunst einer glücklichen Stunde eine zwar etwas angestoßene aber nichtsdestotrotz sehr schöne Ansichtskarte auf das Resopal meines Frühstücksbrettchen wehte.
Und selbstverständlich komme ich umhin, diese nicht ganz alltägliche Exemplar auch hier in bündiger Form auf den Tisch zu legen. Als Motiv ist unschwer die 1960 als Nationales Aufbauwerk (NAW) von den Eisenhüttenstädtern im Schweiße ihres Feierabendangesichts in die Hänge der Diehloer Berge gegrabene Freilichtbühne zu erkennen, obschon eine derart durchblickende Aufnahme nach 48 Jahren Wildwuchs am Hang nicht mehr gelingen dürfte. Die Bühne ist aber immer noch bzw. wieder in respektablem Zustand, mittlerweile aber dort, wo die Kiefern im Sand sich vom Planstadtkahlschlag erhohlen konnten, etwas stärker beschattet.
Herausgegeben wurde die Karte im kleinen Ansichtskartenverlag Gebr. Garloff KG in Magdeburg und nicht etwa vom später die Ansichtskartenproduktion der DDR bis in jede Nische beherrschenden VEB Bild und Heimat. Der systematische Ansatz der Reichenbacher hatte allerdings den Vorteil, dass man von so ziemlich jedem Ort - und sei es noch so ein abgelegenes Nest - der Republik eine Motivkarte bekommen finden konnte. Die Gebr. Garloff haben sich in diesem Fall jedoch auf ein absolutes Motivhighlight in einer der Vorzeigestädte der frühen 1960er konzentriert.
Insofern ist es nur verständlich das die Karte im Besitz eines Manfreds gelangte, der diese in der Wilhelm-Pieck-Stadt Guben zum 8. Oktober 1963 (so der Poststempel) auf- oder in den Briefkasten gab und sie auf die Reise über Eisenhüttenstadt (Land) nach Vogelsang gehen lies. Die Botschaft ist für den uneingeweihten Mitleser nicht sonderlich spektakulär. Hier zeigt sich, dass in der DDR die Ansichtskarte als Kommunikationsmedium eine willkommene Alternative zum häufig nicht vorhandenen Telefon bzw. viel zu teuren Telegramm war. Für zwanzig Pfennig bekam man die Karte und für zehn Pfennig das Porto und damit wurde dann die Information übermittelt, dass Manfred am 17ten Oktober einen Termin in Berlin für eine "Ärztliche Untersuchung" bekommen hat und auf eine "Fahrangl." hofft. Das ist natürlich genug Stoff, um sich einen ganzen Roman dahinter zu denken, worauf ich mich an dieser Stelle aber nicht mich einzulassen gewillt bin.
Wenn man sich in den 1960ern schon mal bei der Freilichtbühne herumtreibt, ist es nur ein kleiner Bogen am Fuße des Bergs nach links auf den nächsten hinauf oder einfach obenherum durch den Wald und man gelangt zur HOG Berggaststätte "Dieloher Höhe", wobei das Wort "Berggaststätte" sich in der Schreibung durch seine Dopplung von "g" und "st" auszeichnet, die Karte jedoch ebenso wie die zur Freilichtbühne, durch ihre drucktechnische Herkunft. Als Herausgeber ist nämlich die PGH "Rotophot"-Werkstätten für Fototechnik in Bestensee bei Berlin angegeben. Leider wurde mit der Briefmarke auch die Jahresangabe entfernt, der Rest des Stempels gibt aber Auskunft darüber, dass sie an einem 13.07. in Eisenhüttenstadt in den Postverkehr gelangte. Aus dem zum Einsatz gekommenen Ortsnamen lässt sich demnach schließen, dass dies frühestens im Jahr 1962 geschah.
Ziel des herzlichen Grußes von einem Ausflug, bei dem in der Berggaststätte zu Mittag gegessen wurde, war die Riedeselstraße 23 in Darmstadt, zur der passend zum Standort der Gaststätte die Hügelstraße und die Sandstraße als nördliche Parallelstraßen verlaufen. Ganz verrückt wird es, wenn man bemerkt, dass die Empfängerin mit ihrem Nachnamen so heißt wie die südliche Parallelstraße der Riedeselstraße. Dass sie heute, ca. 45-50 Jahre nach Zustellung, noch dort wohnt ist eher unwahrscheinlich. Zu der Hausnummer gehört im Jahr 2008 in jedem Fall das Büro eines Diplom-Designers, der vielleicht auch der Ansichtskarte zum Mittagsmahl einen ganz anderen Schliff verpasst hätte. Mir gefällt sie aber so wie sie ist hervorragend und für den Blick auf das Wohnhochhaus gilt mittlerweile dasselbe wie oben für den Blick auf die Freilichtbühne: Er ist aus Gründen der Vegetation - in diesem Fall sogar sehr eng mit dem Objekt "Berggaststätte" - verwachsen.
"A healthy animal is up and doing" - William McDougall, 1923Drei kurze Tage vor dem hundertsechsunddreißigsten Geburtstag des Vaters der "hormischen" Psychologie, die die inneren Antriebe der Lebewesen in ihren Betrachtungsmittelpunkt rückte, freuen wir uns so elegant ein Zitat William McDougalls unterbringen zu können. Da McDougalls Arbeiten und auch die von Wallace Graig den "Gänsepsychologen" Konrad Lorenz beeinflussten, führt der Steg der Assoziation geradewegs zu Vogelplansche im Eisenhüttenstädter Heimattiergarten, in denen es schmucke Enten, Gänse und Schwäne in mehr oder weniger einträchtigem Beeinander zu beobachten gibt.
Besonders auffällig ist dieser Tage der flaumig-daunige Trauerschwan, über den wir im April berichteten: Unser Eisenhüttenknut. Mittlerweile seit zweieinhalb Monaten aus dem Ei gepellt erweist sich der muntere Kerl als buchstäblich putzig, denn wenn Schwäne gerade nicht ruhen, balzen oder sich ernähren, neigen sie ganz offensichtlich dazu, sich permanent mit dem Schnabel durchs Gefieder zu fahren: aufrecht und aktiv, wie es William McDougal schon in den 1920ern als Grundmerkmale eines gesunden Tieres erkannte. Der Eisenhüttenknut ist also zweifellos bei guter Gesundheit, was uns enorm freut und eigentlich allen Eisenhüttenstädtern Grund genug sein sollte, wieder einmal im Tiergehege vorbeizuspazieren und mit ihren Eintrittsgeldern dafür zu sorgen, dass die Entenvögel auch morgen noch genug Grund zum gründeln finden.
Noch ein Weilchen wird der Schwarzschwan ganz in Grau durch's Revier watscheln und ein bisschen fragt man sich, warum der Förderverein dies nicht stärker nutzt. Mittlerweile kann man Silbermünzen mit Knut-Motiv erwerben, aber von Eisenhüttenknut sieht man kaum ein Bild, es sei denn, man knipst es selbst. Oder findet es online.
Foto: ehstiques bei ipernity
Die Märkische Oderzeitung, um zu einem ganz kurzen Blick in die Eisenhüttenstadt-Presse zu gelangen, macht sich um die Rettung bedrohter Wörter verdient, dies allerdings nicht ganz so schnurrig wie die Titanic. Den Rahmen bietet die Eröffnung der generalüberholten Freilichtbühne:
Ganz stolz auf dieses Kleinod ist auch der Arbeitsdirektor von Arcelor Mittal, Rainer Barcikowski. Das Stahlunternehmen hat großen Anteil an der Sanierung. "In der Stadt ist Rhythmus", betonte er.Schauen wir einmal ins Deutsche Wörterbuch:
Kleinod: "Gegenstand von geringem Umfang, aber von Wert durch Stoff oder darauf verwendete Arbeit."Alles lebt natürlich von Vergleich und wenn man die Kuppelhalle denkt, die Albert Speer einst für die Welthaupstadt "Germania" über das Berliner Alsenviertel stülpen wollte, dann wirkt die Freilichtbühne in den Diehloer Berger freilich sehr bescheiden dimensioniert. In der Liga der Eisenhüttenstädter Veranstaltungsorte besitzt sie, da das Inselstadion niemals über die Spielfläche hinaus umgesetzt wurde, die größte Sitzplatzkapazität, ist also eher als Großod zu bezeichnen. Dennoch ist es selbstverständlich wunderbar, dass es Rhythmus in der Stadt gibt. Früher war der Rhythmus, bei dem fast jeder mitmuss(te) der der Werksschichten. Heute ist Alltag allerdings viele eher arhythmisch, was einer pluralistisch-freiheitlich Gesellschaft auch besser steht. Die Märkische Oderzeitung stellt derweil ein paar Bilder vom Sommerfest der Filmmusik online.
Ein 34-jähriger Pistolero dagegen verlor am Samstag ein bisschen den Takt und hätte vielleicht eine Woche und auf den Lunik-Film warten sollen, um zu sehen, dass man, wenn man Eisenhüttenstadt denn wirklich verlassen möchte, die Waffe besser senkt als hebt. So endete die Flucht im Taxi in der hiesigen Krankenhauspsychiatrie. Die Märkische Oderzeitung hat die ganze Story im Programm.
Und schließlich findet sich noch eine höchst zitierfähige Formulierung im Report zu Georg Mann, Künstler und Praktikant in Eisenhüttenstadt:
Die Stadt will sich jungen Künstlern öffnen.Angeregt hat die Praktikumsvereinbarung mit der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein der Bürgermeister selbst und nun hat er einen Idealisten in seiner postutopischen Stadt, der ausgerechnet von den hiesigen Entscheidungsträgern Wunschvorstellungen für eine bessere Gesellschaft zusammentragen möchte:
Dass seine Porträtierten ihm so wenig Utopien diktierten, sei zwar ein wenig traurig. Aber er verstehe das. Das stelle er auch bei sich selbst fest. "Mit dem Alter verschwinden sie."Da hat ihm MOZ-Reporter Jan C. Weilbacher mit der Wortwahl nichts Gutes getan. Denn welches Bild soll man sich von einem 31jährigen Bildhauer hauen, der bedauert, dass ihm zuwenig Utopie diktiert wurde - dies in der ersten und konsequentesten sozialistischen Stadt auf deutschen Boden, in der das Diktat der sozialistischen Utopie zu den Grundsteinen gehörte, auf denen man die Wohnkomplexe in die Landschaft setzte. Allerdings ist die Stadt erst in ihrer postsozialistischen Sinnkrise nach 1990 so richtig in eine Spirale gerutscht, die sie gen "Nichtort" trudeln ließ. Die Frage, ob sie sich mittlerweile gefangen hat, ist nicht leicht zu beantworten. Künstler in die Stadt zu holen, die hier "Identität" und "Örtlichkeit" erfassen, mag eine nette Idee sein und solange man sie nur ans und nicht ins Werk drängt, wird auch niemand empört "Bitterfeld" rufen. Andererseits hat man jedoch Observation von Außen in den letzten Jahren schon mit Projekten wie Stadt 2030 beinahe zu intensiv betrieben und in jedem Fall mit einem erschreckend geringen Nachhall. Wenn die Stadt wirklich dieses Ziel verfolgt:
Denn die Stadt will, dass Eisenhüttenstadt wieder stärker in den Blickpunkt junger Künstler rückt. Zur Lebensqualität gehöre auch eine lebendige Kunstszene, sagt der Bürgermeister Rainer Werner.dann sollte sie vielleicht auch einmal die hiesige junge Kunstszene fördern.
Eisenhüttenstadt wiederum erhält mit Hilfe des Projektes Reflexionen über sich selbst und einen künstlerischen Blick von außen.dokumentiert Jan C. Weilbacher das offizielle Bestreben. Vielleicht, so könnte man meinen, wird auf den Blick von Außen - und zwar durch Kunstpraktikanten - auch soviel Wert gelegt, weil man den Blick von Innen scheut. Allerdings ist ein solcher die Basis für eine "lebendige Kunstszene" ("A healthy art scene is up and doing"). So gut die Arbeiten von Georg Mann auch sein mögen: drei Monate Praktikum sind für die Entwicklung einer solchen und damit auch für die einer "topischen" Identität bei weitem nicht ausreichend und vermutlich nicht viel mehr als ein Eintagserlebnis im Eisenhüttenstädter Alltagsmittelmaß.
"Die Freilichtbühne ist inzwischen zum Stadtgespräch Nr. 1 geworden. Jeder Stalinstädter, der sich das Entstehen der Bühne angesehen hat, kann sich ein Bild machen, was für Arbeiten notwendig sind, um diesen Bau termingerecht fertigzustellen. Die meisten Arbeiten müssen manuell gemacht werden, da wir in den wenigsten Fällen technische Hilfsmittel in Anspruch nehmen können. Desto höher muß man den Elan der NAW-Helfer einschätzen, die mit einem lustigen Wort auf den Lippen und immer guter Laune ihre bestimmt nicht leichte Arbeit verrichten."Es sind nur die kleinen Feinheiten (alte Rechtschreibung, "immer gute Laune", "
Allerdings führt der Beitrag nicht nur Positivnachrichten im Gepäck. So verzichtet man - angeblich aus Gründen des Vandalenschutzes - tatsächlich auf die angekündigten bequemen Sitzschalen aus dem Olympiastadion und greift auf das schlichtmöglichste Modell (Solo von Stechert) zurück. Die passen im Ergebnis farblich auch weitaus besser zum Umfeld:
Zaun, Kissen, Beleuchtungsmasten - alles in der Farbe des Waldes, so wie es sich für eine Naturanlage gehört.Genau genommen ist ein Wald natürlich nicht grashüpfergrün, sondern enthält ein ganzes Spektrum von Farben - von Birkenstammweißschwarz über Kiefernrindenockerbraun bis hin zum Tannengrünbisindiespitzen - und daher lassen sich mit der Aussage auch schon vorausschauend zukünftige Nutzungsspuren ablesen. Sehr gern liest man, dass es in diesem Fall in dieser Stadt ein erblühendes Wir-Gefühl gibt:
"Schließlich sind wir doch alle verwurzelt in dieser Region, und ehe die Leute zum Theater nach Berlin fahren, sollte man doch versuchen, ihnen hier etwas Kultur zu bieten."Mal sehen, ob man diesen Anspruch auch erfüllen kann. Den Versuch kann man nicht genug unterstützen!
So wie 1960, als die laut [Burkhard] Jantke damals zweitgrößte Freilichtbühne in der DDR aus dem Boden gestampft wurde, packen jetzt auch wieder alle an. Von Ferrostahl, der Stadtwirtschaft, über Arcelor bis hin zurEinen Unterschied gibt es jedoch: Wo damals die Brigaden ihre freiwilligen Aufbaustunden am Abend und am Wochenende leisteten, heißt es heute:
Diakonie.
"Seit früh um sieben sind wir heute schon bei der Arbeit", sagt Burkhard Dammaschke, der noch immer einen Pinsel in der Hand hält und von der Diakonie geschickt wurde.Der zweite Wermutstropfen im Sektglas der neuen Freilichtbühnenzukunft ist dieser:
Kino soll es auf der Freilichtbühne aber nicht mehr geben. Das sei technisch ein zu großer Aufwand. Zudem wolle man ja privaten Kinos keine Konkurrenz machen, heißt es aus der Stadtverwaltung.Als Filmfreund bedankt man sich für diese unsinnige Rücksichtnahme nur bedingt. Denn einerseits hat Eisenhüttenstadt, soweit allgemein bekannt, nur ein privates Kino und das wird andererseits zumeist mit derart lauer Konfektionsware beliefert, dass das gilt, was Heckmann-Chef Eberhard Kirsch oben zum Theater bemerkte: Man fährt lieber nach Berlin. Dass der Aufwand recht groß ist, glaubt man dagegen gern. Die lokale privatwirtschaftlich kämpfende Kinolobby könnte man jedoch sicher mit dem Versprechen beruhigen, nur Filme zu zeigen, die ein bisschen neben dem Multiplex-Hauptstromprogramm liegen. Vielleicht denkt man sich in der Stadtverwaltung aber auch, dass dafür in der Stadt das Publikum fehlt. Erfahrungsgemäß - wenn man an die Zeiten denkt, in denen im Friedrich-Wolf-Theater entsprechende Versuche unternommen wurden - wäre diese Annahme eventuell leider nicht ganz verkehrt.
Die werden bestimmt kommen, bevor die großen Stars in der ostdeutschen Kulturmanege hier wieder über die Freilichtbühne gehen.
Das weitere Highlight des insgesamt doch sehr spartanisch anmutenden Freiluftsitzmöbels ist eine "komfortable Knierolle". Allerdings hätte man wenigstens für die Lokalprominenz und die Pressetribüne zusätzlich noch eine halbe Reihe des Modells Montreal VIP (mit Getränkehalter und Kunstlederbezug) ordern können. Vielleicht ist dies auch geschehen und wird nur nicht an die größte Glocke gehängt. Von den Solo-Modellen für alle Alleinsitzer werden jedenfalls 1020 Stück verschraubt, deren hoffnungsvolle Farbgebung uns dann hoffentlich einen prima Spielplan beschert.
"Als Eisenhüttenstadt zehn Jahre alt wurde, entstanden hier gleich zwei Objekte der Naherholung: der Rosenhügel an der Diehloer Straße und, ein wenig höher gelegen, in einem wie dafür geschaffenen Talkessel die Freilichtbühne. Seinerzeit für das Massenfestspiel "Blast das Feuer an" von den Einwohnern Eisenhüttenstadts in zehn Wochen geschaffen, ist die Freichlichtbühne heute als Schauplatz vielseitiger Veranstaltungen der Berufs- wie der Laienkunst. Sie wird aber auch - oder hauptsächlich - als Freilichtkino genutzt. Eine 70-Millimeter-Kinoanlage schafft auf der dreiunddreißig Meter breiten, fünfzehn Meter hohen und etwas gewölbten Filmleinwand ein eindrucksvolles Bild in Totalvision, und nicht selten sitzen auf den dreitausend Plätzen fünfhundert Besucher mehr." (Opitz, Helmuth; Bauer, Werner: Eisenhüttenstadt. Leipzig: 1975, S. 23)
In den vergangenen 32 Jahren, die seit dem obigen Zitat durch die Weltgeschichte donnerten, hat sich einiges getan. Nicht nur die Totalvision des DDR-Sozialismus hat sich als Schimäre erwiesen und ist schließlich als kartenhausiger Typenbau am Ende schneller zusammengestürzt, als Peter Kahane seinen hochdeprimierenden Film "Die Architekten" vollenden konnte. Wer den gesehen hat, dem vergeht die Ostalgie aber gewaltig und das breitgetretene Arbeitsplatzargument wird zur schauderhaften Farce. Ob das Scheitern des Daniel Brenner auf der Eisenhüttenstädter Freilichtbühne gezeigt wurde, weiß ich nicht - es scheint mir aber eher unwahrscheinlich, nicht zuletzt in Anbetracht der Tatsache, dass der einzige Film, den ich dort zu sehen das Vergnügen hatte, Michael Bays ziemlich unerträgliche Sci-Fi-Endzeitstory Armageddon war, diese allerdings gut besucht, wogegen die Zahl derer, die Peter Kahanes happy-end- und auch fast happy-moment-freie DDR-Endzeitstory im Kino sahen, vermutlich im unteren vierstelligen Bereich anzusiedeln ist. Beim Nachblättern im Kalender fällt mir also auf, dass die Lichtspielanlage auch gegen Ende der 1990er Jahre noch intakt und im Betrieb war.
Und auch danach gab es regelmäßig Veranstaltungen, wobei vielleicht nicht jedesmal dreitausendfünfhundert Besucher die Sitzreihen füllten. Dreihunderfünfzig aber waren es durchaus z.B. beim flotten Hip Hop-Festival - wann war das eigentlich - mit Spax am Mikrophon und später am Steuer des Volkswagens, der mich vom Berg in die Stadt hinunter fuhr, und Mc Rene, dem leider auch nach seinem Auftritt in Eisenhüttenstadt nicht "immer immer mehr" sondern eher immer immer weniger zu seinen Shows namens Bernd kamen. Und dann waren da noch die kopsteinpflasterharten Ruhrpott-Jungs von RAG, die sich auf der Bühne zu der ehrfürchtigen Eröffnungsansage hinreissen ließen "Wir dachten, wo wir her kommen, ist es schlimm. Aber im Vergleich hierzu geht es uns ja richtig gut.."
Nun denn, jetzt soll alles schöner und schmucker werden und auch wenn die Bochum-Boys von Filo Joes und Raid es nicht direkt auf die einst von den Subbotniki der Stahlstadt im Rahmen des Nationalen Aufbauprogramms der DDR in den berühmten 270000 freiwilligen Arbeitsstunden zusammengebaute amphitheatralische Anlage selbst bezogen, so wurde auch schon zu diesem Zeitpunkt deutlich, dass sich das freiwillige Aufbauwerk vierzig Jahre nach dem Hüttenfestspiel nicht mehr in der allerrobustesten Verfassung befindet. Nun, weitere sieben Jahre später, vermeldet die Märkische Oderzeitung, dass dank Stahlwerksunterstützung die Sanierung des Stalinstädter Schmuckstücks ansteht:
Bis Ende Mai ist die Freilichtbühne Baustelle. Passieren soll hier viel: Ausgediente Bänke im Mittelblock der Bühne weichen komfortableren Sitzschalen aus WM-Stadien, die im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2006 ausgetauscht und zu vertretbaren Preisen verkauft wurden - u.a. auch von Hertha BSC. Etwas mehr als 1000 Sitzschalen werden auf der Bühne installiert. Die restlichen Besucher sollen nach Vorstellungen von Stadt und Arcelor auf Sitzkissen, die vor der Veranstaltung verteilt werden, Platz nehmen können. Knapp 3000 Besucher kann die Freilichtbühne fassen - fast wie früher. Besser als früher haben es die Künstler: Die Bühne wird künftig dank einer Überdachung kurzen Regengüssen trotzen. Die Künstlergarderoben und Toilettentrakte werden komplett saniert.
Bürgermeister Rainer Werner spricht von einer "Revitalisierung" und Arcelor-Arbeitsdirektor Rainer Barcikowski möchte gern "an alte Zeiten anknüpfen", was man so oder so lesen kann. Wir lesen es mal so und gehen davon aus, dass die Bühne nicht unbedingt vorwiegend von Agit-Progruppen bevölkert wird, die wissen wollen, wo ich stehe ("letzte Reihe!") und welchen Weg ich gehe ("den Hügel runter und dann weg von hier!"), sondern vielmehr z.B. von der Oper Oder Spree, die schon Neuzelle zum "Bayreuth des Ostens" (Waltraud Tuchen) werden ließ. Ein Donaueschingen des Ostens wäre auch nicht schlecht, aber eigentlich könnte man auch tatsächlich an alte Zeiten anknüpfen und etwas Identifikationsstiftendes anzetteln. Oder einfach ein Sommerfilmfestival mit "Die Architekten" als Eröffnungsfilm unterm offenen Himmelszelt veranstalten. In jedem Fall ist es sehr schön, dass es doch Aufbruchssignale gibt. Was man dann im renovierten Halbrund vor das Publikum zaubert liegt in berühmten städtischen Händen:
Die Auslastung der Freilichtbühne lag und liegt in den Händen der Stadt. Sechs Vorstellungen habe er für 2007 im Auge, sagt Wolfgang Perske, Bereichsleiter Stadtmanagement. Schon am 23. Mai soll die "Russische Märchenkutsche" für die Kinder in den Diehloer Bergen halten. Am 15. Juni, einen Tag vor dem Konzert der Babelsberger Filmmusiker, wird eine Sommerkomödie open air aufgeführt. Weiterhin geplant: eine Musicalnacht (29. Juni), das Jugendspektakel (11. Juli) und die Operette "Die Fledermaus" (22. Juli). Ansonsten will Perske die Freilichtbühne am Rande der Stadt vor allem externen Veranstaltern schmackhaft machen.
Vielleicht kann Wolfgang Perske auch einmal auf den alten Stoff von Till SchleierEulenspiegel zurückgreifen, wo die passenden Karten doch bereits jetzt nicht mehr erhältlich sind. Man kann aber davon ausgehen, dass dem Stadtmanager noch einiges einfällt, abgesehen von Contenance im erwähnten Casus, den immer wieder herauszukramen uns natürlich ein einzigartiges Vergnügen darstellt.
Doch diese Ambitionen liegen mittlerweile ad acta. Heute stehen die roten Fische ohne Bezug in der Landschaft und die Prioritäten haben sich etwas verschoben. Zeitgemäß setzt man meist statt auf Massenspiel auf Massenbespielung. Es bleibt zu hoffen, dass auf der renovierten Freilichtbühne trotzdem noch ein paar Nischen bleiben.
"So war - war so die Deutsche Demokratische Republik?" heißt das Projekt im Geschichtsunterricht der 13. Klassen im Eisenhüttenstädter Oberstufenzentrum Gottfried Wilhelm Leibniz, das erstmalig über etwa acht Wochen durchgeführt wurde. Statt Frontalunterricht und Lehrer-Monolog wurden Zeitzeugen befragt und historische Dokumente durchstöbert - vom Pionierausweis, über vergilbte Ausgaben vom "Neuen Tag" bis hin zu alten Speisekarten aus dem Hotel Lunik war alles dabei. Genauso reich wie die Quellenlage war auch der Themenkatalog: "Zwischen Krippenplatz und Kuranspruch", "Wenn der ,Akki' oder der ,Huckel' sprechen könnten" oder aber "Punks im sozialistischen Stadtbild".
Wenn "Akki" und "Huckel" sprechen könnten, gäbe es ganz sicher ein heftiges Wehklagen darüber, wie früher alles schön war und wie nach 1990 die Welt in sich zusammenfiel. Das kennt man auch von anderer Seite, genauso wie das verkrampfte Distanzieren von aller Vergangenheit, was sich nun aber so langsam zugunsten einer differenzierteren Sicht aufzulösen scheint. Wenn die "letzten DDR-Kinder" mithilfe solcher Projekte für das Wurzelwerk ihrer Stadt sensibilisiert werden, ist das hoch begrüßenswert. Vielleicht lernen sie dann auch, wie fragil scheinbar unumstößliche Versprechen sind:
"Rote Brigaden von Stalinstadt
schmelzen dann neuen Rekord,
bis diese Welt keine Waffen mehr hat
darauf unser Wort!"
Der Plan war wohl selbst mit frisierter Statistik nicht erfüllbar. Und auch hier ging die Umsetzung des Konzepts etwas daneben:
"Erze und Hirne, sie werden entschlackt!
Gut wird das Leben bestellt sein.
Vorwärts, Genossen, und mit angepackt!
Sauber soll die Welt sein!"
Womit sich die Hochöfner wohl heute durch ihre Abende singen?
Ward Ihr Bereit, ihr blauweiß Behemdeten, Behalstuchten und Bekappten diese Erde?! Wohl nicht, denn Gottes Hände stecken nun in deutschen Torwarthandschuhen...
Nun ja, der blaue Jungpioniersfarbton harmoniert zugegebenermaßen nicht zu deutlich mit den heller-als-himmelblauen Streifen auf den Nationaltrikots der Barra Bravas bzw. der stolzen Viertelfinalverlierer aus dem Silberland im Süden Südamerikas. Aber das Alternativleibchen der Argentinier wäre dem Jungpionierstil farblich schon näher gekommen, nur mussten oder durften der Bierhoff-Boxer Julio Cruz und seine Kollegen dieses diesmal nicht tragen.
Da ich aber trotzdem die untenstehende, philatelistisch höchst uninteressante (FDJ)-Pioniermarke zum Treffen des Hoffnungversprechens "Jugend" im heutigen Chemnitz just gefunden habe und zum Wochenende hier einwerfen möchte, bemühe ich die jungpionierisch-argentinische Verbindung, damit dies alles nicht zu zusammenhangslos daherkommt.
Falls jemandem dazu eine Geschichte mit Eisenhüttenstadt-Bezug einfällt, bitte posten. Falls nicht, kann man es einfach mal als Rückblick auf die so gleichnishafte wie kindgerechte Ästhetisierung und Inszenierung des Kollektivgedankens sehen: die Pionierorganisation als großes Team für eine große Sache. Ob die nun Weltmeisterschaft oder Gesellschaftsordnung heißt, die Prinzipien sind ähnlich: Alle müssen zusammen halten und jeder für jeden und mancher auch mal einen Elfmeter. Seid wach und bereit, zeigt Mut und Geschick/sonst fliegt ihr schon morgen ins Gestern zurück - will man da dichten, lässt es aber zur frühen Morgenstund vielleicht besser und konzentriert sich auf das, was für das Auge laut dem Wüstenbruchpiloten Saint-Exupéry unsichtbar ist: Das Wesentliche. Dies ist in unserem Fall der kulturelle Hochgenuss in der Stadt der Hochöfen. Von den Ohren hat Consuelos Rosenkavalier und Sternenflieger aber nichts gesagt und entsprechend kündigt sich tatsächlich von Menschenhand gemachter Wohlklang an.
Morgen abend gibt es nämlich auf der in unzähligen Subbotniks von ungezählten Patenbrigaden zusammengebauten Freilichtbühne, damit sich der Kreis dann auch wirklich und wahrhaftig schließt, eine konzertante Musikdarbietung, die mit dem Tangopoeten Astor Piazolla u.a. einen Komponisten würdigt, dessen Werk ganz gut, sowohl geographisch wie auch stimmungsbezogen, auf das früher als geplant, möglicherweise gerade keimzeitig "Bloß von hier weg" und bis nach Feuerland zurück heimreisende AFA-Team beziehbar ist. Und somit wird dieser kleine Text eine runde Sache wie der gold+ Teamgeist Berlin-Finalball, welcher vom rechten Spann zur rechten Zeit getreten schon bald Volkes Freudentaumel und Föderalismus' Reform so schön in der Symbolgestalt der verzückt-verrückten Kanzlerin in Bundestags- und Stadionloge zu einem perfekten politisch-populistischen Doppelpaß zusammen- und verjubeln könnte.
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