Vier Jahre schrieb ich für das Eisenhüttenstadt-Blog und nun ist es schon wieder (gefühlt) eines her, dass (s)ich das Kapitel schloß. Der Abstand zum Objekt wächst und so langsam scheint der Punkt erreicht, an dem auch die Anfragen von Designstudenten oder Journalisten ausbleiben. Längst poltern andere Themen durch meine Tage, von denen mittlerweile manche ohne einen einzigen Gedanken an Ostbrandenburg vergehen. Es müsste mich also schon ein seltener Zufall in eine Art Eisenhüttenstadtschreiberklause zurückwerfen, um unter dieser Domain und zu dieser Domäne Einträge in der Frequenz, die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts gängig war, niederplätschern zu lassen. Wenn ich heute den Deckel der Mappe dieser Stadt- und Selbstdokumentation einen Spalt breit lüfte, dann eigentlich nur, um eine Fotografie dazwischen zu schieben, die irgendwie hierhinein - und nur hierhinein - passt. Im letzten Herbst hatte ich das Vergnügen, Ansprechpartner für ein finnisches Buchprojekt zur sozialistischen Architektur im postsozialistischen Zeitalter zu sein, von dem man hoffentlich noch etwas hören wird. Im Zuge dessen und wahrscheinlich aus Gründen eines gewissen Charmes von Nerdiness, der randständigen Praktiken wie dem Sammeln von Stalin- und Eisenhüttenstadt-spezifischen Ansichtskarten und mehr noch dem darüber Schreiben innewohnt, machten sich die beiden Autorinnen daran, auch von mir ein Porträt zu erstellen, das eine Fotoserie enthält. Eine dieser Aufnahmen der Fotojournalistin Julia Ajanko möchte ich nun hier ins Netz werfen, damit meine etwa 700 kürzeren und längeren Texte um Eisenhüttenstadt, über Eisenhüttenstadt und aus Eisenhüttenstadt ein Stück weit ein Gesicht erhalten.
Biografie - ein Ansichtskartenspiel?
Was noch vor zwei Jahrzehnten nicht unüblich war, nämlich anhand ausgiebiger Postwechsel wenigstens Tagebücher über die Reisen der Anderen in Schuhschachteln zusammenzutragen, ist heute ein selten gewordenes Verhalten. Ehe man in Nepal das Postamt sucht und vor allem, bevor man es findet, hat man längst seinen instagr.am-Schnappschuß vom Nanga Parbat in den Bitstream bei Facebook geworfen, wo er sofort seine 15 Like-Klicks Ruhm erhält und dann, von anderen wichtigen Statusmeldungen überlagert, langsam in der Timeline versickert. Natürlich heben wir auf diese Weise mehr Privatfakten unseres Lebens auf. Aber eben doch anders.
Das, wie man hoffentlich sieht, inszenierte Symbolbild mit blauer Jacke versucht diesen Übergang von der Karten- zu .jpg-Kultur dadurch auszudrücken, dass es sein analoges Gegenstandgefüge an den Bretterzaun der Digitosphäre pinnt. Die Auswahl der Motive, die sich in den Händen eines Stadtbloggers so überlagen, dass teilweise nur noch ein Fitzelchen hervorlugt, symbolisiert gleichfalls das satte Verstreichen der Zeit am Beispiel Eisenhüttenstadts.
(Foto: Julia Ajanko, Herbst 2010. Eine Arbeit der Fotografin findet sich in dieser Publikation der Danish School of Media and Journalism. S. 60-67)
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