"Wer es in meinen Job zu etwas bringen will, der...
...muss diszipliniert sein, etwas leisten wollen, die Aufgaben, die auf einen zukommen, konstant erledigen und sich ein Ziel setzen."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat heute in ihren immer wieder lesenswerten Rubrik "Mein Weg" unter Rubrik "Beruf und Chance" (FAZ, Nr. 161. 14. Juli 2007, C3) den trigema-Chef Wolfgang Grupp ein paar Aussagen über sich formulieren lassen, die man zwar angesichts der überdimensionierten Porträtaufnahme, auf der allein die Kravattennadel üppige 3 cm besetzt, fast überliest, am Ende aber doch voller Begeisterung zur Kenntnis nimmt. So ticken die erfolgreichen Unternehmer Deutschlands und die zitierte Maxime ist nur eine der vielen, die ich mir sogleich neben den Schreibtisch pinne.
Inwieweit die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Eisenhüttenstädter Amtes für Grundsicherung ähnlichen Elan bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mitbringen, wie es der erztraditionistische Trikotagenhersteller und FAZ-Wirtschaftssuperstar des Tages ("In der Öffentlichkeit erscheint er ausnahmslos gestriegelt, braungebrannt, streng gekämmt, in einen straffen Dreiteiler gekleidet, mit Einstecktuch, goldenen Manschettenknöpfen und Kravattennadel ausstaffiert") offensichtlich tut, entzieht sich meiner Kenntnis. Nach dem
Word of Blog, wobei ein weiteres Mal
peters weblog als Quelle fungiert, scheint man dort jedenfalls einen Erziehungsauftrag hinsichtlich des Lebenswandels der Klientel zu entwickeln, der die Maxime "Fleiß" an erste Stelle rückt:
Diese Art von kompetenter Unterstützung erfuhr eine Mutter von drei Kleinkindern, die sich derzeit in freudiger Erwartung weiteren Nachwuchses befindet, auch von der für sie zuständigen Mitarbeiterin des besagten Amtes mit den Worten: "statt den ganzen Tag nur rum zu bumsen und Kinder zu zeugen, sollten sie sich mal gefälligst arbeiten scheren!" Ihre Anfrage auf Zustimmung zum Umzug in eine grössere, und vor allem bei Regenwetter nicht in eine sich zur Tropfsteinhöhle verwandelnden EWG-Wohnung, wurde mit diesen besagten Worten erst einmal abgeschmettert. Auch dem Vater der Kinder, welcher als Nachtkurierfahrer tätig ist, riet dieses Amt: " sich zur Abwechslung mal nicht am Tage faul auf der Couch auszupennen sondern statt dessen mal arbeiten zu gehen." Die Kompetenz unserer steuerbezahlten Bürger-Dienstleister in Sachen sozial (im Sinne von Gemeinschafts-) Denken und Kinderfreundlichkeit sollte hiermit wohl zur Genüge bewiesen und dokumentiert sein.
Exzellent. Nur schade, dass der Name der Mitarbeiterin verschwiegen wird, denn mit einem solch offensiv erzieherischen Berufsverständnis wird man schnell zur Sachbearbeiterin des Monats und demonstriert ein beinahe schon erschreckend professionelle Einstellung. Andererseits könnte man das Ganze aber auch wieder als Beweis dafür sehen, dass viel zu viele der gut qualifizierten jungen Frauen Ostdeutschland verlassen und man irgendwie auch im
Amt für Grundsicherung die einstellen muss, die zurück geblieben sind.
Ebenfalls zurückbleiben wird ein ungenutztes Gerichtsgebäude in der Diehloer Straße, denn die Diplompädagogin und Justizministerin Brandenburgs, Beate Blechinger (CDU), konnte
jüngst verkünden, dass das hiesige Amtsgericht geschlossen wird:
Aus Eisenhüttenstadt sollen Grundbuchamt und Amtsgericht nach Frankfurt verlagert werden. "Eine Entfernung von 25 Kilometer ist zumutbar", so die Ministerin.
Der Grund ist der übliche im Sparbüchsenbundesland Brandenburg: Einsparen, einsparen, nochmals einsparen. Die Summe der gesamten Amtsgerichtsreform beläuft sich auf erklärte 15 Millionen, also etwa die Hälfte, was das Potsdamer Spaßbad nach Plänen von Oskar Niemeyer gekostet hätte. Leider wird das Geld nicht dafür umverteilt, was man als Architekturfreund immerhin ästhetisch hätte gut heißen können, sondern einfach so um des Sparens Willen gespart. In Eisenhüttenstadt ist man erwartungsgemäß nicht sehr glücklich. In Frankfurt/Oder wird man sich über das Plus an Arbeit dagegen bestimmt freuen, geht es doch dort allgemein aufwärts in die Sonne. Und schließlich - dieses Argument vermissen wir bei Beate Blechinger - bilden Frankfurt/Oder und Eisenhüttenstadt auch einen gemeinsamen regionalen Wachstumskern. Eigentlich schade, dass noch keine Fusion der beiden Städte im Raum steht.
Neben diesem Thema gibt es in der Märkischen Oderzeitung vom Samstag eine Art lokalen Kulturkalender für das restliche Jahr 2007:
Während der Freilichtbühne in den Diehloer Bergen mit Aufführung der Operette "Die Fledermaus" am kommenden Sonntag das vorerst letzte Großereignis in dieser Saison bevorsteht, ist im Friedrich-Wolf-Theater am Programm für das zweite Halbjahr gebastelt worden. Ein spektakuläres Ereignis erwartet die Eisenhüttenstadt Anfang Dezember in der Inselhalle mit einer Moskauer Show auf Eis.
Sehr eindrucksvoll wird sicher dieses tolle Ereignis:
Knisternde Spannung verbreitet am 4. November ab 20 Uhr Dr. Mark Benecke in der Inselhalle. Er ist einer der bekanntesten deutschen Kriminalbiologen, der weltweit für Polizeibehörden, u.a. auch für das FBI tätig ist. Durch seine Analysen konnte schon unzähligen Verbrechern auf vielen Kontinenten das Handwerk gelegt werden. Dies wird kein leichter Abend, denn beim Anblick einiger Fotos kann sich dem Betrachter leicht schon mal der Magen umdrehen. Gezeigt werden nicht die üblichen "Wo ist hier der Fehler"-Fotos. Nur durch detaillierte Nahaufnahmen lassen sich die wirklich interessanten Fragen klären.
Und das Sensationsbedürfnis des Publikums befriedigen. Mehr zum Überflieger der Forensik liefert dieser selbst auf
seiner Website.
Sehr nahe am Geschehen waren denn auch die paar Besucher des
Jugendspektakels auf der Freilichtbühne:
"Jetzt wollen wir gucken, ob Eisenhüttenstadt wach wird!", schreit Peter Bolmer durchs Mikrofon. "Seid ihr gut drauf?" Doch bis auf ein paar vereinzelte "Ja"-Gröhler, bekommt der Sänger der Berliner Band EL*KE eine Stunde vor Mitternacht keine wirklich überzeugende Antwort. Eher müde stehen die jugendlichen Musikkonsumenten vor ihm - nur wenige Schritte entfernt. Mittlerweile ist die Freilichtbühne selbst auch zum Zuschauerbereich geworden, während die Sitzreihen dahinter schon fast gespenstisch leer wirken.
Die Veranstalter bilanzieren die Veranstaltung entsprechend geknickt:
"Wir werden das kritisch betrachten", erklärt Regina Richter. 400 Besucher sei die Grenze für den Aufwand. "Aber aus dem hohlen Bauch heraus können wir nichts entscheiden", sagt sie, als es um die Zukunft des Spektakels geht. Das müsse erst sacken. "Wir" - damit meint sie Trodo und KUZ - "setzen uns in den nächsten 14 Tagen zusammen." Dann versuche man herauszufinden, woran es gelegen haben könnte, dass nicht mehr Besucher als im Vorjahr gekommen sind - trotz der neuen Bühne, trotz eines Programms mit Tanz, Fahrradakrobatik und Musik. "Das Wetter war nicht gut, aber auch nicht allein entscheidend", erklärt die KUZ-Chefin. Jetzt heißt es abwarten und hoffen, dass Eisenhüttenstadts Jugend beim nächsten Mal etwas ausgeschlafener ist - falls es ein nächstes Mal gibt.
Vielleicht liegt die mangelnde Resonanz auch daran, dass die Menge der aktivierbaren Jugendlichen in Eisenhüttenstadt generell eher gering ist. Was erst passieren würde, wenn man sich an Projekten wie der Initiative "
mitWirkung!", die die Bertelsmann-Stiftung leider auch mit dem entsetzlich anbiedernd-albernen Slogan "Pimp my Town" vermarktet, zu beteiligen versuchte, möchte man sich gar nicht erst vorstellen. Oder? Vielleicht kann man doch von
Essens Besten lernen...
Recht lustig erscheint übrigens, dass die Berstelmann-Stiftung zielgruppengemäß mit einem "mitWirkung"
taggenden Sprüher wirbt. Dass sie sich dabei solche
"Pimp my Town"-Umsetzungen (YouTube-Video) wünscht, ist aber eher zu bezweifeln.
Dieses Thema bringt uns dann ganz schnell zu dem einzigen Flickr-Fotografen, der momentan Premium-Stadtfotos liefert und zwar von einer solchen Qualität, dass ich meine Kamera erst einmal aus Neid zertrümmert habe:
P.S. Zum ersten Thema dieses Rundblicks und als Motivationshinweis für die betreffende Mitarbeiterin des Amtes für Grundsicherung noch schnell ein Zitat:
"Bürgerorientierung, Qualität und Wirtschaftlichkeit müssen in ganz Europa die Leitmotive der öffentlichen Verwaltung sein." (Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble) Wir bitten die eigene Tätigkeit dahingehend zu überprüfen.
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