Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die muss man einfach hinnehmen, auch wenn das Verzweifeln daran kaum vermeidbar ist. Dazu zählt es in den DSL-fernen Regionen Freude am Internet zu haben. Man ist wirklich wie verflucht: Ist man hier und hat die Themen und die Zeit, so bolzt einen die bestenfalls ISDN-Verbindung aus dem Spiel, mit dem man Ende 2006 wahrlich keinen zeitgemäßen Webworkflow mehr durchführen kann. Ist man dann wieder zurück aus dem manchmal gar zu Panoptikum-artigen Stahlstadt in der Normalität der Großstadt und kann die Internet-Welt mit fast buchstäblich Lichtgeschwindigkeit benützen, ist man wieder in Alltäglichkeiten eingebunden und all díe schönen Texte, die man zu den Wahrnehmungen am Rande Brandenburgs schreiben könnte, sind schon wieder so fern und von gestern, dass es nicht mehr lohnend scheint, etwas hinzutippen.
Von all den weitbekannten Negativfaktoren und Standortnachteilen Eisenhüttenstadts ist für mich Abkopplung weiter Teile der Stadtbevölkerung von einer
zeitgemäßen Nutzbarkeit der "virtuellen Kommunikationsgemeinschaft" der entscheidende, der mich in jedem Fall hindern würde, hierher für längere Zeit zurückzukehren. Dies nur als vorweggeschickte Erklärung dafür, warum im Blog derweil die stille Nacht noch etwas andauert: Wenn es vier Minuten dauert, bis sich einer Flickr-Seite aufgebaut hat, schmilzt die Freude dahin, wie eine Kugel Himbeereis oben bei der Katze auf dem heißen Blechdach. Und da ich schon einmal bei den nicht so guten Nachrichten bin, ist zu vermelden, dass das Wiki erst wieder in der ersten Januarwoche verfügbar sein wird.
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Vor einigen Tagen, als mir die Datenpakete des WWW noch locker und ungebremst durch die Tasten glitten, erschien
der Mensch im WK III bzw. hier im Blog. Die Fotografie, die diesen Zusammenhang illustrierte stammt aus einer Zeit, als es Eisenhüttenstadt noch nicht gab und der dritte Wohnkomplex der dritte der Stalinstadt war: etwa 1960:
Nun 46 1/2 Jahre später ergab sich, da man ja nicht soviel Zeit am Bildschirmarbeitsplatz verbringen mag, gestern in der allgemeinen Weihnachtsausklangsstimmung die Gelegenheit, den Aufnahmeort im Rahmen eines angenehmen Kernstadtspaziergangs noch einmal aufzusuchen und die räumliche Situation auf Veränderungen hin zu betrachten.Verändert hat sich offensichtlich einiges und zwar auch über die üblichen Abnutzungen belebten Raumes hinaus.
Zunächst aber staunt und freut man sich über die nach wie vor vorhandene Pergola, die den Weg als schattenspendende Rankebrücke überspannt. Gegen Ende Dezember merkt davon nicht zuviel, jedoch ist das Konzept auch dann erkennbar. Die Hauswand, an der das Gerüst angeschraubt steht, scheint im Gegensatz zur Ansichtskartenaufnahme dunkelgrau und vom Wetter gezeichnet, was aber zu einem nicht geringen Teil auf den Mangel an Sonnenschein an einem zweiten Weihnachtsfeiertag um dreiviertel Vier zu schieben ist: da befindet man sich lichtechnisch nun einmal in einer bitteren Grauzone und da die Blitzausstattung der gewöhnlichen Handdigitalkamera solche Situationen nur in der "Available Light"-Methode aufzunehmen zulässt, wirkt alles ein bisschen grauer und eingefallener, als in der Realität vielleicht sein mag.
Was weniger mit dem Tageslicht zu tun hat, als mit der kulturellen Unterbelichtetheit mancher Verantwortlicher, ist das Fehlen der schönen Bräustübel-Werbeblume nebst Schriftzug. Die Spuren der alten Zeit über dem Torbogen mit dem für's neue Jahr gerüsteten "Karte rein, Kippe raus"-Zigarettenautomaten sind deutlich zu sehen, aber auch deutlich unansehnlicher als es eine entsprechende originale oder faksimilierte Wandgestaltung wäre. Es bleibt zu hoffen, dass im Zuge einer irgendwann ganz sich anstehenden Neuverputzung des Gebäudes hier wieder rekonstruiert wird, was in eine solch eine Architekturdenkmalstadt nunmal gehört: die gastronomische Ikonografie ihrer Enstehungszeit.
Das man das Bräustübel mittlerweile in "Getränkeexpress" umbenannte, ist ein Ärgernis, das man dem ausgewiesen unkreativen Firmenbenennungsstil der hierzulande nicht unüblichen verkleinbürgerten Trivialmarktwirtschaft zuschreiben und so hinnehmen muss. Persönliche finde ich allerdings gar Benennungen a la "Bierschwemme" traditionsnäher und sympathischer.
Mit großer Freude und getreu dem Motto "nicht sanieren ist oft der beste Denkmalschutz" sieht man dagegen, dass die kleinscheibigen Fenster im Lokal noch die alten sind. Ob es diese schon 1960 gab, vermag ich nicht zu beurteilen, in den 1980ern jedenfalls gab es sie schon und bei der Gelegenheit erinnere ich mich zu meinem erneuten Schreck, dass ich damals bei meinem einzigen Aufenthalt in diesem Lokal eines meiner einstigen Lieblingsbücher - eine Art futuristisches Comic von Erich Schmitt - am Ecktisch liegen lies. Wer weiß, was aus ihm geworden ist und was aus mir geworden wäre, stände das Buch noch heute in meinem Regal..
Ebenfalls verschwunden ist sind die "Obst-Gemüse"-Buchstaben, was in gewisser Weise Sinn macht, da im Gegensatz zum Bräustübel, in dem vermutlich auch unter dem Namen Gertränke-Express nicht selten Bier über den Tresen geht, mit Obst und Gemüse an dieser Einkaufsstelle nicht mehr gehandelt wird. Jetzt gibt es dort Dinge und Kram und es ist schade, dass dieses nicht ebenso schwungvoll wie der Früchte-Hinweis aus den 1950ern an die Dachkante montiert wurde.
Deutlich unschöner als der auf der Ansichstkarte fast als gelber Weg nach Oz (bzw. in die Smaragdenstadt, je nach West- oder Ost-Sozialisation) interpretierbare Durchgang, ist der jetzige Pflasterpfad, welcher mit kleinen grauen Quadratplatten daherkommt, die bei einem ebenfalls in nicht allzu langer Zeit notwendigem Austausch hoffentlich nicht mit dem üblichen genauso mausegrauen Verbundpflaster ersetzt werden.
Auffällig ist weiterhin die der DDR-Stadtgestaltung zuzuschreibene Ersetzung der alten, auf die Umgebungsarchitektur abgestimmten Laternenköpfe durch Exemplare im schlichteren Runddesign. An die der Hauswand näheren Laterne hat man zusätzlich irgendwann zwischendurch Fahnenhalter angeschraubt, die dort bis heute hängen. Es scheint schon komisch, dass man an solch wichtiges Detail des Repräsentationssozialismus in den 1950ern aus irgendeinem Grund nicht dachte.
Was heute völlig fehlt, ist der Durchblick, und zwar der zur HO Gastätte "Auf der Diehloher Höhe" oder wenigstens bis zur Maxim-Gorki-Straße und der ehemaligen POS 3. Die damaligen Baumpflänzlinge sind mittlerweile ordentliche Bäume und was so an Gesträuch gepflanzt wurde, hat die Sichtachse überzeugend zugewuchert. Auch das "Obst-Genmüse"-Schild wäre, wenn es dieses noch gäbe, mittlerweile dank der Verbuschung nicht mehr erkennbar. Es ist übrigens auch genau diese Verbuschung, die mich daran hinderte, einen mit der Position des damaligen Fotografen Friedrich Peukert identischen Standpunkt einzunehmen.
So müssen wir uns mit einer "in etwa"-Position begnügen. Der gute Wille der kleinen Bildnachstellung ist aber hoffentlich dennoch erkennbar und so wie es geradeaus gerade ausschaut, bleibt für die restlichen Tage nah der Heimat noch ein bisserl Zeit zur visuellen Rekonstruktion weiterer klassischer Stadtaufnahmen.
P.S. Ein ebenfalls grundsätzlicher Unterschied zu der Zeit vor 46 Jahren ist der, dass heute vermutlich nur noch ganz ganz selten jemand im Anzug und mit Aktentasche von der Arbeit kommend hier entlangflaniert.
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