Ob man als jemand, für der Stadtraum Eisenhüttenstadts einen Wert besitzt, lachen soll oder weinen, lässt sich in diesem Fall schwer beurteilen. Die Märkische Oderzeitung informiert heute jedenfalls, dass das hier im Blog öfters als bedroht gemeldete und einer Rettung bedürfende Gebäude der Juri-Gagarin-Oberschule erfolgreich aus dem Stadteingentum in die private Hand gewechselt ist. Die Beteiligten sprechen von "Verkauf", was natürlich einen Euphemismus in bester Treundhand-Manier darstellt:
Sein Platzproblem hat Medent offenbar gelöst. Das Unternehmen hat von der Stadt das Ex-Schulgebäude am Pionierweg gekauft - für einen Euro. Das Haus soll saniert werden, derzeit werde ein Antrag auf Landesförderung gestellt,[...]
In Eisenhüttenstadt leben die frühen Neunziger also noch und der Strohhalm, den die Verwaltungskompetenzen hier noch greifbar sehen, ist so dünn, dass man die Liegenschaften anhand sich immer wieder als Trugschluss erweisender Verfahren und in der immer gleichen Hoffnung verschenkt und verschleudert. Medent gibt sich natürlich freundlich:
Zumindest hat sich das Unternehmen mit dem Erwerb des ehemaligen Schulgebäudes im V. Wohnkomplex an den Standort gebunden. "Es ist eine große Zusicherung, die wir mit dem Kauf geben"
und ist jetzt in der Lage, das Ganze in absehbarer Zeit an jeden beliebigen altmärkischen oder anderen Immobiliensammler für mehr als einen Euro weiterzuveräußern, wenn es denn doch nicht so gut aussieht, mit der Prüfung von AOK-Abrechnungen. Selbstverständlich muss dem nicht so sein und der Unternehmensdienstleister muss sich nicht zwingend wie die Molkerei Onken und die anderen verhalten, die in der Stadt mächtig gewildert haben. Dass hier aber eine Liegenschaft aus kommunalem Besitz so freimütig in solch Risiko dahingeschenkt wurde, hat schon etwas Skandalöses. Das Risiko für das Unternehmen jedenfalls ist minimal und die Stadt hat Verfügung über Raum verloren.
Wir werden wohl in den wirtschaftlich strukturarmen bis verlorenen Gegenden wie dieser, wo man mit dem Argument, eine Handvoll Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich einzurichten, Discounter neben Discounter neben Discounter holzen kann und wo vermutlich mit demselben Argument noch viel mehr ginge, mit solch ungleichen Rechnungen auf ewig leben müssen. Die Verwaltenden dieser Stadt, deren Hilf- und Perspektivlosigkeit in derartigen Aktionen sehr offen zu Tage tritt, versuchen einfach über den Tag zu kommen. Es zeichnet sich aber sehr deutlich ab, dass die Planstadt ohne Plan dasteht:
Im Rathaus ist man froh über die Erweiterung des Medent-Firmensitzes. Gerade im Dienstleistungsbereich brauche Eisenhüttenstadt die Arbeitsplätze, sagt Bürgermeister Rainer Werner. Dass in den Schulbau, für dessen Abriss die Kommune hätte aufkommen müssen, investiert werde, würde den Wohnkomplex zudem aufwerten. Dass die Investition tatsächlich vorgenommen wird - das ist Bedingung des Ein-Euro-Verkaufs -, daran hat Werner keinen Zweifel.
Der Firmensitz, liebe MOZ, ist übrigens nach wie vor in München. Eisenhüttenstadt wird bestenfalls eine Zweigstelle.
Und tatsächlich wird hier deutlich, dass sich der Bürgermeister und sein Team sogar in so einer traurigen Aktion eine Orden anheften können: Sie haben die Abriss-Kosten für ein vorbildliches Schulgebäude mit architektonisch nicht unerheblichem Wert gespart. Anstatt das wirklich zu thematisieren, tarnt die Märkische Oderzeitung die Nachricht hinter einer beschämend unterwürfigen und eine noch lange nicht eingelöste Versprechung enthaltenden Überschrift: Medent schafft 130 neue Arbeitsplätze.
Der Münchner Krankenkassendienstleister Medent hat in Eisenhüttenstadt das Immobilienschnäppchen des Jahres gemacht und das abgebildete Objekt quasi geschenkt bekommen. Nun muss es noch ein paar Fördermittel in den Umbau stecken und in wenigen Jahren könnte ein Lebensmitteleinzelhändler das Ganze erwerben, einebnen lassen und einen Discounter errichten. Denkbar wäre dies jedenfalls - in Eisenhüttenstadt sind immerhin schon ganz andere Dinge schiefgegangen.
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