Der starke Mann des Landes, der seit 1991 in Montenegro fast ununterbrochen führende Ämter – auch jenes des Präsidenten – innehat, kennt kaum politische Gegner, die ihm gefährlich werden könnten. (NZZ, 27. März 2009)
Dass sich die politischen Verhältnisse in Eisenhüttenstadt mit denen in Montenegro nur schwer vergleichen lassen, sieht man selbst als Blinder mit Krückstock - wie es früher nicht ganz politisch korrekt im Volksmund hieß - spätestens auf den zweiten Blick. So ist der hiesige Bürgermeister nicht Präsident und erst seit 1993 Stadtoberhaupt. Auch sonst unterscheiden sich Rainer Werner und Milo Dukanovic u.a. durch das Geburtsjahr und den Bartschmuck. Zudem stellen die zugehörigen Parteien ihre Buchstaben unterschiedlich. Beide fühlen sich jedoch der Sozialdemokratie verpflichtet und gehören irgendwie auch der so genannten Sozialistischen Internationale an. Und beide Veteranen der Politik wurden in einer Mittelstadt geboren, die ein Stahlwerk besitzt.
Darüber, wie groß der tatsächliche Einfluß der einen Seite auf die andere jedoch ist, kann man nur mutmaßen. Was die heutige Morgenpresse meldet, lässt den aufmerksamen Leser aber durchaus ein wenig zusammenzucken: Denn sowohl hier wie dort wird eine für die jeweiligen Politiker entscheidende Wahl vorgezogen. In Montenegro stimmt man bereits kommenden Sonntag neu über das Parlament und damit auch über die politische Zukunfts Milo Dukanovics ab. In Eisenhüttenstadt wird die Bürgermeisterwahl auf den 27. September vorgezogen, an dem zufällig auch der Bundestag neu gewählt wird. So berichtet es heute die Märkische Oderzeitung.
Wir werden die erste Wahl jetzt natürlich besonders beobachten, um eventuelle Rückschlüsse auf die zweite Wahl sofort heraus zu unken. Denn noch etwas einigt Montenegro und Eisenhüttenstadt (und die ganze Welt): Die Wirtschaft ist in einer Krise. Auch hierüber liest man in der Märkischen Oderzeitung: Haushaltsloch wird größer.
In Montenegro stehen gerade die Arbeiter des zentralen Industriearbeitergebers Kombinat Aluminijuma Podgorica (KAP) vor der Pforte des Präsidenten, da der russische Oligarch und Eigentümer Oleg Deripaska dieser Tage, wie so viele andere seiner Peer Group, finanziell auf einem absteigenden Ast herumturnt und in der Liste der reichsten Menschen dieser Welt nur noch Position 164 inne hat. Das Kombinat in der montenigrinischer Hauptstadt ist scheinbar nicht unbedingt ein Portfolio-Objekt, das er um jeden Preis halten möchte. Da sich aber sein Hauptwohnsitz Moskau für eine Demonstration montenegrinischer Aluminiumwerker aus bekannten Gründen (niemand zuhause, OMON) nicht anbietet, wenden diese sich an die lokale Politik, die ja auch das Werk verkauft hat. Das ist in etwa so, als würden die engagierten Einwohner Eisenhüttenstadts zu einem Rettungsumzug für das ehemalige Wohngebietszentrum im WK V oder das City Hotels Lunik nicht nach Oberursel oder Halle an der Saale ziehen, sondern am Haus der Parteien und Massenorganisationen aufmarschieren...
Lakshmi Mittal, der maßgeblich am hiesigen Eisenhüttenkombinat Ost beteiligt, hält sich in der Forbes-Liste noch tapfer auf Platz 8, knapp vor Theo Albrecht vom ALDI Nord - einem der wenigen, der von den Bürgern dieser Stadt wahrscheinlich noch direkter finanziert wird, als die Stadt selbst. Der nach wie vor ansehnliche Wohlstand des Inders aus London sagt natürlich nichts darüber aus, ob er, dem der Bürgermeister Rainer Werner bekanntlich die ganze Stadt als Perle - hoffentlich nicht "to sweeten the deal" (vgl. hier) - überreichte, dem Stahlwerk in Ostbrandenburg übermäßig Bedeutung zuschreibt und es so dringend zum Leben braucht, wie man es von Eisenhüttenstadt annimmt.
Miro Dukanovic hat bereits angekündigt, dass er, sollte Oleg Deripaska seine Alu-Fabrik schließen wollen, eine Verstaatlichung ins Auge fasst - nicht zuletzt um sich natürlich die 2000 Arbeiterstimmen am Sonntag zu sichern, die bei insgesamt 500.000 Stimmberechtigten durchaus an der Waage züngeln können. In Eisenhüttenstadt ist die Verteilung aber ungleich brutaler: etwa 3000 Arbeiter stehen einer Zahl von kaum über 30.000 Einwohnern (30.333 am 31.12.2008) gegenüber.
Dass aber vermutlich die Trumpfkarte einer Verstadtlichung des Werkes, das dann endlich wieder wie früher EKO heißen könnte und sich nicht länger ArcelorMittal Eisenhüttenstadt nennen müsste, selbst bei einem phänomenalen Erstarken der Linken bis zum Wahltag nicht gezogen werden wird, liegt wohl nicht nur daran, dass für den Winterdienst der Stadt schlanke um die "320 000 Euro mehr als ursprünglich gedacht müssen für den Winterdienst ausgegeben werden." Sondern wohl auch an der Kreisumlage.
Leider bleiben politische Stellungnahmen auch beim schmalen engagierten Nachwuchs nur als angedeutete Umrisse erkennbar. Vom Rathaus gesehen, hat man sie gar nicht Blick. In der Umkehrung besteht schon eine Art Sichtachse, die allerdings in dieser Form kaum Wirkung hat. Rechts über dem Brunnen zeigt immerhin eine Mutter ihrem Kinde den Ort, an dem es um die Geschicke der Stadt geht.
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