Noch zieht man keine Kuh auf die Gebäudedächer der Stadt, auf denen Birken und Gräser wurzeln. Aber man rüstet momentan in Eisenhüttenstadt schon buchstäblich auf zur Schildbürgerschaft, die laut Urtext ausgerechnet "hinter Utopia gelegen" ist. Passender ginge es nicht. Seit neulich wird nämlich in Fürstenberg zurückgeschildert und der externe Beobachter sieht dem Schlagabtausch - bislang noch - mit großem Amusement zu. Ausgangspunkt war die Außenmontage von Banntafeln an verwaisten Objekten durch die Stadtverwaltung, die damit darauf hinweisen möchte, dass sie die entsprechend gekennzeichneten Ruinen in Stadtbild nicht selbst zu verantworten hat (vgl. hier). Der Gegenschlag erfolgt nun durch die Bürgervereinigung "Fürstenberg (Oder)". Sie schildert Objekte aus, die im Auftrag der Stadtverwaltung ihrer Meinung nach nicht oder nur mangelhaft erhalten werden. Andreas Wendt schildert heute in der Märkischen Oderzeitung die Gesamtlage: Mit dem Fingerzeig Richtung Stadt
"Wenn die Stadt solche Schilder aufstellt", sagt Erich Opitz [von den vereinten Fürstenberger Bürgern], "dann muss sie selbst fehlerfrei sein."
So naheliegend die Idee der Gegengeißelung städtischer Versäumnisse ist, so irritiert bis bauchgrimmig schaut man auf die Initiatoren, die schon ihrem berühmt-berüchtigten Abrissgebiets-Ansichtskartenaktion ihre Einstellung zu bestimmten Vorgängen ganz handlich vermittelten. Die Bürgervereinigung als politische Kraft der Stadt vertritt selbstredend eigene (politische) Interessen und der plakative Hinweis auf die mangelnde Sanierung des Fürstenberger Marktplatzes folgt der unsinnigen Motivation, die auch ihren "Gegenspieler" trieb und die sich in nicht allzu weiter Ferne eines boulevardesken Populismus befindet: Durch die öffentliche Bloßstellung soll hier ein bestimmtes Handeln (hier im Handeln ihrer Interessen) erzwungen werden:
Andere kleine Städte hätten ihre Märkte in all den Jahren längst zu Schmuckstücken verzaubert - in Fürstenberg stagniert es nach Ansicht der Bürgervereinigung.
Für die Qualität des politischen Diskurses in den politischen Gremien der Stadt, denen die Bügervereinigung auch angehört, wäre es nicht unbedingt förderlich, wenn dieses Beispiel Schule macht. Was ironisch gemeint ist, entwickelt sich zu einer Eigentorflut, die vor allem eines zur Folge haben könnte: Einen Stellungskrieg aus Versäumnisvorwürfen. Dass Stadtmanager Wolfgang Perske nicht verschnupft reagiert, sondern zum Gespräch lädt, ist hier die einzig sinnvolle Reaktion. Und wer meint, irgendetwas mit pauschalen Fehlerlesen und gegenseitigem öffentlichen Abstrafen tun zu müssen, kann zur Rückbesinnung auch mal wieder im Johannes-Evangelium blättern und nachlesen, was dort über Steinewerferei steht. So fragwürdig die Aktion der Stadt ist, so fragwürdig ist auch die Gegenschilderei der Bürgervereinigung. Natürlich amüsant zum Ansehen und Kopfschütteln, aber am Ende doch nicht mehr als leicht bittere Realsatire.
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