Zum anderen putscht [sic!] die Eisenhüttenstädter Gebäudewirtschaft (GeWi) derzeit mit über 70 Millionen Euro einen Großteil ihrer Immobilien im denkmalgeschützten Wohnbereich auf und nimmt dabei Fördermittel in Anspruch, deren Ausreichung an eine Leerstandsquote von etwa acht Prozent im Jahr 2015 geknüpft ist.
Eine wenig erfreuliche aber zu erwartende Nachricht aus der aktuellen Abrissplanung der Stadt Eisenhüttenstadt
überbringt uns heute Andreas Wendt in der Märkischen Oderzeitung: die Sanierung der denkmalgeschützten Wohnblöcke erkauft sich die
Gebäudewirtschaft mit dem Abriss von - so wie es aussieht - fast allen anderen. Das
Stadtumbaukonzept Eisenhüttenstadt 2015, welches Bürgermeister Rainer Werner jüngst auf den Tisch legte, hat nämlich die Zahl der abzureißenden Wohneinheiten gleich noch einmal um 1100 weitere aufgestockt und vor dem, was dann - fantasiert man diese Entwwicklung weiter - zwangsläufig im Umbaukonzept 2020 enthalten sein wird, kann einem schon jetzt angst und bange werden: Planierung der entvölkerten Lindenallee und die Totalplättung der Wohnkomplexe V und VI dürften wohl die einzigen Möglichkeiten bleiben, damit die beiden rückzugswilligen Eisenhüttenstädter Wohnungsverwaltungsunternehmen auch dann noch weiter mit Fördermitteln auf "einen betriebswirtschaftlich vertretbaren Leerstand von fünf bis acht Prozent" zu rudern können, wenn die Bevölkerungsprognose auf 25000 Einwohner korrigiert sein wird. So schrumpft die Stadt nach und nach auf ihre Grenzen vor 1960 und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis Fürstenberg und Schönfließ wieder ihre Eigenständigkeit erklären, denn die städtebauliche Anbindung an die frühere Stalinstadt schwindet bewundernswert konsequent.
In ersterem brodelt es bereits:
Der Vorsitzende der Bürgervereinigung, Erich Opitz, wirft Stadt und Land eine "sagenhafte Fördermittelverschwendung und eine vernachlässigte Kontrolltätigkeit" vor. Im Umkreis von Eisenhüttenstadt gebe es weit und breit keinen Altstadtkern, der mit so großem finanziellen Aufwand so schlecht saniert worden sei, sagte Opitz am Mittwoch im Rathaus. Das zeige sich am Zustand des Bürgersteigs, der dringend nachgebessert werden müsse, und auch am Rathaus, dessen Giebel schon wieder zu bröckeln beginnt. "Wir werden das nicht hinnehmen", kündigte Opitz an.
So steht es in der Märkischen Oderzeitung unter der vieldeutigen Überschrift Opitz: Fördermittelverschwendung, bei der dem uneingeweihten Leser suggeriert wird, Erich Opitz selbst wäre es, an den die Fördergelder verschwendet werden. Dabei war es aber die in der Auswahl der zu beauftragenden Bauausführenden etwas unglückliche Stadtverwaltung, die hier das Füllhorn "Fördergeld" anscheinend etwas schludrig unters Bauvolk brachte:
Bürgermeister Rainer Werner räumte in der Hauptausschusssitzung ein, dass man in der Vergangenheit an schlechte Bauunternehmen geraten sei.
So wandert der schwarze Peter weiter und so haben alle immer wieder ihre Ruhe. Bis auf Erwin Linke, der sich noch immer wundert, dass "die Gelder für Fürstenberg seien von 10,8 auf 2,8 Millionen Euro zurückgefahren worden" sind, "weil sie für den Stadtumbau gebraucht worden seien." Wobei Stadtumbau in Eisenhüttenstadt vor allem Schmuckstücksanierung und ansonsten Abriss bedeutet. Was den mit den ostbrandenburgischen lokalpolitischen Praktiken vertrauten Beobachter überrascht, ist dass die entstehenden Brachen bisher nicht als zentrumsnahe Gewerbegebiete ausgezeichnet werden. Das wäre schon mal etwas. Oder, dass man das Erfolgsmodell aus der Platanenallee fortsetzt und sich mit dem Anlocken von Fertighäuslebauern versucht.
Noch ein Stück Stadtumbau: Nachdem das
Fürstenberger Gymnasium so eindrucksvoll eingeebnet wurde, nimmt man Janet Neiser die Überschrift
Stahlstadt hält an ihren Schulen fest, die gestern in der MOZ zu lesen war, nicht mehr so ganz ab. Bei der Lektüre des Textes merkt man aber schnell, dass es sich dabei um die Grundschulen handelt. Ansonsten gilt aber auch hier:
Eisenhüttenstadt ist eine schrumpfende Stadt. Häuser werden abgerissen, Menschen wandern ab. Diese Entwicklung spiegelt sich in der Schullandschaft wider.
wie die MOZ-Autorin nicht ganz originell aber treffend zusammenfasst. Ein Spitzenkandidat für akuten Gebäudeverfall dürfte dabei die Schule im fünften Wohnkomplex sein. Das ganze Wohngebietszentrum zeigt sich als mustergültiger Schandfleck und jeder auswärtige Besucher, mit dem man dort vorbei geht, wirkt tief beeindruckt von dem Grad an Verwüstung, der hier mitten im Wohngebiet anscheinend klaglos geduldet wird.
Die Spanplatten, die die Scheiben der ehemaligen Kaufhalle ersetzen, sind bis an die Grenze der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht eingedrückt und auch bei der Schule lassen sich schon erste Einschläge von Steinwürfen in den Erdgeschoßfenstern feststellen. Die Broken Window Theory wird sich an dem verlassenen Objekt in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich weiter beobachten lassen. Die Platzanlage dagegen verwildert schon Jahre ganz eindrucksvoll und erobert sich hier die deurbanisierte Fläche durch die zerborstenen Gewegplatten hindurch. Für die nahen Wohnblöcke in der Robert-Koch-Straße hält die GeWi bereits die konkreten Abrisstermine bereit.
Wer sich also wirklich deprimieren möchte und seine Lektion über den stadträumlichen Sinn des Stadtumbau Ost lernen mag, dem sei dieses Eckchen Elend wärmstens ans Herz gelegt...
Die einheimischen Besucher dagegen haben für die Situation meist volles Verständnis, zucken mit den Schultern und sagen, dass es nunmal nicht genügend Geld für alles gibt und die Stadt schon wissen wird, was richtig ist. Und, so wird dann nachgeschoben, woanders in der Stadt wird doch soviel so schön renoviert.
Man nickt dazu und fühlt sich ein wenig an die fade Argumentation der DDR-Bürger erinnert, die zwar bedauerten, dass es keine Reise- oder Pressefreiheit gab, dafür aber alle Arbeit hatten, das Brötchen 5 Pfennig kostete und die Mieten ein (ökonomischer) Witz waren: Man kann nicht alles haben. Hier wie dort. Und die weißen Fassaden der Denkmalsanierung, die in der Poststraße schon wieder ein wenig bröckelig werden, sind nur um den Preis des zerschlagenen Stadtraums z.B. im WK V zu bekommen.
Am Ende steht also Eisenhüttenstadt im besten Fall als herausgeputzte amputierte Kleinstadt. Im schlechtesten entpuppt sich das Ganze aber als Musterbeispiel für eine perspektivfreie Verschleuderung von Fördergeldern, die allen Skeptikern als Beweis dafür dient, dass weite Teile Ostdeutschlands ein Fass ohne Boden sind und sich niemals selbst am Leben erhalten werden können. Dann wird das Szenario Thomas Kralinskys vielleicht das einzige sein, was hier als Entwicklungschance bleibt:
Gerade ein Land wie Brandenburg – mit so unterschiedlichen räumlichen Gegebenheiten – wird damit
leben müssen, dass manche Region zum Rückzugsraum für Natur und Tier wird. Der Nationalpark Unteres
Odertal ist ein letztendlich erfolgreiches Beispiel dafür, wie bewirtschaftete Fläche Schritt für Schritt wieder der
Natur überlassen wird.
Der Stadtumbau – also der Abriss nicht mehr benötigter Wohnungen und die Neugestaltung von Wohnbezirken
– oder die Flutung ehemaliger Tagebaue sind andere Varianten für diesen Weg. Hier werden Wunden
geheilt, die die Industriealisierung hinterlassen hat. An diesen Beispielen wird deutlich, dass im demografischen
Wandel auch viele Chancen stecken, um Lebensräume zu gestalten.Der geordnete Rückzug und die kontrollierte Schrumpfung wird in einigen ländlichen Regionen die klassische Wirtschaftsförderung ablösen, ja ablösen müssen. Dabei geht es nicht um kompletten Rückzug, sondern um touristisch nutzbare Landschaftsparks, den Anbau nachwachsender Rohstoffe, aber auch um kontrollierte Verwilderung. (in: perspektive 21. Heft 34, Mai 2007. Hier als PDF)
Fassen wir also noch einmal das mögliche Szenario 2020 zusammen: Fürstenberg und Schönfließ sind eigenständige Gemeinden, die mit Eisenhüttenstadt möglichst wenig zu tun haben wollen. Eisenhüttenstadt dagegen, geschrumpft auf den II. und III. Wohnkomplex erweist sich als überschaubare
Gated Community mit schmucken Seniorenwohnungen, einem DDR-Museum und hervorragenden Einkaufsmöglichkeiten sowie einem Betriebskindergarten und einer Grundschule für die Sprösslinge des Pflegepersonals (vorzugsweise Kindergarten 1 und Schule 2). Rundherum aber erstreckt sich Wüstenei und Steppe ("für Natur und Tier") und an einigen Stellen finden sich kleine Nadelbaumgruppen zusammen. Wie nennt man das:
Back to the roots?
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