Plaste oder Plastik? Verläuft die kulturelle Ost-West-Scheide am Frühstückstisch zwischen Mühlhäuser Pflaumenmus und Aachener Pflümli, in der Kantine zwischen Halberstädter und Frankfurter und im vernaschten Büroalltag zwischen Knusperflocken und Choco Crossies, so liegt im Laienplausch über Kunststoffe die Herkunftssozialisation schnell bloß, wenn der eine vom Plasteteller ißt und der andere zum Plastikgeschirr greift.
Was dem Ostdeutschen der Fetzer, ist dem Westdeutschen sein Mars und es kommt nicht von ungefähr, dass der Kriegsgott für ein Naschwerk namensgebend herhalten musste, dem das Potential zur Mobilmachung direkt in die Werbekampagne geschrieben wurde. Der Riegel, den sich die Ostdeutschen gern vorschieben, kommt in seiner onomastischen Auszeichnung dagegen noch zielbewusster zur Sache: Let's Fetz! So hieße derr Zenturio Marcus Rattenschlächter, wäre er eine Süßware! Der Riegel ist ein Reißer, besonders natürlich nach ausdauerndem Genuß und in der Hüftgegend. Bodyfit adé: bei gut 450 Kalorien auf zwei Stäbchen hängt das Business-Hemd bald entweder untailliert über dem Ranzen oder eben hulkig in Fetzen.
Die zentrale Plastik dieses kleinen Textes entzieht sich auf geschickte Weise der sprachlichen Ost-West-Differenz, denn sie ist aus Bronze gegossen und obendrein lebensdauerhaft wunderbar flachbäuchig, obwohl man schon zugeben muss, dass ihr Schöpfer sie in eine Lage versetzte, die wenigstens leichte Beulen am Abdomen gut kaschierbar macht.
Robert Metzkes' Eisenhüttenstädter "Liegender Weiblicher Akt" ist nicht die einzige Arbeit des Künstlers, die das so dankbare wie schöne Sujet des wohlgestalteten, unbedeckten weiblichen Körpers aufgreift. Auf dem bildhauerisch hochkaratig bestückten Rosenhügel fiel sie dem Flaneur immer als besonderes Schmuckstück ins überraschte Auge, fand sie sich doch etwas abseits der dereinst ausgetretenen Hauptpfade am Fuß des Hügels wieder. Aus einem nahen Gebüsch spähte Heinrich Drakes Zweimeter-Mann mit erhobenen Armen und unverhüllter Blöße herüber, so dass beide Aktfiguren in eine reizende Fernbeziehung verstrickt schienen: Der Mann des Altmeisters namens "Besinnung" in seiner etwas peripheren Hilflosigkeit gefangen und die selbstvergessene ausgestreckte junge Frauenfigur des jungen Bildhauers mit dem berühmten Vater (Harald Metzkes).
Die Vergangenheitsform in der Beschreibung dieser zwischenplastikschen Konstellation ist mittlerweile bewusst und zutreffend gewählt, denn beide wurden im Zuge der Skulpturenverdichtung am Gartenfließ aus ihrer Rosenhügelidylle also ihrem Beziehungszusammenhang gerissen und finden sich nun ein paar hundert Meter stadtnäher und doch zueinander viel ferner als zuvor.
Was träumt einer, der im Oktober 2009 so zur Besinnung kommt? Vielleicht frei nach Wolf Wondratschek:
"In nahen Städten endlich am Ufer eines Fließes gehn/und Frauen sehn, vom grellen Pomp des Herbstlaubs fast erdrückt,/sie schauen, schon wie Unbeteiligte entrückt/und lächeln kaum und warten lange und gewinnen..." (Original in diesem PDF)
Und die umsetzende Stadtwirtschaft Eisenhüttenstadt half auch noch mit, diese Seelenqual ins Unermessliche zu steigern...
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