für A.L.
Der wackere Wandersmann Andi Leser, für den die berühmte Ingeborg Bachstelz dereinst mit nur leicht feminisierender Verfälschung des Warencharakters wahren Charakters ihr Buch "Andine geht" schrieb, wies mich gestern auf unserer traditionellen Walz in den Mai und durch die Eisenhüttenstadt darauf hin, dass sich heute am 18. Mai 2009 etwas Maßgebliches sondergleichen zum 53sten Male jährt: Die Verkündung der "Anordnung zur Regelung des Freibadewesens" durch den damaligen Innenminister der DDR und vormaligen Chef der Volkspolizei Karl Maron. Da den getroffenen Vorgaben sowohl nach Meinung Andi Lesers wie auch anderer Leser nach wie vor Relevanz zukommt und uns die Freibadesaison (z.B. Herrentag mit Maurerradio an der Kiesgrube) ohnehin ins Haus steht, wollen wir den vollen Wortlaut dieses Schlüsseltextes der Freikörperkultur wohl erstmals im deutschen Freenet digital enthüllen:
Anordnung zur Regelung des
Freibadewesens
vom 18. Mai 1956
Um allen Werktätigen in den Sommermonaten einen ungestörten Ablauf des Erholungsurlaubs zu gewährleisten und insbesondere an der Ostseeküste Behinderungen des Badens auszuschließen, wird folgendes angeordnet:
§ 1
(1) Das Baden ohne Badebekleidung (Wasser-, Luft- und Sonnenbaden) an Orten, zu denen jedermann Zutritt hat, ist nur gestattet, wenn diese Orte ausdrücklich dafür von den zuständigen Räten freigegeben und entsprechend gekennzeichnet sind oder das Baden ohne Badebekleidung von unbeteiligten Personen unter den gegebenen Umständen nicht gesehen werden kann.
(2) Diese Bestimmung gilt nicht für Kinder unter 10 Jahren.
(3) Badende haben jedes Verhalten zu unterlassen, das geeignet ist, öffentliches Ärgernis zu erregen.
§ 2
Die Bildung von Vereinigungen, deren Ziel darin besteht, die Freikörperkultur zu organisieren, zu fördern oder zu propagieren, ist untersagt.
§ 3
Auf Grund der Ermächtigung des Ministerats vom 17. Mai 1956 wird folgendes angeordnet:
Wer vorsätzlich oder fahrlässig den Bestimmungen dieser Anordnung zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 150 DM oder mit Haft bis zu zwei Wochen bestraft, soweit nicht nach anderen Bestimmungen eine höhere Strafe verwirkt ist.
§ 4
(1) Diese Anordnung tritt mit ihrer Verkündung in Kraft.
(2) Gleichzeitig tritt die Polizei vom 10. Juli 1942 zur Regelung des Badewesens (RGBl. I S.461) außer Kraft.
Berlin, 18. Mai 1958
Ministerium des Innern
Maron
Minister
Eine Außerkraftsetzung dieser Anordnung ist uns bislang nicht untergekommen und entsprechend gehen wir davon aus, dass sie sowohl an den lokalen Anbaggerseen (Helene, Katja) wie auch auf dem Gelände des ehemaligen Betriebsferienheim des VEB Bandstahlkombinat "Hermann Matern" Eisenhüttenkombinat Ost "Haus Goor Tex" immer noch ihre Gültigkeit besitzt und dass auch wer während des frühsommerlichen Luftbadens auf der Insel der Glückseligen der Stadt Eisenhüttenstadt Nacktpropaganda betreibt, u.U. zwei Wochen Arrest zu gegenwärtigen hat. Drum prüfe wer den Gürtel aufbindet, ob er nicht ein geschützteres Eckchen findet - so der freundliche Hinweis eines fiktiven Repo (Revierpolizisten). Etwas anachronistisch wirkt in aktueller Zeit natürlich die Bezeichnung "Werktätige", denn selbst die eigentlich im Werk Tätigen tätigen momentan wenig Werk.
Im Reich der Schriftlichkeit fällt dagegen die Akne leicht vom Stamm und als Freibaderechtler überlegen wir uns doppelt bis zweifach, inwiefern Balgende Badenden gleichzusetzen sind, zumal wenn sie mit graubronzener statt mit melanomschwarzrotgoldbroilerner Haut in der Sonne lümmeln. Um bei dieser Nummer sicher zu gehen, rufen wir morgen, falls wir es nicht vergessen, in aller Männerfreundschaft einmal beim Anordnungsamt im Ministerium des Erinnern an, um nachzufragen, ob der Schleier dieser vier Paragraphen von den Paragraphenreitern nicht doch bereits gelüftet wurde. Und hören derweil unseren ewig jungen Sommerhit "It must have been Lars/but it's Olaf now..."
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