Vergesst die Eisbären in den Zoologischen Gärten unserer Hauptstädte! Denn wir haben das Tiergehege auf unserer Insel der Schwäne, genauer: Insel der Trauerschwäne, die heute ihren ersten Nachwuchs schlüpfen und gleich ins Freie ließen. Hellgrau bedunt und nicht nur wie sondern buchstäblich aus dem Ei gepellt liegt der Kleinstschwan nun im vollem Flaum mal unter, mal neben Mutti Trauerschwan und lässt es dem von der Frischlingsrotte schon auf allerlei Niedlichkeit eingestimmten Besucher endgültig mit voller Fühlingswonne - nun ja - herzigst um das Herz werden. Schnurpeliger geht es nicht und wir wünschen dem Heimattiergarten nichts mehr, als einen Tag Besucherstrom auf Knut-Niveau, dann wäre das restliche Jahr finanziell gesichert. Denn noch steht der ganze Förderverein auf wackligen Beinen wie ein Osterlamm und obschon Patenschaften in größerer Zahl vergeben wurden, langt es doch kaum für Futter, fast nicht für eine neue Krippe. Wer heute ins Gehege kam und die zahlreichen Kinderaugen zwischen Mufflonhügel und Fasanenvoliere gesehen hat, die größer und fröhlicher nicht einmal in den Stalinstädter Werbefilmen aus den 1950er Jahren sein konnten, ahnt, welches Verbrechen es wäre, wenn die Büger dieser Stadt gemeinsam mit der Stadtverordnetenversammlung und Stadtverwaltung diese kleine, aber ausgesprochen wichtige Einrichtung aufgäben.
Für den Gegenwert einer Grillfete kann man hier schon ein Stück Rotwild durchs Jahr finanzieren und für den Gegenwert eines Stadtfestzuschusses ein paar Dutzend Grundschulklassen mit Tier- und damit auch Menschenliebe und Naturnähe versorgen. Morgen (Sonntag, 08.04.) veranstaltet der Förderverein des Tiergeheges eine kleine Osterveranstaltung - neben Eisenhüttenknut, dem Schwanenkind, gibt es einen Oststreichelzoo und ein paar andere Dinge. Und vorallem sind die
Vereinsaktiven zusammen und vor Ort und geben sicher gern Auskunft, in welcher Form man sie unterstützen kann.
Hier reden wir nicht über ungelegte Eier sondern über frisch geschlüpfte Schwänchen: Cute Overload im Tiergehege. Und wenn die Menschen mitziehen, ist das sogar ausbaufähig.
Ich selbst versöhne mich gerade ein klein wenig wieder mit der von mir in den letzten Wochen mitunter arg gescholtenen Stadt. Heute fragte mich, wie ich gelassen wie seit Monaten nicht mehr in der lichtdurchflutenden Weite der Lindenallee, die angenehm mit Menschen durchstreuselt und nicht zu leer und nicht zu voll war, jemand, was mir eigentlich an einem Tag wie diesem, hier fehle.
Das Einzige, was mir einfiel, war DSL. Deshalb sind auch die Vorort-Blogpostings hier etwas weniger aufgeplustert als die Ferntexte (mit vielen Textlinks und großen Bildern), denn über die Einwahlverbindung kostet jede Minute Geld und vorallem Nerven. Die ohnehin bedrohte und sehr seltene Eisenhüttenstadt-Fröhlichkeit möchte ich mir andererseits nicht mehr als unbedingt notwendig durch die Neuerfindung der virtuellen Langsamkeit zerstören.
Denn nicht oft erweist sich diese, unsere Heimatstadt, deren Industrieanlagen jährlich, wie gemeldet wird, vier Millionen Tonnen des berühmten C02 in die Atmosphäre und gegen kalte Winter blasen, in dem Alter und Jugend, Senioren und Enkel gemeinsam und gelassen durch die Brunnenringe und über die Inselpfade flanieren, so intensiv als Wohlfühlort wie an diesem 07. April 2007. Friede ist mit uns und das innerstädtisch aller Orten. Man trifft auf Menschen aus der eigenen Vergangenheit, die eben nur zweimal im Jahr, zum matschigen Weihnachten und zum blühenden Ostern in die Stadt reisen, wieder und wünscht ihren Großeltern und Eltern noch ein langes Leben hier im Ort, damit sich diese tollen Tage auch in künftigen Jahren wiederholen. Welch eine wohltemperierte Welt mit jungen Trieben! Wohin man nur blickt, sind balzenden Ringeltauben auf den Dächern und blitzenden Ringelsocken an ranken Mädchenfesseln zu sehen und ein paar Touristen laufen und staunen über die Magistrale und suchen die Zwillingsschachtschleuse. Es sind Stunden wie diese, in denen die Abendsonne sogar die leeren Fensterhöhlen der Tunnelstraße gülden weichzeichnet und damit das harte Bleierne, das viel zu oft die Wohnkomplexe und die Stimmung der dort Hindurchlaufenden kräftig drückt, für eine kleine Weile völlig übertüncht. In diesem Augenblicken spürt man das Potential, das nach wie vor der Stadt vorhanden ist, vermag man ein bisschen Hoffnung auf eine mögliche Zukunft zu haben und vergibt innerlich dem Dutzend schon mittags Angetrunkenen vor dem Netto in der Fröbelringpassage ihr Sich-selbst-Aufgeben und neigt fast, über die jungen Eltern hinwegzusehen, die ihren Kampfhund und ihr Kind ausführen und sich nicht scheuen, beide in aller Öffentlichkeit in erschreckend ähnlichem Stil zu maßregeln. Heute stimmt die Mischung im Stadtbild mehr als sonst, auch wenn das abgetrennte Rad eines Rollators im Rinnstein schon sorgenvolle Assoziationen weckt und man selbst bei Tempo 70 noch innerstädtisch von Hausfrauen mit wutrotem Kopf hinter dem Steuer eines für diese Welt eindeutig überdimensionierten Geländewagens gedrängelt wird. Im Gegensatz zu anderen Samstagen finden sich genügend positive Ausgleichserfahrungen, kleine Gespräche, ein fremdes Lächeln zwischendurch und sanfte Erinnerungen zusammen, um auch sensiblen Großstadtgemütern ein stabiles Netz zu stellen.
So gibt es für mich heute im Karneval der Endorphine fast nur Positives zu berichten.
Selbst die kleine Meldung zum Schicksal des städtischen Bahnhofs, den der Konzernbevollmächtigte Joachim Trettin bekanntermaßen als idealtypischen Abrisskandidaten sieht, welche heute im Oder-Spree-Journal der Märkischen Oderzeitung auftaucht, wirkt weniger deprimierend, als sie es an einem Novembermorgen wäre. Erwartungsgemäß tönt es nämlich jetzt aus dem Rathaus auf recht großer Spurweite, dass der Abriss nicht zugelassen wird, was am Ende bedeutet, dass nach Vorstellung des Bürgermeisters nur die "sozialistischen Anbauten" geschleift werden. Mal sehen, welche belasteten Ecken damit gemeint sind. Eindrucksvoll ist zudem, wie konfus das kommunikative Hin-und-Her in der Beziehung Stadt und Bahn zu sein scheint: Während sich der Bahnsprecher Holger Auferkamp bemüht, den unter dem Gesichtspunkt der Öffentlichkeitsarbeit reichlich unprofessionell wirkenden Lapsus von Joachim Trettin ein bisschen abzubügeln und sich nach allen Seiten abzusichern versucht ("Es gelten nach wie vor getroffene Absprachen, aber wenn man über Jahrzehnte keine
Lösung findet, bleibt nur der Abriss"), was jedoch mehr wie "Schieben wir's lieber noch ein bisschen 'raus" klingt, und so gar nicht wie "Wie werden alles tun, um den Abriss zu vermeiden" - wäre doch mal für einen solchen Giganten eine Option - orientiert sich Rainer Werner lieber auf einen anderen Spieler im Bahnmonopoly, nämlich den Konzernbereichsleiter "Station und Betrieb" Günther Schuppenies, mit dem die Kommunikation - "bislang" - gut war. Dieser scheint allerdings wiederum weniger gut mit seinem - was eigentlich,direktem Vorgesetzten? - Joachim Trettin zu kommunizieren. Bei diesem "Absprache gilt", "Absprache gilt nicht", "Absprache gilt bedingt"-Spielchen fragt sich der uneingeweihte Beobachter, ob die Bahn AG
nicht vielleicht vorrangig ein internes Problem mit der Abstimmung ihrer nach Außen etwas verworrenen anmutenden Organisationshierarchien hat und weniger eines mit ungenutzten Bahnhofsgebäuden. Börsenreif wirkt dieses Durcheinander jedenfalls noch nicht.
Für den Bürgermeister sollte es dagegen weniger darum gehen, öffentlich wirksam auf den Schreibtisch zu klopfen ("Wir werden nicht zulassen, dass im Regionalen Wachstumskern ein Bahnhof abgerissen wird." - Warum eigentlich nicht? Von der wirtschaftlichen Seite spricht nichts dagegen und dem Wirtschaftswachstum im vielbeschworenen "Regionalen Wachstumskern" (RWK) täte es sogar ganz gut, wenn überzählige, ungenutzte Liegenschaften verschwinden. Zudem hat sich Eisenhüttenstadt bei anderen Abrissunternehmungen auch nicht unbedingt zimperlich gezeigt...), sondern ganz konkret an dem zu arbeiten, was Bahnsprecher Auferkamp verlangt: Eine Lösung.
Das gilt übrigens auch für das "Verschmelzungsproblem" im Wachstumskern. Denn nach dem neben dem Bahnhofsbericht stehenden Artikel zu urteilen, hat Frankfurt/Oder herzlich wenig Interesse, mit Eisenhüttenstadt irgendwie wahrnehmbar in einen Topf geworfen zu werden und führt die Stahlstadt aktuell auf der Hannovermesse dahingehend ganz klassisch vor, indem sie irgendeine Art von gemeinsamen Auftreten mit dem kleinen Stiefbruder im Süden unbedingt zu vermeiden anstrebt.
Man darf gespannt sein, wie Rainer Werner mit dem hingeworfenen Fehdehandschuh umgeht.
Aber zunächst bleiben noch zwei hoffentlich meldungsarme und frühlingshafte Ostertage, die man, falls möglich, auch dazu nutzen sollte, die (Rest)Stärken Eisenhüttenstadts, die um diese Jahreszeit am sichtbarsten werden, verstärkt in sich aufzunehmen und ein bisschen - ja auch das - Stolz und Verantwortungsgefühl in Bezug auf die eigene Herkunft nachzutanken. Eisenhüttenstadt erinnert manchmal ein wenig an einen abstiegsgefährdeten Fußballverein und die Fans - wobei ich mich zu den "Ultras" zähle - erwarten sowohl vom Trainer als auch von den Spielern (=den Bürgern) in der näheren Zukunft eine, wie es im Fußballdeutsch so schön heißt, "Reaktion". Gerade dann, wenn die Bedingungen, wie heute, gar nicht so schlecht scheinen. Aber davon lieber ein andermal.
Denn heute bin ich ganz und nur: Eisenhüttenknutlich!
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