Postjournalismus I
In manchen Momenten fallen zwei grundverschiedene Dinge in einer Weise zusammen, deren zeitgleiches Auftreten man niemals erwartet hätte. So wurde ich vorhin wie nebenbei gefragt, was denn eigentlich unter Post-Journalismus (bzw. Postjournalismus) zu verstehen sei. Als Blogger fällt man offensichtlich sofort in die Kategorie "Experte" auf diesem Gebiet. Ich wollte bereits scherzhaft anheben und darauf hinweisen, dass der wahre Postjournalismus in der fabelhaften Zeitschrift Das Archiv (Magazin für Post- und Telekommunikatsgeschichte) stattfindet, die in der aktuellen Ausgabe eine zugegeben nicht sonderlich Post-orientierte Chronik des DDR Jugendradios DT 64 veröffentlicht und im Heft 1 des Jahres 2007 einen etwas trockenen Rapport Manfred Mittelstedts zu dem nun wirklich einschlägigen Thema: Fürstenberg (Oder) - Stalinstadt - Eisenhüttenstadt und seine Post druckte. (S.68-72) In diesem Text liest man dann:
„Die vollständige Fertigstellung der Post in Stalinstadt einschließlich der Fernmeldetechnik dauerte bis Dezember 1962."
Zwischenzeitlich wurde Stalinstadt freilich - Manfred Mittelstedt erwähnt es drei Zeilen später selbst - mit den Nachbarorten zu Eisenhüttenstadt verschmolzen...
Aber eigentlich stellte ich mir unter Postjournalismus etwas anderes vor - und wie ich später nachlesen durfte, auch etwas anderes, als der Mainstream der Postjournalismus-Diagnostik. Postjournalismus schien mir bis heute vor allem als Herausbildung von halb- oder informellen Formen journalistischer Praxis, die sich zwar bestimmter Elemente des Journalismus bedient, diese aber nicht im Rahmen formalisierter journalistischer Modelle und etablierter Medientypen einsetzt. Von der Zine-Kultur über den Bürgerjournalismus bis zum Place-Blog erstreckte sich danach das Spektrum des Gemeinten.
Ist das öffentliche Aufheben einer solchen Rundschau am Nachmittag schon irgenwie Journalismus? In jedem Fall ist es eine Aussage, die da lautet: Im März 2012 zeigte sich die Nachbarschaft zwischen Robert-Koch-Straße und Pionierweg in Eisenhüttenstadt mit diesen Sichtachsen. (Da es eigentlich vier Fotografien sind, gibt es noch eine größere Version des Bildes in 3000x2000 Pixeln.)
Und noch eine weitere Komponente konnte ich meiner Gesprächspartnerin sofort beispielhaft und in gewisser Weise live präsentieren: Den Facebook-vermittelten Dialog. Auf der dortigen Präsenz dieses Weblogs entfaltete sich spontan und ungeplant im Nachgang zu einem im traditionellen Lokaljournalismus bei der Märkischen Oderzeitung erschienenen Artikel über die Wirtschaftsförderung durch die Stadt Eisenhüttenstadt (Das große Schweigen in der Stahlstadt, 10.03.2012) ein durchaus interessanter Argumentationsabgleich zwischen einem Leser des Artikels und immerhin der Bürgermeisterin Dagmar Püschel. Postjournalismus war für mich in diesem Moment und an diesem Beispiel deutlich illustrierbar der öffentliche Diskurs, der sich über andere Plattformen und Kanäle als der der so genannten Vierten Gewalt vollzieht.
Die Regeln des Diskursregelns
Die Rolle, die ein Moderator vor dem Individuum mit dezidierter eigener Meinung zu den dort diskutierten Fragen einzunehmen hat, ist freilich eine, in die ich mich auch erst hineinfinden muss. Generell begrüße ich jede Form von konstruktiver Kommunikation. Konkret heize ich jede Form konstruktiver Kommunikation mit allen mir zur Verfügung stehenden Möglichkeit nur zu gern an, wenn sie die Eisenhüttenstadtentwicklung betreffen.
Als Moderator (übrigens gibt es noch weitere Administratoren, die theoretisch unter dem Namen "Eisenhüttenstadt-Blog" in Erscheinung treten können - dies als Nebeninformation) versuche ich mich jedoch so neutral wie möglich zu verhalten. Dazu zählt auch, dass ich Dialoge unterbreche, wenn sie dazu neigen, bloßstellend, beleidigend oder ehrverletzend zu werden. Dazu zählt an den Rändern der Neutralität, dass ich Impulse setze, wo es mir als wünschenswert erscheint. Dazu zählt zudem, dass eigene und auch eigenwillige Meinungen und Inhalte anderer anstandslos durchgewunken werden, wenn sie einen Bezug zur Stadt erkennen lassen.
Dabei sollte allen Beteiligten klar sein, dass das, was sie dort (und auch hier in den Kommentaren) schreiben, eine Kommunikation an die Öffentlichkeit darstellt. Wer sein Schulzeugnis digitalisiert und hochlädt, zeigt es nicht nur mir sondern auch der Web-Welt-Öffentlichkeit und weiß das hoffentlich. Wer die Schulzeugnisse anderer digitalisiert und hochlädt, sollte vorher selbstverständlich um Erlaubnis gefragt und selbige auch erhalten haben. Alles, was jemandem persönliche Nachteile gleich welcher Art zu bereiten verspricht, wird vorbeugend entschärft bzw. depubliziert. Für Personen des öffentlichen Lebens gilt dabei naturgemäß einen anderer Maßstab als für das Mädchen (oder den Jungen) von nebenan. Generell liegt dem Weblog sehr wenig an Enthüllungs-Bürgerjournalismus und noch weniger an Ressentiment-Pflege. Auch das Streuen von Gerüchten ist nur gewünscht, wenn diese a) fantasievoll und b) sofort als solche erkennbar sind. Bisher zeichnet sich nirgends ab, dass solche Fälle überhaupt auftreten. Ich möchte es nur - auch für mich - einmal notiert haben.
Postjournalismus II
Ob man den Austausch von Eindrücken, Erinnerungen, vielen Fotografien und Meinungen, wie er in diesem Blog seit März 2006 und auf Facebook seit Juli 2009 geschieht, nun tatsächlich als postjournalistisches Geschehen begreifen muss, lasse ich offen. Vielleicht handelt es sich eher um Postfeuilletonismus mit neodokumentarischem Anstrich. Weblog, Flickr, Twitter und Facebook sind nach wie vor digitale Werkzeuge buchstäblich zur Spurensicherung, zum öffentlichen Aufheben vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Daten, Fakten und hauptsächlich Erinnerungen. Entsprechend liegt der Massepunkt des Eisenhüttenstadt-Blogs nach wie vor in der Auseinandersetzung mit Symbolen, Bildern, Eindrücken und den Möglichkeiten von Identität in und zu dieser Stadt. Da dies nebenbei geschehen muss, erfolgt es nicht als systematische Erhebung, Auswertung und Nebeneinanderstellung von Konzepten. Sondern als eine Art virtuelles Begleitrauschen, als leises digitales Summen im Hintergrund des eigentlichen Stadtlebens. Daraus gewinnt man sicher keine objektive Darstellung von Eisenhüttenstadt. Jedoch entsteht ein zugleich mit realen wie phantasmagorischen Elementen bestücktes Sammelalbum individueller Wahrnehmungen. Verschiedene Rückmeldungen die mich erreichen, zeigen, dass nicht wenigen daran ohnehin stärker gelegen ist als an tagesaktueller Lokalpolitik.
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