Der Sockel steht, das Werk ist fort
Der Sportplatz nun ein öder Ort...
Na hoppla! Was geschieht denn da auf dem Schulsportplatz ohne Schule?! Soweit die Erinnerung ein rechtes Erinnerungsbild aus den Tiefen des persönlichen Stadtbilds hervorholt, fanden längere Zeit auf der Sportanlage des Fürstenberger Gymnasiums im VII. Wohnkomplex von Eisenhüttenstadt zwei Kleinplastiken Unterschlupf an einem thematisch passenden Standort. Ein kurzer Seitenblick nach einer Wanderung durchs desolate Areal der Abrisslandschaft, in der immerhin punktuell dem Kleinwuchs der Fertighauskultur das Wurzeln gelingt, zeigt nun, das eine von beiden fehlt. Ob sie in den Schmelzöfen von Altmetallhändlern oder im Museumsdepot gelandet ist, ist uns bislang nicht bekannt. Wir widmen die zwanzigste Ausgabe unseres kleinen Bilderreigens in jedem Fall dieser weiteren kleinen Leerstelle im Stadtbild östlich der Bahnlinie und damit einem Stadtraum, der - in Wechselwirkung mit dem Bahnhof, der dank der eifrigen Mithilfe der Eisenhüttenstädter immer mehr das Kleid der Abrissreife anlegt - zu einem der unwirtlichsten Orte Ostdeutschlands geworden sein dürfte - dies übrigens objektiv, ein Bombenabwurfplatz hat verglichen mit dem aktuellen Zustand des WK VII Süd durchaus Charme. Trostloser als am Gleiskörper entlang an der Eisenbahnstraße ist die Welt wohl kaum vorstellbar und wie erbämlich sich erst die armen Senioren aus dem in der Nähe befindlichen Feierabendheim fühlen müssen, die nur dieses vergessene Stück Stadt in ihrer Spaziergangsreichweite haben, will man sich lieber nicht vorstellen. Diese Ansiedlung irgendwo im Brachland am Kanal ist verglichen mit der Planung des Objektes in der Poststraße bei genauerem Hinsehen eine außergewöhnliche stadträumliche Ungeschicklichkeit und gegenüber den mobilen Heimbewohnern, die man ab und an mit ihren Rollatoren hilflos an der behindertenunfreundlichen Straße bei der Werft sieht, schon fast ein Zeichen der Verachtung.
Eisenhüttenstadt weist jedenfalls bei jedem Besuch neue Lücken auf, für die auch die knuffigen Bungalow-Bauten aus dem Katalog kein rechter Ersatz sind. Gemeinschaftswohnen wird hier durch streng umzäunte Privatheit abgegrenzt, in der schrumpfenden, schrumpelnden Stadt mit dem zu großen Stadtraum.
Gern führt man das Bild des Mannes im zu kleinen Anzug ins Feld. Wer das Areal um den WK VII durchquert, merkt allerdings, dass der Anzug nicht, wie es ein guter Schneider täte, umgenäht wird, sondern, dass man mehr oder weniger die überzähligen Ärmelstücken einfach abreisst und statt eines passenden Saumes ein paar Heftklammern an die Rissstellen tackert.
Den besonderen Dreh bekommt das Gebiet auch noch dadurch, dass es nicht nur desolat im Sinne von entvölkert und verlassen erscheint, sondern sich bestimmte Teile der lokalen Bevölkerung das Abrissgeschehen der Wohnungsbaugesellschaften ("Bis 2008 stehen rund 400 Millionen Euro an Mitteln von Bund, Land und Kommunen für den Abriss und die Aufwertung von Wohnvierteln zur Verfügung." - ddp-Meldung vom 27.12.2007) mit einer spezifischen Interpretation zum Vorbild nehmen und als eine Form von staatlich gefördertem Vandalismus auffassen, aus dem sie den Schluß eines Freibriefes für eigenes Abriss- und Zerstörungsgeschehen sowie die Möglichkeit, Haus- und Sondermüll offen in die Landschaft zu ergießen, ziehen.
Da es anscheinend in der aufgegebenen Gegend auch niemanden zu stören scheint und kein Mensch danach fragt, wohin hier eigentlich die Nachnutzung laufen soll, pflanzt sich diese althergebrachte Eisenhüttenstädter und vielleicht Ostbrandenburger Tradition, die der Reinlichkeit innerhalb der eigenen Umzäunung die Indifferenz gegenüber dem öffentlichen Raum entgegensetzt, recht hemmungslos fort.
Wohl dem, der aus dem Gebäude der Investitionsgesellschaften Patron Capital Limited und Procom (vgl. hier), das sich die Bahn AG so locker aus dem Portfolio geschüttelt und nebenbei - so muss man annehmen - auch jede andere Art von Service (inklusive Instandsetzung und Reinigung) eingestellt hat, so schnell als möglich den Absprung schafft. Bahn-Pressesprecher "Berlin / Brandenburg / Mecklenburg-Vorpommern" Burkhard Ahlert hat auch gleich die Erklärung für den Zustand der Liegenschaft parat:
„Wir müssen wirtschaftlich denken“, so der Bahn-Sprecher. Je nach Nutzung der Bahnhöfe gebe(sic!) es verschiedenen(sic!) Kategorien. Gerade bei kleineren könne das heißen, dass dort Aufsichtspersonal nicht mehr gebraucht werde. „Für Fragen gibt es ja auch die Mitarbeiter in den Zügen.“Vorher hat der grandiose Rhetoriker Ahlert auch noch die Autoren der VBB-Studie zum Niedergang des Schienenunternehmens in den Bereich Kundennähe und -dienst (vgl. hier) tatsächlich die Chuzpe gehabt, sich statt kritikfähig nur einzigartig arrogant zu äußern:
"Über so eine Studie hätten wir gern vor der Veröffentlichung erfahren“, sagte Bahnsprecher Burkhard Ahlert. „Auf dem Berliner Hauptbahnhof läuft beispielsweise so viel Bahnpersonal herum, dass wir dort auf den Aushang von Telefonnummern verzichten können.“Man zweifelt leider wirklich, ob die Eisenbahnherren verstehen, wofür sie ihr Unternehmen betreiben und denkt - eine Träne verdrückend - an die Zeiten, als in den Zügen noch Raum für Gepäck und auf den Bahnsteigen manchmal sogar eine helfende Hand bereitstand. Mein Wunsch für's neue Jahr für Herrn Ahlert ist, dass er einmal auf dem Bahnhof Eisenhüttenstadt den letzten Zug verpasst und kein Taxi bekommt, damit er sich ausnahmsweise einmal damit beschäftigt, was den End(haltepunkt)kunden seines Unternehmens so erwartet. Seine Zeit hauptsächlich in den zu klimatisierten Shopping-Zonen umpolierten Hauptbahnhöfen zu verbringen, mag vielleicht im Weltbild eines Bahnpressesprechers die Haupttätigkeit eines Bahnreisenden sein - in der Realität wartet er aber mitunter relativ häufig vergebens und uninformiert auf verspätete bzw. ausfallende Regionalzüge auf frostigen Bahnsteigen.
Interessant ist übrigens auch, dass sich ein möchtegernbörsenreifer Weltkonzern den Rückbau eines Bahnhofs zum Haltepunkt im Nirgendwo von der öffentlichen Hand fördern lässt (bzw. lassen muss):
Alle hierzu erforderlichen Aktivitäten seien in die Wege geleitet worden. Die Bahn rechnet mit Zuschüssen und hat deshalb einen Antrag beim Eisenbahnbundesamt gestellt.Wie übrigens auch die ostdeutschen Wohnungsbaugesellschaften begrüßt Deutschlands Eisenbahn-Tycoon den Umstieg auf den freien Wettbewerb vor allem dann, wenn (ehemals) öffentliche Werte - ein Hoch auf die Sachzwangsbegründung - öffentlich gefördert umgeschichtet und zerhäckselt werden und man sich damit den tatsächlichen Konsequenzen der unsichtbaren Hand entziehen kann. Schade um das, was hier auf der Strecke bleibt; um das, was in der kurzen Sicht verschwindet.
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