Mittlerweile fehlen in einem leergezogenen Bereich des siebten Wohnkomplexes Gehwegplatten auf einer Fläche von etwa 60 Quadratmetern. "Wir haben Anzeige erstattet - schon aus versicherungstechnischen Gründen", sagt die EWG-Chefin.Im VII. Wohnkomplex, der von der Märkischen Oderzeitung und vermutlich in der offiziellen Bezeichnung euphemistisch als "Sanierungsgebiet" geführt wird, was allerdings nicht ganz zutrifft, da bei Sanierung immerhin so etwas wie "Wiederinstandsetzung" oder "Modernisierung" mitschwingt, es sich hier aber vorrangig um Abriss und Einebnung handelt, verschwinden nach den Plattebauten nun auch die Gewegplatten (Selbstbedienung im Sanierungsgebiet). Dies ist insofern besonders traurig, da Verena Rühr-Bach (Eisenhüttenstädter Wohnungsbaugenossenschaft (EWG)) nun große Schwierigkeiten sieht, die Spielplätze umzusetzen:
Abriss bedeutet nämlich auch Umbau. "Die schönen Spielplätze im siebten WK sollen ja nicht entsorgt oder verschrottet werden. Wir wollten sie an anderer Stelle wieder aufbauen", sagt sie. Wenn die rahmenden Gehwegplatten, die teilweise aus der Nachwende-Zeit stammen, aber fehlen, werde das schwierig.Warum eigentlich? Dem Laien schießt da die naive Überlegung durch den Kopf, dass man die paar Platten vielleicht nachkaufen könnte, was aber vermutlich nur von der Unkenntnis des schwierigen Gehwegplattenmarktes, der das Passende wohl nicht mehr hergibt, zeugt.
Wir denken an dieser Stelle einfach nicht weiter, sondern greifen die Graffiti-Nostalgie von gestern noch einmal auf, in dem wir hier zwei Fundfotos aus den 1990ern digitalisiert - sozusagen für das virtuelle Stadtarchiv - wiedergeben.
So richtig wusste wohl nie jemand, welches der tiefere Sinn war, der sich aus diesem Hit-n-Run-Straßenbild, schätzungsweise aus dem Jahr 1997, verbergen könnte. Das eingekreiste Fragezeichen lässt daraus schließen, dass es dem/den Maler(n) auch eher um eine offene Aussage und die Möglichkeit der freien Assoziation ging. Dass das Team Schwarzchrom nicht die hochwertigsten (Teerschwarz, Bombingsilber) Farben verwendete, sieht man daran, dass sich der Fall innert 10 Jahren selbst erledigt hat. Die Nachtmalerei wurde nie beseitigt und ist doch längst kaum mehr zu erkennen.
...
Da hat der Keimzeit Mitbegründer und Texter Norbert Leisegang bei seinem vermutlich populärsten Text "Kling Klang" an der grauen Graffiti-Realität vorbeigedichtet."Graffitis machen graue Wände lebendig, ich wünschte ich könnt das auch."
Lebendiger ist an dieser Trennwand des Wirtschaftshofes im Wohngebietszentrum des WK VII ("Sanierungsgebiet") durch das ebenfalls irgendwann in der zweite Hälfte der 1990er Jahre angebrachte Nachtwerk eindeutig nichts geworden.
Ganz ähnlich zum ersten Bild umfasst das Dargestellte: Schwarze Berge, Black Hole Sun und irgendwelche silbernen Punkte und Linien. Warum eigentlich nicht. Auch hier hat - schneller noch als bei dem oberen Beispiel - die graue Wand des Plattenbaualltags die schwarze Kunst nahezu vollständig aufgesogen. Mit Teerschwarz wäre dies nicht passiert, aber am Ende gilt generell, um hier einmal Karussell (bzw. Gisela Steineckert bzw. irgendwie auch Seneca) zu zitieren:"Nichts ist unendlich". Für den WK VII gilt ohnehin: "Als ich fortging, war die Straße weg. Leer und ganz stumm.." (Nachdichtung) Nur nimmt fast niemand an dem Kummer teil.
P.S. Ich glaube, wir hatten bisher noch keinen Hinweis auf den jüngst im Oder-Spree-Journal der MOZ erschienen Artikel zum Thema Graffiti mit der empirisch weitgehend realitätsfernen Überschrift "Graffiti-Sprayern droht Gefängnis".
Sehr schön ist die Aussage "Nur Bilder, die findet man selten." Fand man aber mal. Warum sich das geändert hat, kann man u.a. hier, hier und hier nachlesen. Die zitierte "Kling Klang"-Zeile wird übrigens trotz der offensichtlich weit verbreiteten Graffitifeindlichkeit bei so ziemlich jedem Fest der Stadt von den Gästen mitintoniert. Manchmal ist die Welt eben ein bisserl komisch.
Kommentare