Irgendwann im Jahr 1997 muss es den habilitierte Architekt und Publizist Gert Kähler nach Eisenhüttenstadt verschlagen haben. Als Experte seines Faches mit versiertem Blick unterwegs ging es ihm wie so vielen seiner Zunft: Er ist der Baukultur der Kernstadt mächtig erlegen. Woher wir das wissen? Im November des Jahrhundertflutjahres 1997 veröffentlichte er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seine kleine Ode auf die "Baukunst des zweiten Blicks" - so der Titel des Artikels und da die Lektüre alter der Zeitungen zu den vornehmsten und aufschlussreichsten Abendbeschäftigungen der digitalen Bohèmians in der Mitte Berlins gehört, war es nur eine Frage der Zeit, bis uns auch dieser Text auf das Display gelangte. Lesenswert ist er allemal und wer eine Archivbibliothek in der Nähe hat, sollte sich schon einmal die FAZ vom 08.11.1997 aushändigen lassen, um auf der Seite 36 im Feuilleton die Wahrnehmung des Fachmanns zu lesen. Für alle, denen diese Möglichkeit nicht gegeben ist, soll hier die Schlußpassage zitiert werden:
Man muss nicht unbedingt ein überwacher Beobachter der Stadt sein, um festzustellen, dass die vorausgesehene Renovierung der beliebten Gaststätte bis heute - also gute 10 Jahre nach der Prognose - nicht stattgefunden hat. Auch den verkündeten Umbauplänen der EWG aus dem letzten Sommer scheint wiederum keine allzuschnelle konkrete Umsetzung zu folgen, was angesichts der recht hohen denkmalschützerischen Hürde nicht ganz überraschend kommt. Da sitzt man bei der ehemaligen Gaststätte wahrlich zwischen Baum und Borke: Während flinke Kinderhände Stein um Stein durch die verbliebenen Glasfenster jagen und sich der Festsaal zur Nisthöhle für heimische Vögel verwandelt - es sei denn Thomas Neumann kommt zur Kurzzeitbelebung vorbei und scheucht Kinder und Vögel kurzfristig auf und davon - scheut das lokale Wohnungsunternehmen vor diesem Umbauunternehmen, denn die Auflagen, von denen der Denkmalschutz kaum ein Jota abzuweichen bereit ist, macht die Sache einerseits nicht gerade zum Renovierungsschnäppchen und andererseits auch nur bedingt als Verwaltungsgebäude nutzbar. Vom architektonischen Standpunkt gilt zweifellos das Kähler'sche Wort: Der Aktivist hat Denkmalschutz verdient und zwar, so die Ergänzung, vollen. Das nützt allerdings wenig, wenn dieser nicht durchgesetzt werden kann. Für die Eisenhüttenstadt und ihre Baukunst bleibt zu hoffen, dass eine Lösung in diesem Kasus nicht weitere zehn Jahre auf sich warten lässt und dass diese einen möglichst umfänglichen Erhalt des Objekts nah am Original beinhaltet. Ganz ohne Kompromisse wird's aber vermutlich nicht gehen. Übrigens hat nicht zuletzt der Kongress der Futurologen gezeigt, dass es ein sehr schlüssiges Konzept jenseits der Bürofunktion geben könnte: Der Aktivist als Ort des Stadtmuseums und der Kunstsammlung Eisenhüttenstadt, mit Museumscafé und Shop im Untergeschoß, Skulpturengarten und ein stadträumlich weitaus
Immerhin haben die Verantwortlichen erkannt, daß das Beispiel dieser sozialistischen Stadtgründung großen historischen Wert besitzt. Die DDR hatte das Kerngebiet von Eisenhüttenstadt bereits 1984 unter Denkmalschutz gestellt, das Land Brandenburg hat den Schutz nach der Wende bestätigt und betreibt nach Kräften aus Mitteln der Wohnungsbauförderung die denkmalpflegerische Renovierung der Wohnkomplexe.
Aus der gleichen Quelle kommt Geld für die Wiederherstellung der Gaststätte "Aktivist". Was zunächst höchst sonderbar wirkt - Wohnungsbauförderungsmittel für eine Kneipe -, wird als sinnvoll deutlich, wenn man die Bedeutung für das Wohnumfeld berücksichtigt. Die HO-Großgaststätte (so der offizielle Name) war eine Institution, Treffpunkt und Feierhaus der Bewohner, auch wenn sie, parallel zur Aufgabe des Konzeptes von der Idealstadt Eisenhüttenstadt, langsam verkam. Man wird den "Aktivist" renovieren. Fraglich ist, ob er künftig wieder ein lebendiger Teil der Stadt sein wird. Land und Stadt suchen nach tragfähigen Konzepten. Die Suche ist bezeichnend für ein Stück DDR-Vergangenheit, das damit begann, ein sozialistisches Paradies auf Erden für alle herzustellen und im Scheitern endete. Eisenhüttenstadt zeigt beides. Es hat Denkmalschutz verdient.
geeigneteren Positionierung, als es das Haus in der Löwenstraße
darstellt.
Wie verschwommen, so zerronnen.
17 Jahre nach der Schließung stecken die Planungen für eine Nachnutzung des Objekts immer noch irgendwo in der Halbherzigkeit.
Foto: futurologistiques bei flickr
17 Jahre nach der Schließung stecken die Planungen für eine Nachnutzung des Objekts immer noch irgendwo in der Halbherzigkeit.
Foto: futurologistiques bei flickr
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