Nun wissen wir auch, warum sich diese Woche nicht der FAZ-Architekturexperte Dieter Bartezko sondern der Leipziger Wohnungswirtschaftler Peter Stubbe im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen über den Stadtumbau Ost äußern durfte (sh. auch hier). Ersterer war nämlich in der Wochenzeitung Das Parlament unterwegs, die jüngst einen etwas merkwürdigen gestalterischen Relaunch über sich ergehen lassen musste, aber dennoch unverzichtbare Wochenlektüre für jeden halbwegs politisch Interessierten bleibt.
Das Thema der aktuellen Ausgabe lautet "Denkmalschutz" und bei diesem heißt es auf deutschen Stadtäckern anscheinend in letzter Zeit häufiger "Denkste!".
Während Dieter Bartezko den ignoranten Umgang mit dem architektonischen Erbstücken der westdeutschen Nachkriegsmoderne gewohnt souverän anprangert, enthält gleich der Aufmacher des mehr in der Berliner Zeitung zu lesenden Journalisten Nikolaus Bernau etliche Passagen, die ich mir ziemlich dick unterstrichen habe und die man sich für die Argumentation z.B. mit den Bahnhofsgebäudenbeutlern aus dem Vorstand der Bahn AG (vgl. z.B. hier) und auch mit Stadtumbau Ostlern wie Peter Stubbe, zu dessen jüngstem Zweispalter hier der locker in Stil und Argumentation überlegene Gegentext vorliegt, notieren kann.
Zunächst macht Nikolaus Bernau deutlich, dass Denkmalschutz nicht in jedem Fall synonym für Abrissschutz steht. Denn
"Dass in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren etwa 1.000 Bauwerke pro Jahr zerstört wurden, die als wichtig für das künstlerische, städtebauliche, wissenschaftliche oder historische Bewusstsein der Gesellschaft galten, das erscheint keineswegs übertrieben."Dass die fröhlich zukunftsgewandte deutsche Hauptstadt hier mit ehrlosem Beispiel voranmarschiert, wird auch noch erwähnt und wer durch das östliche Zentrum Berlins fährt, hat (noch) mit dem Palastskelett ein Menetekel für das vor Augen, was an Architektur-Ikonoklasmus aus deutschen Amtsstuben noch kommen könnte - auch wenn der Palast der Republik durch seine ideologische Aufladung einen Sonderfall darstellen dürfte.
Aber gerade das öffentliche Unbehagen, das man zum Schluss hin weitgehend ignorant in Kauf nahm, um das (investitions)politisch Gewünschte durchzusetzen, wird durch die folgende Passage aus dem Text, welche vielleicht die Wichtigste des ganzen Textes darstellt, unterstrichen:
"Der Schutz von historischen Bauten stärkt regionale Identitäten. Und nur die schützen die Regionen vor der Abwanderung. Regionale Identitäten aber machen sich weniger an allgemein als "schön" eingeschätzten Bauten sondern vor allem an gewohnten Stadt- und Landschaftsbildern fest. Deswegen ist auch die Vorstellung, man könne Denkmallisten schließen, so kurzsichtig. Nicht nur das Wissen um die kulturelle Entwicklung erweitert sich beständig. Es verändert sich auch beständig die Perspektive auf die Geschichte."So ist es durchaus erklärbar, warum der eiserne Abrissbesen, welcher den VII. Wohnkomplex Eisenhüttenstadts total und den VI. relativ bereinigt und auch in zahlreichen anderen Städte, allen voran momentan das energische Cottbus, in denen man Spuren der späteren DDR-Architektur radikal umholzt, rotiert, gar bei den vermeintlich so hässlichen Plattenbauten nicht nur auf helle Begeisterung stößt. Hier werden nicht Gebäude, hier werden Identifikationspunkte, so subjektiv unschön sie auch manchmal erscheinen, entfernt.
Kaum jemand wird bestreiten, dass die Verdichtung im WK VII ein wenig zu dicht gestrickt wurde. Das Gegenprogramm wird allerdings wieder ein wenig zu undicht...
Wenn man das Gebäude der geschlossenen städtischen Wäscherei in Eisenhüttenstadt entfernt, um einem Discounter mit seinem typisch öden Funktionalbau, wie er buchstäblich in jedem mitteleuropäischen Nest anzutreffen ist, Investitionsfläche freizuräumen, ist es nun mal ein weiterer Axthieb in die Stadtstruktur. Dass das, was in der Karl-Marx-Straße an Supermarktschreierei geschah, so überflüssig wie ein Kropf ist, muss nicht weiter erwähnt werden. Da freut man sich beinahe über die späte Einsicht des Stadtmanagers Wolfgang Perske: "Wir wollen keine weiteren Discounter in der Stadt." Die bestehenden hätten dann nebenbei vielleicht auch noch mehr Umsatzsorgen...
Was auf Eisenhüttenstadt weniger zutrifft, weil man dann mit der gesamten Stadt Tabula Rasa machen müsste, ist folgende Feststellung:
"Wenn Gebäude nicht total verrottet waren, wurden sie eigentlich nur im Fall ideologischer Programmänderungen abgerissen..."Generell ist Abriss nämlich, wie Bernau darstellt, hochgradig unökonomisch. Nur, so seine Argumentation, weil Energie sehr billig wurde, boomte das Abrissgewerbe in dem Maße, wie wir es kennen. Dies sei mit dem steigenden Ölpreis und anderen Energiekosten mit Wachstumskurve allerdings bald nicht mehr Fall. In Ostdeutschland wird er dennoch über
schmucke Stadtumbau genannten Subventionierungsprogramme als eine leichtgängige Einnahmequelle für die Wohnungsverwaltungsgesellschaften erhalten, die dabei ein bisschen übersehen, dass sie im wahrsten Wortsinn von ihrer Substanz zehren. Da vernünftige und nachhaltige Nachnutzungen für die freiwerdenden Areale in der Regel nicht bezuschusst werden und sich auch für die recht großen Flächen in der ostdeutschen Provinz kaum Investoren finden lassen, finanziert man hiermit im großen Stil die große Leere, die das Grundprinzip von Stadtstruktur, nämlich bauliche Verdichtung, prächtig missachtet. Es mag zwar nicht jeden der Beteiligten sonderlich stören, aber ich kann mir vorstellen, dass man die negative Signalwirkung dieser Lückenbildung sowohl auf die Außenwahrnehmung der Stadt wie auch auf die interne Stimmung, gehörig unterschätzt. Solche Nebeneffekte sind leider viel zu weich, als dass sie sich direkt mit den harten Bilanzen erfassen lassen. Und deswegen zählen sie so wenig.
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