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Man kann es durchaus nachvollziehen, wenn den Stadtwanderer angesichts der eingeschlagenen Fensterreihen der nur noch ihrer Einebnung harrenden Wohnblöcke im VII. Wohnkomplex Eisenhüttenstadts mitten aus der schon jetzt permanent spürbaren Leere der destillierte Nihilismus befällt. Das muss es natürlich nicht, denn die Sukzessionsfläche, als die sich alsbald das noch beinahe pedantisch kurze Rasenstück erweisen soll, hat selbstverständlich auch ihren Reiz. Allerdings keinen städtischen und auch ein paar hingewürfelte Einfamilienhäuser dürften diesen nur bedingt zurückbringen."Siebente Einsamkeit! Nie empfand ich näher mir süsse Sicherheit, wärmer der Sonne Blick. ..." - Friedrich Nietzsche, Die Sonne sinkt, 1888
Dem Autor der zitierten, nun 120 Jahre alten Zeilen zur Sonne, die er übrigens kurz vor dem Absturz in die geistige Umnachtung schrieb und die auch deshalb gar nicht so schlecht zu einem Quartier am Vorabend seiner stadträumlichen Umnachtung passt, droht übrigens auch 108 Jahre nach seinem Ableben ein ganz besonderes Ungemach. Es geht um seinen Geburtsort, nämlich das kleine Nest Röcken im südlichsten Sachsen-Anhalt, in dem sich bis heute die Familiengrabstätte der Nietzsches inklusive des Friedrichs Grabs befindet. Die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft mbH (MIBRAG), die dafür bekannt ist, dass sie die Kirche gerade nicht im Dorf lässt, plant - wie man heute in der Neuen Zürcher Zeitung nachlesen kann - den Totalabriss des Ortes für die Kohle von morgen (bzw. "frisches Geld").
Insofern muss sich auch der angefallene Eisenhüttenstädter Stadtwanderer vor Augen halten, dass er unter der ostdeutschen Sonne wahrlich kein Monopoly of Sorrow (um hier auch einmal eine Lieblingsband aus frühen Jugendtagen zur Erwähnung zu bringen) besitzt, sondern dass sich die radikale Abbaustimmung besonders immer dann, wenn man die bekannten Argumente von Wirtschaftlichkeit, Sachzwang und Perspektive in die Schaufeln der Abriss- und Schaufelradbagger wirft, übergreifend als (vermeintlich) alternativlos erweist. Man darf gespannt sein, ob auf dem Areal des WK VII das gilt, was Joachim Güntner in seiner Vortrauer zu Röcken über die Braunkohleberg- und -tallandschaften schreibt:
"Der brachiale Raubbau schafft eine Wüstenei, einen Nicht-Ort wie von einem anderen Stern für die Dauer etwa einer Generation."Danach immerhin packt man in den neuen Seenplatten die Badehosen aus. Für die frische weite Ebene zwischen dem ebenso schon recht isoliert in der Landschaft liegenden VI. Wohnkomplex und Fürstenberg ist dieser Weg nicht gangbar. Derweil wird die Stadtbevölkerung vom Stadtmanager auf die nähere Zukunft verwiesen:
"Ab 2009 wiegt die Aufwertung stärker", sagt [Wolfgang] Perske.Mal sehen, was das konkret bedeutet.
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