Nur gut, dass wir im letzten Herbst noch einmal unseren Bahnhof zum Gegenstand eines Fotowettbewerbs machten. Und wer ihn noch dokumentieren möchte, sollte es bald tun. Denn die Bahn AG plant, ihren Ruf als Baukulturvernichter in Eisenhüttenstadt ausbauen zu wollen und die Bahnhofsgebäude abzureissen, sofern die Stadt ihr diese nicht abkauft. Dies verkündet heute in der Märkischen Oderzeitung der für die Region zuständige Konzernbevollmächtigte Joachim Trettin mit einer altbekannten und in ihrer pauschalen Kurzsichtigkeit völlig inakzeptablen Begründung:
"Doch sei die Bahn gezwungen, auf die Kosten zu achten."Man kennt es: Schuld sind immer die Umstände, d.h. die externen Faktoren. Man selbst möchte ja gern anders, aber... Solche Argumentationslinien hört man genauso regelmäßig im Eisenhüttenstädter Rathaus und insofern ist im Worst-Case-Szenario eine Schlammschlacht zwischen der Deutschen Bahn und dem Bürgermeister zu erwarten, bei der man die Verantwortung für diesen Akt der Baukulturbarbarei immer wieder als Schwarzen Peter dem anderen zuschiebt.
Die Argumentation von Joachim Trettin ist natürlich eine so geschickte wie durchsichtige Erpressung: Lieber Rainer Werner, erklär duch doch den Fürstenbergern und Eisenhüttenstädtern, warum eines der schönsten Bahnhofsgebäude der Region aus dem Stadtbild verschwunden ist.
Und dann wird der de facto Monopolist, der sich im Zuge einer falschverstandenen, weil deutlich kulturgutfeindlichen, Privatisierung so viele Sympathien eben nur deshalb zu verspielen leisten kann, weil er andererseits Konkurrenzangebote so offensiv behindert, wo es nur geht, von der Stadt womöglich noch Dankbarkeit einfordern, da er generös die Abrisskosten übernimmt...
Man sieht, ich schreibe den Text mit kräftig Wut und reichlich schlechter Erfahrung mit der Deutschen Bahn im Bauch, die sich einerseits erdreistet, ihre Kunden immer schlechter zu bedienen/behandeln - vor zwei Wochen habe ich für eine kurze Auskunft am nur halbbesetzten Kundenzentrum auf dem Bahnhof Friedrichstraße eine Stunde Lebens- und Erwerbszeit opfern müssen - und andererseits blindwütig unter der Knute vermeintlicher ökonomischer Zwänge jetzt auch noch beginnt, nachdem sie mit dem Hauptbahnhof teuer das architektonische Erbe von Morgen verhunzt hat und in Stuttgart eine neues, hoch fragwürdiges Prestigeprojekt mit einer Investitionssumme von um die 3 Mrd. Euro anschiebt, das architektonische Erbe von Gestern ohne Skrupel wegzuholzen.
So opfert die Ingenieursclique um Hartmut Mehdorn, denen anscheinend jedes Feingefühl für Tradition und Geschmack und stadträumliche Entwicklungen abgeht, im Zuge ihrer Umwurschtelung des Eisenbahnbetriebs zu einem internationalen Mobilitäts- und Logistikkonzern, das Gesicht einer Institution, die eben kein Unternehmen wie jedes andere, sondern traditionsgemäß auch ein Kulturgut ist. Dass sie ihr eigenes Gesicht dabei verlieren, wird den Jungs herzlich egal seien, denn natürlich tun sie auch nur ihren Job. Und beim Geld enden bekanntlich auch Traditionsverständnis und kulturelles Bewusstsein. Das einzige, was man sich im besten Fall noch leistet, sind Krokodilstränen.
Was mich noch interessiert, ist, ob sich in Eisenhüttenstadt, wenn es denn dann hart auf hart kommt, tatsächlich einmal ziviles Aufbegehren im Sinne eines Kampfes um den Bahnhof entwickelt, oder ob sich die Menschen vor Ort sich, wie so oft, einfach fügen...
die zu erwartenden Folgen der Bahnprivatisierung:
http://www.campact.de/bahn/opoly/start