Zum gestrigen stadttheoretischen Zitat zur Nacht, welches eher Allgemeingültigkeit beansprucht, möchte ich heute Nacht schnell mit einem weiteren einen kleinen Faden zum konkret Gegebenen spannen:
[…] nicht städtebauliche Kategorien in ihrer Umsetzung zur Schaffung von klar definierten und ablesbaren Räumen (Straßen und Plätzen) und geschlossenen Bereichen (Quartiere, Höfe) erzeugen eine Abneigung gegenüber Enge und Dichte, sondern die „Unerträglichkeit des Gegenübers“. Und dieses Gegenüber, in der Gestalt eines wenig differenzierten Wohnblocks, ist das unbefriedigende Produkt eines Baukombinats, das unter den konkreten Bedingungen der Planerfüllung und den finanziellen und materiellen Möglichkeiten im Bezirk Frankfurt (Oder) entstand.
So schreibt es Wolfgang Haubold im Dezember 1989 in einem Text über den von 1982 bis 1989 gebauten Wohnkomplex VII und dessen Perspektive (erschienen: Heimatkalender 1991, S. 11-16).
Während die von ihm für zwingend gehaltene Fußgängerunterführung unter der Straße der Republik an einer Stelle umgesetzt wurde, wobei die Lösung im Bereich der Ab- und Auffahrt zur und von der Eisenbahnstraße nie überzeugend gelöst wurde, blieb auch die „bauliche Ausgestaltung der Nahtstelle der Neubaukomplexe zur Altstadt, die gleichsam als Auftakt der Fußgängerzone der Wilhelm-Pieck-Straße [heute: Königsstraße] angesehen werden muss“, bis zum Ende ungelöst. Auch die dort schließlich errichtete Konfektionsarchitektur der Sparkasse stellt keine überzeugende Lösung dar, vielmehr manifestiert sie die Ödnis der Übergangsstelle zur Altstadt noch durch den angeschlossenen Parkplatz.
Ebenfalls fehlgeschlagen sind die Bestrebungen, den Fürstenberger Altstadtkern „als zweites gesellschaftliches Zentrum von gesamtstädtischer Bedeutung neben der Leninallee“. Im Gegenteil: man hat besonders durch die widersinnige Entscheidung zur Errichtung des City-Centers beide Orten in dieser Funktion fast völlig marginalisiert. Während die Lindenallee sich mittlerweile langsam zu erholen scheint, scheint das Fürstenberger Zentrum tatsächlich irreparabel geschädigt. Der zu erwartende Bevölkerungsrückgang verspricht hier eher noch düsterere Aussichten. Und auch aktuelle Entscheidungen forcieren den Bedeutungsverlust an dieser Stelle weiter. So ist es zwar sicher nicht ganz verkehrt, Einzelhandel auf durch Abriss frei gewordenen Flächen an der Karl-Marx-Straße ansiedeln zu wollen. Die Entscheidung an dieser Stelle aber neben dem völlig überflüssigen Plus-Markt und der Aldi-Filiale noch eine Lidl-Zweigstelle entstehen zu lassen ist absolut unverständlich. Hier werden meiner Meinung nach im Rahmen einer absolut kurzsichtigen Entscheidung zugunsten weniger stumpfsinniger und nicht unbedingt menschenfreundlichen Arbeitsplätze, die zudem höchst unterbezahlt sind, die Überreste des Gewerbetreibens in der Innenstadt weiter aktiv beschädigt.
Wenn Eisenhüttenstadt auf einem Gebiet überversorgt ist, dann ist es das der Lebensmitteldiscounter. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es hier zu Filialschließungen kommt, die weiter toten Stadtraum nach sich ziehen.
Zurück zum Gebiet des verschwindenden Wohnkomplex VII, in dessen Wohngebietszentrumslebensmittelverkaufsstelle mittlerweile ein Ramsch- und Trödelmarkt das Zepter schwingt, der, wie die vollen Parkplätze in der Nähe zeigen, tatsächlich den Nerv der Zeit trifft.
Durch den großflächigen Abriss kehrt hier das Problem der Entwicklungspläne aus den 1970er Jahren in gewisser Form wieder: die bauliche Verbindung von Kernstadt und Wohnkomplex VI mit der Fürstenberger Altstadt. Man darf gespannt sein, wie mit den Freiflächen umgegangen wird. Das (nicht ganz unwahrscheinliche) Worst-Case-Szenario wäre sicher eine Baulandausschreibung, wie sie in der Platanenallee erfolgt. Dass hier noch irgendeine Form von Gewerbe angesiedelt werden könnte, ist sicher eine völlig absurde Idee. Das Gewerbegebiet am Kanal, in dem man vor ein paar Jahren den Denkmalschützern und Historikern quasi vor dem Konservierungsbeutel die wenige Überreste des STALAG unterpflügen ließ, wurde bislang trotz günstigster Konditionen und bester Lage von keinen Investor ernsthaft ins Auge gefasst.
Persönlich würde ich eine Aufforstung zum Stadtwald der gerade schon im Bereich WK VII Süd praktizierten Versteppung vorziehen. Das Ziel könnte ein an die Anlage der Insel angelegte Waldparkanlage sein, gern auch mit dem einen oder anderen Wohngebäude durchsetzt. In der Waldsiedlung Wandlitz hätte man ein schönes Vorbild, nur sollte man es nicht unbedingt als Gated Community konzipieren. Wenn man dann noch die ungeliebten DDR-Bronzeskulpturen aus den Depots der Stadtmuseen der ostdeutschen Länder holt und hier zu einem Skulpturenpark zusammenstellt, dann ergäbe sich eine schöne, eisenhüttenstadtadäquate Anlage, die nicht zuletzt die Tradition des im WK VII so sträflich vernachlässigten Gedanken der „Grünen Stadt“ fortsetzt.
die Erde ungewohnt aus.