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Aus der Stubbenkammer: Ein paar Gedanken zum Stadtumbau Ost.

Weblog für eine alternative Stadtwahrnehmung

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Aus der Stubbenkammer: Ein paar Gedanken zum Stadtumbau Ost.

Geschrieben von
Ben
in Theorie
Montag, 16. April 2007
Noch keine Kommentare

Ursprünglich wollte ich den vom Titel her vielversprechenden Beitrag (Oh, wie schön ist Panama. "Stadtumbau Ost" und die Unwirtlichkeit unserer Städte. FAZ Nr. 88/2007, S. 39), den der Direktor der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH, Peter Stubbe heute im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum Thema Stadtumbau Ost platzieren konnte, auf die Kerngedanken hin analysieren und auf unsere schöne Heimatstadt beziehen. Jedoch erweisen sich die zwei Spalten Text leider als furchtbar ungeeignet, was zum Teil daran liegt, dass es primär um die Verhältnisse in Leipzig geht ("Heute verzeichnet Leipzig einen Bevölkerungszuwachs und hat so viele Einwohner wie 1906; doch sie leben auf einem bald siebenmal größeren Stadtgebiet.") und andererseits auch an vielen Stellen deutlich wird, dass hier der LWB-Geschäftsführer und kein Feuilletonist schreibt. Eine Janosch-Anspielung und eine ziemlich unmotivierte und an sich überflüssige Brücke zu Alexander Mitscherlich machen aus dem ansonsten, bis auf die Verwendung von Chronique scandaleuse, eher drögen Text nicht unbedingt einen Lesegenuss. So werden nur ein paar Aspekte, die Stubbe wichtig scheinen, kurz referiert:

- Evaluation des Stadtumbaus durch das Bundesfinanzministerium;

- Lob auf die denkmalschützerische LWB, die in Leipzig "fast die Hälfte ihrer Wohnungen in denkmalgeschützten Gebäuden vor[hält] - und diese sind heute zu über 95 Prozent vermietet.";

- das Grundprinzip "Marktverknappung" als Ziel des Programms und Lob der LWB für ihre prima Kommunikation mit den Mietern in Abrissobjekten;

- Rechtfertigung von Abrissmaßnahmen: "viele Gebäude, die jetzt abgebrochen werden, sind ehemals bei Nachverdichtungen oder an mittlerweile verkehrsreichen Durchgangsstraßen entstanden. Sie dennoch stehen zu lassen und zu ersetzen ist nur eine vermeintliche Alternative"; und

- die rhetorisch auch noch nicht ganz gelungene vorausfreibriefende Vorausentschuldigung der weiteren Maßnahmen: "Einzelfälle wie.. der Abbruch eines denkmalgeschützten Hauses zugunsten des Straßenbaus sind zur Skandalisierung geeignet. Zur Beurteilung eines städtebaulichen Programms insgesamt taugen sie nicht."

Da ist das Wolfen-Comic von Rochus Wiedemer, bei dem es zugegeben eher nicht um denkmalgeschützte Substanz geht, deutlich präziser:

Vielleicht wird das ganze dadurch verständlicher: Diese Plattenbauten hier sind durch den Leerstand nichts mehr wert, aber noch immer hoch mit Schulden belastet. Niedrige Mieten tragen den Schuldenberg nicht ab, und das ist nicht nur hier so, sondern überall in Ostdeutschland.
Nach gründlicher Abwegung der Hins und Hers, die weitaus weniger pauschal proklamierend daherkommt, als Peter Stubbes ziemlich mißglückter Beitrag, kommt die Bilderstory über das Verschwinden Wolfen-Nords zu folgendem Ergebnis:
Stadtumbau Ost funktioniert also nicht mal mehr als Marktbereinigungsprogramm. Mit der Abrissforderung von Stadtumbau Ost wird lediglich die Krise der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen auf die lange Bank geschoben und ihre Insolvenz vorläufig verhindert.

an das sich diese Frage anschließt, die vermutlich für alle Funktionsökonomen komplett hanebüchen ist und jenseits jeder Vernunft steht:

Mal ehrlich - wenn die Abrisse für den Wohnungsmarkt und die Stadtentwicklung an vielen Orten nichts bringen, die Entschuldung der Wohnungsunternehmen jedoch so wichtig ist, wieso spart man sich nicht die Abrisskosten und erlässt die Altschulden von leer stehenden Wohnungen einfach so?
Und die kann man sogar in Eisenhüttenstadt, dass sich immerhin von anderthalb Wohnkomplexen komplett trennt und z.B. mit den geplanten Abrissen im Wohnkomplex V stadträumlich - euphemistisch gesprochen - sehr unglückliche Bereinigungen der Bilanz plant. Stubbe nennt die Forderung einer Gebäudesanierung, die, um allen Befürwortern und ihren Argumentationslinien vorzubeugen, gleich in eine völlig unsachlich überspitzte Formulierung hineingewurstelt wird, atavistisch. So etwas ist dann nämlich der "Stadtumbau als eindimensionales Gebäudesanierungsprogramm" - also ob dies jemand fordern würde. Totalabriss ohne Nachnutzungskonzept, wie in Eisenhüttenstadt im WK VII praktiziert, ist andererseits auch ohne Lupe betrachtet ebensowenig Ausdruck vielschichtiger Stadtgestaltung. Da sich Stubbe jedoch nicht auf Eisenhüttenstadt bezieht, sondern vorwiegend gegen unverbesserliche Nostalgiker anschreibt, die solche Marginalien wie die Kleine Funkenburg (vgl. auch FAZ 116/2005, S. 33) partout gegenüber den unvermeidlichen Sachzwängen der Stadtentwicklungsgeschichte erhalten möchten, kann man nun fast nichts mit seinem Text anfangen. Außer zu sagen, dass ich derart dünne Beiträge eigentlich nicht im FAZ-Feuilleton erwartet hätte. Kann sich denn Heinrich Wefing nicht dieses Themas annehmen?
Oder Jenny Erpenbeck, die in der letzten Samstagsausgabe überaus rührend den Abriss eines Kindergartens in der Wachstumsregion Berlin-Mitte beschreibt:

"Zum Abschied von seinem alten Kindergarten küsst mein Sohn seinen Lieblingsbaum, eine ganz und gar mittelmäßige Föhre, auf ihre Rinde. Dass diese Föhre, auch ein Apfelbaum und ein paar Büsche bei noch laufendem Betrieb gefällt werden müssten, damit es beim Abriss keine Verzögerung gibt, wurde uns auch mitgeteilt."

So kann man - um die Brigitte Reimannsche Frage nach der Möglichkeit von Zärtlichkeiten in DDR-geprägten Architekturumgebungen noch einmal zu bemühen - im Zeitalter des Stadtumbau Ost überall in Neufünfland, von Suhl bis Hoyerswerda, von Eisenhüttenstadt bis zur Dorotheenstädtischen Vorstadt, küssen.

Leipzig, Südraum. Hans-Ulrich Treichel findet auch im abgestürzten Plagwitz seine Inspiration. Aber als Lyriker ist hat er auch naturgemäß eine Ader für das Vergehen. Vielleicht sollte man ihn mal nach Eisenhüttenstadt laden, denn auch hier bleiben die Türen zunehmend geschlossen. Der Unterschied zu weiten Straßenzügen in Plagwitz ist allerdings, dass in der Stahlstadt noch immer viel Misstrauen hinter den Gardinen steht. In der Gießerstraße scheint man sich dagegen - vielleicht auch aufgrund der etwas anderen Mentalität - mit dem Schicksal arrangiert zu haben und nutzt die Freiräume ganz anders.


Die, die es hinter sich haben kommen dann völlig nostalgiebefreit zu diesem Resultat, das sicher nicht vorrangig durch, aber sicher auch nicht ganz ohne die Wirkungen mehr oder weniger geschickter Umbau- und Entwicklungsprogramme in Ostdeutschland zustande kommt:
On Tuesday, the 10th April, we went to Eisenhüttenstadt to run some errands. It was very depressing indeed- the town, not the errands. It was even more dead than Frankfurt, Eisenhüttenstadt is a proper ghost town. There is no way, that after having lived in Brighton and Sydney, I could ever return there.
Kinderland ist abgerissen, stellte schon der Christian in Johanna Ickerts Hüttenstadt-Film fest. Und er ist sicher nicht der einzige, dem - auch hier werde alle Ökonomen wieder müde lächeln - das Altschuldenbewältigungsprogramm die Orte der Erinnerung demontiert. Das man damit auch Geschoß um Geschoß Stadtidentität und -identifikation abträgt, kann den Bilanzen egal sein. Der Stadtgesellschaft dagegen nicht.

"Sing, mei Sachse, sing! Es ist en eichen Ding." Von wegen AMIGA mia: Die Zeiten, zu denen man sich im Freistaat solch eine Ost-Platte machte, sind vorbei. Jürgen Hart starb vor fast genau fünf Jahren in Leipzig und dieser Tonträger flog in Eisenhüttenstadt vor zwei Jahren aus dem Fenster und zwar aus dem eines Abrisshauses in der Wilhelmstraße.




Tags für diesen Artikel: abriss, , faz, leipzig, peter stubbe, , stadtentwicklung, stadtumbau ost
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