Man muss nicht unbedingt allzu tief in der Materie stecken sondern eigentlich nur aufmerksam zum Briefkasten gehen, um festzustellen, das politische Themen auf dem endlosen Feld der thematischen Post- und Ansichtskarten gegenüber topographischen, künstlerischen bzw. kunstgeschichtlichen, eisen- und straßenbahntechnischen Motiven, Objekten der Flora und Fauna und schließlich auch des Nonsense und der Produktwerbung heutzutage eher abseits stehen. Bestenfalls in Wahlkampfzeiten findet der Kartophile noch Neuproduktion größerer Vielfalt. Doch selbst dort, in den Niederungen des Guerilla-Wahlkampfmarketings, laufen neue mediale Ausdrucksformen auf und verdrängen die traditionelle Ansichtskarte als Mittel der Wahl wenn es um Propaganda und/oder Bürgerinformation geht. Die Polito-Kartophilen bedauern dies sicher ein wenig, aber andererseits muss man auch zugeben, dass die Blütezeiten der Produktion meist einhergingen mit einem Niedergang der politischen Kultur. So produzierte z.B. im Jahr 1914 die Crossener Carton- und Papierfabrik eines C.F. Leonhardt eine Motivkarte "den im Felde stehenden Truppen gewidmet" und zwar bezeichnenderweise in Millionenauflage. Darauf zu sehen sind handgezeichnet und koloriert sturmfreudige deutsche Fuß- und Reitersoldaten nebst Kanone und Pickelhaube, die zu dem, wenn man an die Ereignisse am Douaumont und anderer Schauplätze in den Folgejahren denkt, geradezu demütigend euphemistischen Slogan "Nun wollen wir sie verdreschen!" Gewehr, Bajonett und Säbel schwingen. Ähnlich eine ebenfalls aus dem I. WK (hier:Weltkrieg) übergebliebene Ansichtskarte aus dem "Alleinvertrieb F. Horoschowski & Sohn, Wien", die eine Impression vom "serbischen Kriegsschauplatz" vermittelt, mit der Beschreibung: "Die deutsche Skutari-Besatzung stürmt im Verein mit unseren Truppen eine von Serben besetzte Höhe von Višegrad" und der Handbeschriftung "Viele herzliche Grüße von allen und von ihrem Josef, 25. X. 1914" unter der Abbildung fallender und metzelnder Soldaten. Die Ansichtskarte übernahm hier die Rolle, die heute einiger spezialisierten Videoplattformen im Internet zukommt: personalisierbare und verschickbare Kriegsberichterstattung. Natürlich wurde auch mit Karten zurückgeschossen. Man denke nur an die "Krieg dem Kriege"-Produktionen. Kriegskarten finden sich in unglaublicher und manchmal unerträglicher Motivvielfalt, sowohl für wie auch gegen Patriotismus und allgemeines Durchhalten. Die Zahl der Friedenskarten, wie sie dann auch in der DDR, nicht selten übrigens um NVA und Kampfgruppen ideologisch korrekt zu legitimieren, anzutreffen war, fiel dagegen ein wenig ab. Beliebter waren da Illustrationen zu Großveranstaltungen wie den Weltfestspielen der Jugend, Republikfeiertagen oder dem Bezirksrätetreffen der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" u.ä. Andererseits: Da die ganze Gesellschaft durchpolitisiert war, drängt die politische Aussage häufig auch im Hintergrund durch und wenn dort einfach nur das Merseburger Bodenreformdenkmal mit "Junkernland in Bauernhand" oder ein steinerner, proklamierender Erich Weinert in der Magdeburger Karl-Marx-Straße mit in den Fokus gerutscht ist. Ansonsten sollten die Ansichtskarten von Bild und Heimat vor allem ein nahezu vollständiges und dazu noch schönes Bild einer lebenswerten sozialistischen Heimat DDR schaffen, wobei sich schön über die Jahre als sehr relative Eigenschaft erwies.
Dennoch hält sich das Primat "schön" bis heute tapfer als Leitmerkmal bei der offiziellen Ansichtskartenproduktion, was Martin Parr noch einige weitere potentielle Ausgaben aus seiner "Boring Postcards"-Buchreihe sichert. Interessanter, wenn auch in der Aussage manchmal erschreckend platt, sind da die offensiv auf Disharmonie angelegenten Karten der Bürgervereinigung Fürstenberg (Oder) e.V., die man prima am Bahnhof bei An- oder Abreise erwerben kann. Das aktuelle Exemplar sieht so aus und sollte sicher in keiner Eisenhüttenstadt-Postkartensammlung fehlen:
Na klar, hier ist das Bild verzerrt.
Dass der lokale Volksmund das Eisenhüttenstädter Rathaus "Roter Kreml" nennt, ist mir jedenfalls neu und spricht nicht unbedingt von einer Scheu gegenüber Pleonasmen, ist doch schon der Kreml an sich so rot, wie eine Kugel rund. Stilistisch bewegt man sich also auf dem Niveau manueller Handarbeit und auch die richtig-falsche Schreibung des Bürgermeister-Zitats zum Sozialpass auf der Rückseite der Karte ("Die Rainheit haben wie nur, wenn wir sauber sind.") setzt den Hebel auf derselben Ebene an, so dass dieser im Effekt abrutscht. Das sitzt noch nicht so recht bzw. bestenfalls als Nadelstichelei.
Dennoch oder gerade deswegen erweist sich für uns Außenstehende diese Form postkartographischer Scharmützel der Lokalpolitik als eine außerordentlich interessante Variante politischer Kommunikation, der es aber bisher leider an entsprechenden Gegenprodukten aus dem Rathaus fehlt.
Sammelwert haben diese Karten ohnehin, erscheinen sie doch höchst zeitgebunden und in Kleinstauflagen bei sicherlich steigender Nachfrage, vgl. z.B. hier.
Dass der lokale Volksmund das Eisenhüttenstädter Rathaus "Roter Kreml" nennt, ist mir jedenfalls neu und spricht nicht unbedingt von einer Scheu gegenüber Pleonasmen, ist doch schon der Kreml an sich so rot, wie eine Kugel rund. Stilistisch bewegt man sich also auf dem Niveau manueller Handarbeit und auch die richtig-falsche Schreibung des Bürgermeister-Zitats zum Sozialpass auf der Rückseite der Karte ("Die Rainheit haben wie nur, wenn wir sauber sind.") setzt den Hebel auf derselben Ebene an, so dass dieser im Effekt abrutscht. Das sitzt noch nicht so recht bzw. bestenfalls als Nadelstichelei.
Dennoch oder gerade deswegen erweist sich für uns Außenstehende diese Form postkartographischer Scharmützel der Lokalpolitik als eine außerordentlich interessante Variante politischer Kommunikation, der es aber bisher leider an entsprechenden Gegenprodukten aus dem Rathaus fehlt.
Sammelwert haben diese Karten ohnehin, erscheinen sie doch höchst zeitgebunden und in Kleinstauflagen bei sicherlich steigender Nachfrage, vgl. z.B. hier.
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