Natürlich geht es bei Marianne Rosenberg mit 52 Jahren etwas ruhiger zu als bei Juli oder The BossHoss. Die stets distanziert wirkende Frau singt ihre alten Hits, interpretiert Songs von Rio Reiser wie "Junimond" und lässt junge Männer auf der Bühne zu ihrer Musik tanzen. Alles dreht sich bei ihr um Liebe. "Seit 30 Jahren werde ich nicht müde, über die Liebe zu singen", erzählt sie dem Publikum. Etwas müde kommt sie trotz dieser Worte daher.Die Märkische Oderzeitung fasst das achte Stadtfest in Eisenhüttenstadt wirklich üppig zusammen und deckt unter anderem in dem Bericht zu Marianne Rosenberg die Grenzen des Tanztums auf:
Und tatsächlich scheint es so, dass die Eisenhüttenstädter nach zwei durchtanzten Nächten nicht mehr wirklich Willens sind, guter Musik und wunderbaren Texten zu lauschen. Die meiste Zeit stehen sie eher artig vor der Bühne und warten - auf was, wissen sie selber nicht.Auch Anette Vierling, Gewinnerin des Stadtfest-VWs ("Samstagfrüh griff in Ziltendorf dann nicht etwa Annette Vierling zum Kugelschreiber, sondern ihre Tochter Astrid - ein Schicksalsmoment(sic!)" - Märkische Oderzeitung ), hielt nicht bis zum Ende durch:
Nach drei Stadtfesttagen hatte die Ziltendorfer Familie auf die Musik von Marianne Rosenberg am Sonntagabend verzichtet. "Wir waren einfach kaputt", sagt Annette Vierling. Tochter Astrid war kurz vor dem Einnicken, als sie das Telefon wieder hochschreckte. Am anderen Ende: Roberto Rivera Carlson von der Agentur "artecom", der ihr zum neuen Auto gratulierte. "Ich dachte, da veralbert mich jemand", sagt Astrid Vierling.Am Samstag schien dagegen noch alles in Ordnung:
Hier stimmte von Anfang die Chemie zwischen Musikern und Zuhörern. Man könnte auch sagen: Juli und Eisenhüttenstadt lagen auf einer Wellenlänge.Wenn auch die üblichen Wermutstropfen in den Sektkelch der guten Stimmung tröpfelten:
Roberto Rivera Carlson, Leiter der Veranstaltungsagentur "artecom" denkt, dass inklusive der letzten Partynacht die 250 000-Besuchermarke erreicht werden kann. Was ihn einerseits erfreut, andererseits alarmiert, denn das Sicherheitskonzept muss angesichts der Größe, die das Fest angenommen hat, überarbeitet werden.Ansonsten gab es ein paar volksfeste Rüpeleien ("Da lag ein 18-Jähriger bewusstlos vor dem "CineStar". Er wurde von Jugendlichen zu Boden geworfen und getreten. Mit einer Gehirnerschütterung kam er ins Krankenhaus.") inklusive Reifenschlitzerei auf dem Zentralen Platz, was aber nicht als "nennenswert" eingeschätzt wird. Und dies obwohl am Freitagabend "Jesus" (meint jedenfalls Trancepapst-Kenner Jan Weinberg aus Arensdorf bei Berlin) in Gestalt des mutmaßlich weltbesten Diskothekers auf Erden, der dies nach Aussage kritischer Beobachter jedoch gut verbarg, "peitschende Elektro-Klänge" in der Innenstadt erklingen lies. Nach dieser technomusikalischen Bergpredigt ("Ich will die Leute dazu bewegen, sich zu bewegen", Paul van Dyk) meint ein von Logik etwas abgedrifteter René Friedrich, der die Reise durch das Universum der Elektromusik eng umschlungen mit seiner Freundin genießt: "Es zeigt, dass Leute es auch schaffen können, wenn sie nicht in einer Metropole geboren wurden".
"Ein Problem, das wir in den Griff bekommen müssen, ist das der Bierflaschen", sagt er. Dabei wird an den Ständen gar keine Flaschenware verkauft. "Vor allem Jugendliche kommen mit ganzen Bierkästen oder bringen sich ihre Getränke in Rucksäcken mit."
Vergessen ist dabei, dass der sympathische Tontüftler und Bildschirmmusiker seit früher Kindheit in Ostberlin beheimatet war.
Ein lebenslanger Aufenthalt in Eisenhüttenstadt mit Auflegeaufträgen im Trockendock und später im Spektrum, hätte - so die Hypothese - Paul van Dyks Karriere vielleicht nicht ganz so beschleunigt, wie die Sessions in der Metropolentänzerei E-Werk. Die Aussage selbst bleibt selbstverständlich richtig, obschon der Geburtsort relativ wenig mit dem Erfolg zu tun hat, wie die Beispiele anderer deutscher Kulturgrößen - Piet Klocke (geboren in Emmerich), , Sven Väth (geboren in Obertshausen) oder Thomas Gottschalk (geboren in Bamberg) - zeigen. Paul van Dyk geht dennoch mit dem Kult um seine Herkunft erfrischend locker professionell um.
Und was machen eigentlich die Plakatstars dieses Sommers?:
Die zwei können sich durchaus vorstellen, in der Region zu bleiben. "Ich finde ja, Hütte wird durch den Stadtumbau immer schöner", sagt der angehende Immobilienkaufmann. Nur ein paar mehr Plätze, wo Jugendliche abends hingehen können, die müsste es hier geben. Da sind sie sich einig. Schließlich ist nicht jeden Tag Stadtfest, wo ganz "Hütte tanzt".Nach den eingangs zitierten Aussagen, würden die Eisenhüttenstädter dies auch gar nicht durchstehen. Und dann auch noch das:
Sie liefen und liefen und endlich erreichten sie den Bahnhof Eisenhüttenstadts. Dort angekommen durchfuhr sie jedoch ein Schock. Sämtliche Auswege aus dieser verfluchten Stadt schienen verriegelt zu sein. Die lange erschien für sie hoffnungslos.
Kommentare