Mangelnde Recherche ist auch eines gutes Textes Henker. Diese journalistische Binsenweisheit, die sich mit wenig Aufwand nahezu täglich bei Berufsschreibern aller Qualitätsmedienstufen einstellt, trifft leider auch diesmal uns und unsere Ausführungen zu den Ausführungen Joachim Bessings in der WELT. Denn die Verwunderung über und auch das Lob der originellen Verknüpfung von Bregenzer Wald und Eisenhüttenstädter Tristesse zerbröselt in der retrospektiven Wochenlektüre der Zeitung mit dem blauen Globus wie ein altes Éclair unter der Kuchengabel. Joachim Bessing rechtsgescheitelt und recht gescheiht macht professionell das, wovon viele Journalisten mit vielen Bloggern gemeinsam haben: Sie leben und schreiben darüber. Und zwar chronologisch, erklärt subjektiv und auf den ersten Blick ohne einen höheren Anspruch, als dem Notizbedürfnis und im journalistischen Fall im Rahmen eines Zuliefervertrags zu einem etablierten Medium. Das setzt die Berufsbeobachter auch unter einen gewissen Leistungsdruck.
So gelten die journalistisch-professionellen Inhalte natürlich als per se auf einer höheren Bedeutungsstufe zu lesen. Den im Gegensatz zu den vielen bloggenden Autodikaten, verfassen hier Autoren, die ihr Handwerk gelernt und zu verkaufen gelernt haben ihre Weltschnipsel, eine Redaktion macht ein sorgfältiges Lektorat, prüft die Fakten gegen und steht im Zweifelsfall dafür gerade, wenn etwas nachträglich zu korrigieren ist. Die erklärtermaßen subjektive Perspektive der Zeitungsblogs delegiert die redaktionellen Aufgaben weitgehend die Autoren selbst zurück. Die Redaktion ist nur noch Verwalter und schreitet im besten Fall dann ein, wenn es zu wild läuft. Dass dies möglichst selten passiert, dass also kein journalistischer Blogger gegen das Leitbild des Zeitung maßgeblich verstößt, wird durch die feine und genaue Auswahl der Autoren gewährleistet. Gleiches gilt für die formale Qualität.
Daraus erwächst diesen Medien automatisch in einen höhere Position, als sie jemals beispielsweise ein kruder, nebenbei hingewürfelter Place-Blog wie dieser erreichen könnte. Wenn er es denn wollte. Manchmal wird diese Position allerdings fragwürdig, wie man aktuell am Beispiel der in Hinblick auf die Funktionsweise der medialen Parallelwelt "Blogosphäre" anscheinend völlig naiven Taz-Journalistin Eva C. Schweitzer sieht, die sich - ob mit berechtigtem Hintergrund oder nicht - zum Klops der Woche hoch- bzw. mit bemerkenswerter Blasiertheit niederschrieb. Das Problem liegt nicht mal im mutmaßlichen Urheberrechtsverstoß sondern in der partiellen Weltfremdheit der Journalistin, die nicht bedenkt, was in Blogs normalerweise geschieht, wenn man das hohe Roß der eigenen Publikationsgeschichte als Distinktionsmittel ins Spiel bringt. Wer den Finger hebt und ruft: "Hört ihr Hobbytexter in den Blogs, ich bin Journalistin und gönne euch mal euren Spaß, könnte aber auch anders, wenn ich wollte." präsentiert vor allem seine Kommunikationsschwäche in informellen Webmedien. Im Jahr 2009 hat man als professionelle Journalistin kaum mehr eine Entschuldigung für eine solche Lücke in aktiver Medienkompetenz.
Mit Joachim Bessing eint sie zunächst nur, dass sie Erlebnisberichte ähnlicher Textsorte produziert - also professionell bloggt - und mich beide Fälle diese Woche beschäftigten. Aus beiden kann man etwas sehr gut über das Funktionieren der Medien lernen - im Fall Eva Schweitzer mit großem und im Fall Joachim Bessing mit kaum mehr als unserem Resonanzboden.
Wer die Paris Bar liebt und sich dennoch nach Eisenhüttenstadt begibt, darf kein Cookies Cream erwarten - auch wenn mancher Zugang so aussieht - sondern sollte sich warm anziehen. Um halb drei Uhr am Nachmittag - siehe das obige Dokument - flaniert man mitunter schon an der Frostgrenze.
["" vollständig lesen »]
Kommentare