Weil das Thema Kleingärtnerei hier im Vergleich zur gefühlten Bedeutung in der Stadtbevölkerung viel zu kurz kommt, möchte ich eine eben entdeckte Passage zitieren. Denn erstaunlicherweise sollte es in der jungen Stalinstadt gar keine Klein- und Schrebergärten geben:
Stalinstadt brauche keine Kleingärten als "Lungen der Stadt". Hier gebe es "keine stickigen und dunklen Hinterhöfe, keine engen Straßenschluchten, sondern Licht, Luft und sehr viel Grün ... Die Kleingärten in der heute noch bestehenden Form sind ein typisches Produkt des Kapitalismus ...,dort ein Notventil für die unter unerträglichen ökonomischen, hygienischen und sozialen Verhältnissen lebenden Arbeiter, Arbeitslosen und Exmittierten ...In der DDR haben wir noch genug Trümmer zu beseitigen, die uns der Hitler-Faschismus als trauriges Erbe hinterließ...Auch die alten Kleingärten mit ihren Notwohnungen und ihren vielen Schattenseiten sind nicht mit einem Schlage umzugestalten. Aber wo neu gebaut wird, wo neue Städte geschaffen werden, muß von vornherein ein neuer Geist ...regieren." (Der Kleingärtner, 6 (1954), S.14)
So zitiert es Isolde Dietrich in ihrem Buch Hammer, Zirkel, Gartenzaun. Die Politik der SED gegenüber den Kleingärtnern. (Berlin, 2003. S. 112). Als Substitut sollte in der Neubaustadt ein modernes Gartenbaukombinat inklusive eines "Zentrums für Gartenkultur" die gärtnerischen Bedürfnisse der (im) Werk()tätigen befriedigen, die sich aber letztlich doch lieber auf der eigenen Scholle engagierten, was zeigte, dass auch hier der Kapitalismus das - was die Grundverfassung des Menschen angeht - überlegene System war. Und daher wurde am Stalinstadtrand wild losparzelliert, was der Spaten hergab und letztlich blieb der Stadtverwaltung - wir wissen es alle - nichts anderes übrig, als Kleinbei zu geben und den gartenkulturellen Anspruch, der jeden gärtnerisch Interessierten hätte in die öffentliche Grünflächengestaltung miteinbeziehen wollen, zu verwerfen. Ob dies daran lag, dass sich das Hüttenkombinat letztlich doch auch als Raucherlunge der Stadt erwies (z.B. bei Wind aus Nordost), nicht genug Gurken und Tomaten in den HO-Verkaufsstellen lagen oder letztlich auch in der Kollektivgesellschaft das kleine Eigene die Vormachtstellung vor dem großen Ganzen behielt, ist heute schwer zu beurteilen. Vermutlich war es eine Mischung aus diesen und anderen Gründen. Der Kleingarten galt in der DDR jedenfalls bald als Prestigeobjekt und wurde häufig auch entsprechend geschmacklos mit allerlei Zierrat und als hohlblocksteinerner Zweitwohnsitz mit gepflasterter Parkbox für den Wartburg ausgebaut. Der Nutzgartengedanke war dabei nicht selten bald sekundär. Aber selbstverständlich gab es auch die ernsthaften Gartenfreunde und so fanden sich in den Sparten Kleingeister und Kleingärtner Zaun an Zaun in trauter Abwendung vom Traumbild einer überlegenen sozialistischen Stadtgesellschaft.
Und heute? Nun, in einer Zeit, in der das Licht-und-Luft-und-Grün-Niveau z.T. wieder den Stand der 1950er erreicht und ein gehöriger Reifungsprozess durch die beschubkarrte und heckengescherte Bürgerschaft gegangen ist, fragt man sich, ob man in den neuen Brachen nicht die alte Idee einer übergreifenden Grünkultur reanimieren und ein großes Gartenparadies schaffen könnte.
Bzw. - um mal zu klotzen - die Landesgartenschau dorthin holen könnte, wo einst der VII. stand. Das wäre doch mal etwas. Gärtner, hört die Signale! (Oder wie es angesichts des Ecklokals in Schönfließ hieß: Brüder zur Sonne zum Trinken...)
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