Jan C. Weilbacher liefert in der Dienstagsausgabe der Märkischen Oderzeitung unter der Überschrift Ein Ende ist nicht in Sicht eine kleine und sehr lesenswerte Reportage aus dem agitproperen Herz der Lindenallee. Vor dem Friedrich-Wolf-Theater versammelten sich gestern - man lese und staune - 150ten Mal die Eisenhüttenstädter Montagsdemonstranten, was immerhin auf eine außergewöhnliche Standhaftigkeit schließen lässt. Allerdings blitzt zwischen den Zeilen des Textes all zu deutlich durch, dass Übung anscheinen nicht unbedingt im Bereich der Sangeskunst zur Meisterschaft führt, was man aber einfach so hinnehmen, denn natürlich geht es den zwei Dutzend tapferen Demonstranten um anderes als Wohlklang. Das wiederum dürfte den mehr oder minder tapferen zwangsläufig zum zuhören gezwungenen Anwohnern mittlerweile zum einen Ohr hinein und zum anderen, nach kurzen und intensiven Zwischenstopp, wieder hinaus quellen. Ein Beispiel ist die Heilpraktikerin Carmen Sylvia Rahn:
Hartz IV ist aber nicht mehr das einzige Thema auf den Montagsdemos. Vor rund 25 Teilnehmern wurden auch gestern zwischen kreativen, aber schmerzhaft schräg gesungenen Liedern nicht nur Themen zur Sozial- und Arbeitspolitik angesprochen.
"Das geht an die Schmerzgrenze", sagt sie. Bei der geringen Anzahl an Leuten empfinde sie den Lärmpegel als unangemessen. Die Demos würden sich auf ihre Arbeit auswirken, sagt sie. So könne sie eine Akupunktur bei Patienten zu dieser Zeit gar nicht mehr durchführen, weil dazu RuheSo wirkt diesem Fall eine Demonstration für Arbeit subjektiv drastisch gegen Arbeit und die Sensibilität, die die Montagssinger für alle möglichen gesellschaftlichen Themen einfordern, kollidiert mit der Sensibilität,die die Heilpraktikerin den privaten Befindlichkeitsirritationen ihrer Kundschaft entgegenbringen möchte. So sind wir wieder an dem Punkt, an dem kollektives und privates Interesse nicht unter einen Hut passen. Es entbehrt der berühmten Ironie nicht, dass sich ausgerechnet jemand wie mit 1000 Nadelstichen gemartet fühlen muss, der mit größter Freude gerade in diesem Moment diesselben setzen möchte. So wie es aussieht heißt es allerdings in der Heilpraktikerei eher (soviel Kalauer muss sein) Montag "Ruhetag", als das das Fähnlein "Montagsdemo" die Segel streicht...
herrschen müsse. Auch bei den Gesprächen mit den Patienten, in denen häufig sensible Themen angesprochen würden, sei es störend.
Leider nicht so richtig mitreissend ist die Bildergalerie der MOZ zur Abiturfeier des Oberstufenzentrums ausgefallen. Wer dabei war, wird sicher gern durchklicken. Aller anderen fragen sich vor allem, warum man die Aufnahmen in einer Qualität präsentiert, bei der die Gesichter aus wenig mehr als einer Handvoll hellen Pixeln bestehen und daher viel breiiger erscheinen, als sie in Wirklichkeit (hoffentlich) sind. Man wünschte sich, dass sich die Zeitung der Stahlarbeiterstadt in diesem Fall den deutschen Verleihtitel eines der großen Stahlarbeiterfilme des vergangenen Jahrhunderts vielleicht einen Tick mehr zu Herzen nimmt: Ganz oder gar nicht.
Was die Montagsdemonstraten der Stadt für sich erhoffen, ist für die Eisenhüttenstädter Wohnungsverwaltungsgesellschaften keine Option. Sie lassen ihre Stahlbetonbestände lieber nach dem "full monthy"-Prinzip des Stadtumbau Ost-Programms von schwerem Abrissgerät perforieren. Aktueller Hauptschauptplatz: An der Holzwolle. Deshalb stammt unser Bild des Tages auch genau aus dieser Ecke der Stadt. Damit so richtig der süße Wind der Nostalgie aufkommt, haben wir eine Aufnahme gewählt, die so verfärbt daher kommt, als stamme sie aus einem Fotobildband der 1970er Jahre. Damals gab es die Holzwolle-Siedlung aber noch gar nicht und in einigen Wochen werden die beiden im Bild befindlichen Blöcke auch nicht mehr sein. Wie schnell sich die Zeit doch manchmal vergeht..
Foto: ehstiques bei Flickr
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