Einträge von Alf
Wo ist das und was?
Klabund: Man soll in keiner Stadt
Man soll in keiner Stadt länger bleiben als ein
halbes Jahr.
Wenn man weiß, wie sie wurde und war,
Wenn man die Männer hat weinen sehen
Und die Frauen lachen,
Soll man von dannen gehen,
Neue Städte zu bewachen.
Läßt man Freunde und Geliebte zurück,
Wandert die Stadt mit einem als ein ewiges Glück.
Meine Lippen singen zuweilen
Lieder, die ich in ihr gelernt,
Meine Sohlen eilen
Unter einem Himmel, der auch sie besternt.
[Klabund: Morgenrot! Klabund! Die Tage dämmern!, S. 15.]
Never Mind The Alexploited - Here's The Alex Pistols!
In einem Dorf wohnten zwei Männer, die denselben Namen hatten. Beide hießen Klaus.
(Hans Christian Andersen: Der kleine und der große Klaus)
Guter Bog, dachte ich, er ist auch ein Alex.
(Anthony Burgess: Clockwork Orange)
O meine Brüder und Schwestern, lasst euch erzählen von einer Zeit, da es sich begab, dass ich Mitglied einer gefürchteten Punkband war. Ihr mögt vergessen haben, wie diese Zeiten waren, wo sich heutzutage alles so skorri verändert und die Leute schnell vergessen und auch nicht mehr viel Zeitung gelesen wird.
Ich wuchs in einer "sozialistischen" Arbeiterstadt auf und wohnte zu dieser Zeit in einem Blog Block in der Friedrich-Engels-Straße 12a. Durch göttliche Fügung ergab es sich, dass all meine Freunde, deren Vertrauen ich gewann, ebenso wie ich auf den schönen Namen Alexander hörten. Wir trafen uns stets bei einem von uns Zuhause, um zusammen die gute Fruchtmilch zu trinken und mitgebrachten Platten von Beethoven, Mozart oder Mussorgski Gehör zu schenken. Dies war sehr gefährlich, O meine Brüder und Schwestern, denn klassische Musik wurde von staatswegen nicht nur als dekadent und verwerflich angesehen, sondern galt auch als vollkommen bürgerlich.
Unser gegenseitiges Interesse für die schönen Künste, namentlich Musik und Dichtkunst, führte zu dem gemeinsam getragenen Entschluss, eine Punkband zu gründen. Die Melodien hierfür wollten wir ebenso wie die Texte selbst schreiben. Wir übten heimlich im Kohlenkeller der elterlichen Wohnungen und nannten uns aufgrund unserer Namensgleichheit The Alex Pistols. Und so war die Aufgabenverteilung: Alexander B. spielte Bratsche, Alexander K. übernahm den Kontrabass, Alexander W. und ich besetzten die erste bzw. die zweite Geige, und Alexander S. versuchte sich als Sänger.
Während unserer Proben betranken wir uns immer mächtig mit Fruchtmilch, denn die enthielt verboten viele Vitamine und obendrein noch Kalzium. Wir hatten dabei das untrügliche Gefühl, die Fruchtmilch würde mehr aus uns herausholen als jemals drinsteckte. Unser Zusammenspiel verbesserte sich durch deren Einnahme auf eine Art und Weise, die fast schon auf Telepathie hindeutete, O meine Brüder und Schwestern. Auch spornte mich der Genuss von Fruchtmilch zu einem virtuosen Geigenspiel an, in Variationen, die nahezu göttlich inspiriert anmuteten.Unsere erste Eigenkomposition war auch unsere erfolgreichste und orientierte sich an der "Ode an die Freundin" aus der Neunten Sinfonie des guten alten Ludwig van. Wir tauften unsere Komposition in pubertärer Begeisterung einfach mal "Seid umschlungen, Melonen". Hier die erste Strophe: (Die komplette Story gibt es im Logbuch Stahlinstadt)Kinder der Stadt: heute Katja Schwab
Heino, Deutschlands volkstümlicher Sonnenbrillenträger, behauptete einst in einem seiner fragwürdigsten Schlager: "Ja, ja, die Katja, die hat ja Wodka im Blut, / Feuer im Herzen und die Augen voll Glut." Ich würde eher sagen, die Katja hat der Welt so einiges mitzuteilen und zwar auf die nüchterne Art, denn Katja bloggt und gehört inzwischen zur Liga der Hard Bloggin' Scientists. Während wir in diesem Weblog über mangelnde weibliche Autoren klagen, sind die Damen eben nicht nur hier sondern auch dort.
Katja Schwab, wie die von mir hochgeschätzte junge Dame heißt, verließ mit dem Abitur in der Mappe nicht nur die Schule, sondern obendrein gleich auch noch die Eisenhüttenstadt, um in Berlin Psychologie zu studieren. Einige Kostproben ihres mittlerweile erworbenen Wissens tut sie dem interessierten Leser in ihrem Psychologieblog kund, in dem ich neulich auch mal eine kleine Anekdote nachlesen konnte, die sich in Eisenhüttenstadt und laut meinen Recherchen bei der "verlässlichen Quelle" (Anführungszeichen da es sich um ein Zitat handelt und nicht um Ironie!) wirklich so zugetragen hatte. Der Eintrag widmet sich der auf den ersten Horch etwas exotisch klingenden und dennoch hochaktuellen Thematik: "Ein misslungener Verkaufsversuch, der im Machtkampf endet… oder warum nicht jeder ein geborener Callcenteragent ist."
Die Anekdote beginnt hier: "Das folgende Gespräch beruht auf einer wahren Begebenheit aus verläßlicher Quelle. Telefonat vom 2.11.2006 gegen 17.10 Uhr, Eisenhüttenstadt, Deutschland. Telefon klingelt." und endet dort.
Der Obelisk oder: Asterisk und Obelisk
Sehr verehrte Blogsberge! Der neue Monat ist fast schon wieder zweistellig, höchste Eisen(hüttenstadt)bahn also, ein neues Motiv des Monats festzulegen. Nachdem Blogwart Ben als Initiator dieser recht ansprechenden Idee dafür sorgte, dass der Bahnhof Eisenhüttenstadt im goldenen Monat Oktober in ein neues Licht gerückt wurde, möchte ich nun den Obelisken auf dem Platz des Gedenkens zum Motiv des Monats November erklären. Der Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft gehört zum ältesten Stadtareal der Neustadt an der Oder, hier wurden die allerersten Häuserblogs Häuserblocks errichtet.
Wer nun bei dem Obelisken in Gedenken an die gleichnamige Kurzerzählung von Vladimir Sorokin laut mit irgendwelchen darin enthaltenen Schweinereien herausplatzt, der sei daran erinnert, dass in dieser Geschichte lediglich ein Roter Stern auftaucht, ein Obelisk – wie der Titel leicht vermuten lässt – jedoch nicht.
Im vormaligen Stalinstadt ist das anders: hier gibt es sowohl einen Obelisken als auch einen Roten Stern, denn letzterer krönt ersteren. Der Obelisk fungiert hier als Platzhalter – wie ein Asterisk (*) –, denn er steht für etwas anderes: Der Obelisk soll uns nachfolgende Generationen an die gefallenen Soldaten der Roten Armee erinnern, die Ostdeutschland 1945 von der braunen Soße befreit haben und die in der als Zweiten Weltkrieg bekannt gewordenen Riesenschweinerei ihr Leben lassen mussten. Einige von ihnen sind auf dem Platz des Gedenkens beerdigt. Auch aus diesem Grunde sei der Obelisk das Motiv des Monats November. *Zur Mahnung. *Zum Gedenken. *Als ein Zeichen gegen Krieg.
Bitte flickert eure Bilder und stattet sie mit den folgenden Tags aus: Eisenhüttenstadt, Obelisk, Platz des Gedenkens, Platzhalter, Ehrenmal. Ein paar Obelikse gibt es auch hier.
Neu entdeckte Artefakte der Stadtmusikanten
Die Musikgeschichte der Stadt muss neu geschrieben werden, neue Hör-Geräte sind aufgetaucht! Doch immer schön der Reihe nach.
Jüngst weilte ich in der Stadt, die wir alle gut kennen, um dort den Obelisken auf dem Platz des Himmlischen Friedens (manche nennen ihn auch Platz des Gedenkens) zu fotografieren. Allerdings neigte sich die liebe Herbstsonne bereits dem Horizont zu, als ich erst am Bahnhof Eisenhüttenstadt ankam. Um ins Stadtzentrum zu gelangen, musste ich also noch den Bus des EPNV benutzen, der zuvor noch eine kleine Stadtrundfahrt durch die schon abgerissen oder noch abzureißenden Wohnkomplexe vollführte. Der Busfahrer schien gerade Sten Nadolnys "Entdeckung der Langsamkeit" gelesen zu haben und während der Fahrt darüber zu sinnieren, denn der Bus rollte in gemütlicher Schrittgeschwindigkeit über das Straßenpflaster. Je langsamer der Bus fuhr, desto schneller ging die Sonne unter.
Als ich dann endlich am Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft ankam, war mir ganz und gar nicht nach Freundschaft zumute und ans Fotografieren war auch nicht mehr zu denken. Da vernahm ich plötzlich von irgend woher Geräusche in dieser ansonsten so leisen Stadt. Das kommt doch aus der Lindenallee? dachte ich verwundert. Randalierer? Demonstranten? Ich fuhr meine Ohren aus und bewegte mich auf die Quelle des von den Häuserwänden reflektierten und gebrochenen Geräuschs zu. Langsam konnte ich es identifizieren, es handelte sich um ein altbekanntes Arbeiter- und Kampflied, welches seinerseits von der Solidarität handelt:
"Vorwärts und nicht vergessen, worin unsere Stärke besteht. Beim Hungern und auch beim Essen, vorwärts und nicht vergessen: die Solidarität!"
Eine kleine Gruppe von Menschen stand vor der Treppe vom Friedrich-Wolf-Theater, fünf oben, zehn unten, und sang begleitet von einem fähigen Gitarrero zusammen das Solidaritätslied von Bertolt Brecht, welches ich zuletzt gehört habe, da lebte Erich Honecker noch. Die Montagsdemo!!! Und alles live! Ein paar Jugendliche saßen etwas abseits und betrachteten die ganze Verantstaltung wie eine Fernsehsendung - als kleine Ablenkung vom tristen grauen Alltag.
Nun habe ich entdeckt, dass es weitere dieser live eingespielten Stücke bereits im Netz gibt, und zwar hier: www.aktion-montagsdemo-eh.de/downloads.htm.
- Montagsdemolied (mit etwas demolierter Stimmung): lädst du hier!
- Ihr Leute: lädst du hier!
- Du hast ja ein Ziel vor den Augen (und kein Brett vor dem Kopf): lädst du hier!
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