[...] Aber warum ist der Männeranteil bei Gewaltdelikten so hoch?So der Psychologe Klaus-Peter Dahle vom Institut für Forensische Psychiatrie der Charité - Berlin jüngst im Gespräch mit dem Wissenschaftsmagazin der Freien Universität Berlin. (fundiert, 1/2007, S. 101)
Dahle: Die Erklärungsmodelle reichen vom Hormonhaushalt bis zur Sozialisation. Einmal wird das Testesteron für Aggressivität verantwortlich gemacht, dann die Tatsache, dass die erste Bezugsperson ein anderes Geschlecht hat, also die Mutter. Dadurch gibt es in Identitätsentwicklung mehr Probleme. Da gibt es ein ganzes Bündel an Hypothesen.
Wir zitieren diese etwas schwammige und damit vermutlich der Realität nah kommende Analyse der Wurzeln in Hinblick auf eines der zwei sehr gegensätzlichen und doch polizeilich relevanten Ereignisse, die die aktuelle Presseberichterstattung zu Eisenhüttenstadt bestimmen: das allgemein nicht sehr freundlich und in einem Fall auch direkt verletzende Verhalten ausgewählter Anhänger des Frankfurter FC Viktoria 91 beim Verbandsligaspiel am vergangenen Samstag: Festnahmen und Platzverweise vor und nach Fußballspiel (Märkische Allgemeine Zeitung) sowie der Bambi-Effekt der Fundrehkitze:
Für zwei Rehkitze haben Polizeibeamte am Wochenende im Landkreis (Oder-Spree) eine Bleibe gesucht. Die Jungtiere waren von Spaziergängern in Neu Zittau und Bremsdorf gefunden und zu den Polizeiwachen in Eisenhüttenstadt und Erkner gebracht worden, berichtete die Polizei am Montag. (Berliner Morgenpost)Beide Tiere wurden am Ende doch erfolgreich in menschliche Obhut übergeben, nachdem es für ein Exemplar lange nicht nach einem guten Ende aussah.
In der Märkischen Oderzeitung, Regionalteil Eisenhüttenstadt, erfahren wir etwas ganz anderes:
Mehr als hundert Senioren ließen sich im unangenehm heißen TheaterQuartier zum Beginn der diesjährigen Brandenburgischen Senioren-Woche in Eisenhüttenstadt vom Entertainer Dietmar Härtel unterhalten.Ein Drittel der Eisenhüttenstädter Bevölkerung fält mittlerweile in die Altersklasse 60+, wobei diese Zahl deutlich den Trend der Wrinkling City betont. Addiert man die Zunahme der, wie man politisch korrekt sagt, Chronologically Gifted zum allgemeinen Trend des Shrinkings, bleibt für eine lebendig anmutende Stadt nur die Hoffnung, dass es sich den so genannten Third-Agern vorwiegend um Woopie (well-off older person), Yeepies (youthful energetic elderly people) und vielleicht auch Sippies (senior independent pionieers), welche dann die Rolle der im Mai vom Regionalforscher Ulf Matthiesen (64!) im Tagesspiegel-Interview eingeforderten Raumpioniere zur Reanimation der brandenburgischen Abzugsgebiete übernehmen könnten. Wir brauchen also die so genannten OPALs (Older People with Active Lifestyles) und derer gibt es, wie uns der Artikel informiert, einige in der Stadt, die womöglich - nicht zuletzt auch angesichts des schön warmen Klimas im Jahresmittel - ihre Chance in einer "Floridarisierung" der (dann ehemaligen?) Stahlarbeiterstadt sehen kann. Wichtig ist natülich auch hier, dass überwiegend Wellderlies einwandern ("healthy, wealthy, wise") und neuen Schwung in die einsamen Straßen bringen. Dietmar Härtel hat es zurecht festgestellt: "Sie sind eine Macht." und der Begriff "Gray Power" datiert immerhin schon zurück in die 1970er Jahre.
Eisenhüttenstadt, so der Beitrag, ist schon recht seniorenfreundlich. Nur der Lärm bleibt in manchen Ecken als Störfaktor:
"Die Lindenallee und die Straße des 8.Mai nannte er [der Seniorenbeirat] als Beispiele."
Flickr-Fotograf x* gelang diese Aufnahme eines vorbeieilenden älteren Stadtbewohners in einem Stadtgebiet, das keine direkte Zukunft im Bereich "altersgerechtes Wohnen" vor sich hat.
Das finden wir weiterhin schade, auch wenn die Abrissbefürworter jetzt wieder ausrufen werden: "Oh je, immer die alte Platte!"
Janet Neiser hat sich ebenfalls für die MOZ ganz anderem Lärm ausgesetzt und zwar im Reich der "Lendchen und Schenkel", wobei es nicht um die Sauna-Clubs geht, für die wir im Nachtprogramm vom Jazz-Radio immer so liebevoll gemachte Werbejingles hören können:
Klatsch! Wieder landet ein Stück Schnitzel in der silbernen Metallwanne, schliddert über einen rosa Fleischteppich und bleibt in der linken Ecke liegen. Klatsch! So geht das in einer Tour. Fleischer Uwe Friedrich hört diesen Ton gar nicht mehr. Im Minutentakt lässt er weiße Fettpartikelchen von den Frischfleischbrocken, teilt sie und befördert die Portionen mit Schwung in die Wanne. Klatsch!So geht es zu in der Fleisch- und Wurstverarbeitung beim Marktkauf Eisenhüttenstadt, "wo etwa 400 Kilogramm Schwein, Rind und Geflügel in der zwei Grad kalten Kühlhalle auf ihren Umzug in die Theke im Ladenbereich warten." Anlass für die Reportage ist der "Gammelfleischskandal", der Anfang Juni das grün-gelbe Einkaufszentrum am Rande der Stadt erschütterte. Immerhin war ein Stück verdorbenes Putenfleisch mit falschem Etikett verkauft worden und hat das Verbrauchervertrauen gründlich erschüttert. Eine Mitarbeiterin des Marktes wurde als Schuldige versetzt und mit dem Blick hinter die Kulissen ist der dicke Kraler im Lack des Supermarktes in der lokalen öffentlichen Wahrnehmung jetzt vielleicht auch wieder entfernt:
"Noch spüren wir keine Auswirkungen im Kaufverhalten", versichert Geschäftsleiterin Margit Paulenz. "Aber wer weiß, was noch kommt."Was ganz sicher an Tagen wie diesem kommt, ist das Hitzefrei an den städtischen Schulen. Blogkollege Andi Leser bringt passenderweise eine schönen Sommerferientext und all die Schüler der Stadt, die jetzt nicht wissen, was sie mit dem frühen Nachmittag anfangen sollen, können schon einmal mit einem Schulaufsatz zum schönsten Ferienerlebnis beginnen - sozusagen als Vorschrift für den Nachsommer.
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