Vor knapp einer Woche hatten wir zwei schöne
EisenhüttenStadtgedichte im Programm. Heute legen wir noch ein weiteres nach, denn die Lyrik der DDR war nicht zuletzt reich an Dichtung, die den Aufbau der sozialistischen Stadt beschwor. Das kleine Lied, 1987 erschienen, welches uns heute in diesen schönen Aprilabend geleiten wird, wirkt wie eine Rückschau auf die Aufbruchszeit in der frühen zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Geschrieben hat es die Oktoberklubberin und bekannteste und nicht zuletzt auch umstrittene DDR-Lyrikerin
Gisela Steineckert, die zwar in Berlin beheimatet war und ist, in ihrem Text "In der Stadt" aber die Worte so setzt, dass sie beinahe zwingend auf die Stadtentwicklung Eisenhüttenstadts passen:
In der Stadt
in der ich Kind war
gab es lauter neue Häuser
und die Bäume standen kaum das zehnte Jahr
Und die Leute
die dort wohnten
waren jünger als woanders
kriegten ihre Kinder
schafften sich was an
Ich hab gedacht
ich muß raus da
jeden Frühling, Sommer, Herbst und Winter
ich wollte Felder sehn und Wälder
war vom Straßenlärm so satt
ich wollte immer raus ins Grüne
und gehör in eine Stadt
In der Stadt
in der ich Kind war
gabs die ersten jungen Sträucher
lustig neue Brunnen
Tulpen gabs sogar
Doch die Bagger
gruben weiter
und die Häuser sahn sich ähnlich
wurde immer lauter
in der großen Stadt
Ich hab gedacht
ich muß raus da
jeden Frühling, Sommer, Herbst und Winter
ich wollte Felder sehn und Wälder
war vom Straßenlärm so satt
ich wollte immer raus ins Grüne
und gehör in eine schöne
gutgebaute unverwechselbare Stadt.
Steineckert, Gisela: Laß dich erinnern. Berlin: Verlag Neues Leben, 1987, S. 121
Wer denkt hier nicht sofort an die frühen 1960er, an den Brunnenring und all diese Bilder der jüngsten Stadt Deutschlands und dann die Hinwendung zum Großblockbau... Es ist gut vorstellbar, dass die deutlichen Zuzüge mit den Erweiterungen des Stahlwerks die Stadtgesellschaft ähnlich intensiv umgruben, wie es später die massiven Abwanderungen taten und bis heute tun. Allerdings hatte man zur Zuzugszeit ein weitaus klareres Ziel vor den Augen, mit dem man es soweit trieb, dass die Kinder der Stadt die Flucht nach irgendwo - z.B. raus ins Grüne oder in Richtung Westen - erwogen, wobei sie es im ersten Fall dank der landschaftsräumlichen Einbettung der Planstadt zwischen sanften Hügelhöhen und weiten Oderwiesen vergleichsweise leicht hatten und im zweiten nicht nur aufgrund der Lage am Ostrand der Republik äußerst schwer.
Nun rücken die Wiesen dank Stadtumbau sogar noch näher und das, was man Westen nannte, ist in den letzten 18 Jahren sehr in die sozialistische Planstadtstruktur eingedrungen und wo Eisenhüttenstadt halbwegs verwechselbar Plattenbaublock war, ist aktuell unverwechselbare Abrisslandschaft und dort, wo sich Bauherren finden, demnächst verwechselbare Einfamilienhaus-Idylle, mit viel Freiraum nebenan.
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