Was hört man nicht alles über die Bewohner Eisenhüttenstadt, wenn man sich mit Menschen unterhält, die aus größerer Distanz auf den Menschenschlag, dem man gemeinhin in der Straßen der Stahlstadt begegnet, schauen. Sie würden nicht richtig ticken! Ihnen fehlt es einfach an Takt!
Während die erste Aussage schwer zu objektivieren ist, da sie die Erkenntnis des richtigen Tickens, die wohl kaum universal definierbar sein dürfte, voraussetzt, und wohl eher aus einer Verquickung unglücklicher Umstände bei Stadtbesuchen oder einfach Vorurteilen herrühren dürfte, muss man der zweiten Äußerung angesichts des von langer Hand geplanten, vom Initiator exzellent umgesetzten und von der Stadtbevölkerung und besonders der (mehr oder weniger) Eisenhüttenstädter Elite weitgehend ignorierten
Kongress der Futurologen leider zustimmen, sofern man in dieser Angelegenheit überhaupt von Takt reden kann.
Einen Resonanzkörper finden die Aussteller und die Vortragenden hier am denkbar richtigen Ort mit einem denkbar kargen Publikumszuspruch kaum. Vielmehr erinnert der Versuch, zeitgenössische Kunst und stadtutopisches Denken zusammen zu führen und damit einen kleinen Kontrapunkt zur üblichen und beliebten Zerstreuungskultur zu setzen, über weite Strecken an dieses berühmte Rufen im Wald. An mangelnder Publizität kann es nur bedingt liegen - immerhin hat sich die
Märkische Oderzeitung frühzeitig und
sehr lobenswert ins Zeug gelegt.
Durch die ramponierten Räumlichkeiten des Aktivist sind immerhin tatsächlich auch ein paar Menschen geschlendert. Das allerdings zumeist in der Hauptsache aus Interesse am Gebäude selbst und der eigenen Erinnerung, was selbstverständlich durchaus legitim ist und die EWG als Eigentümer anregen sollte, das Haus öfter mal aufzuschließen. Das Gästebuch dagegen blieb ziemlich leer und von der Vorträgen
kann muss man Ähnliches sagen.
Als Grund lässt sich eine Interessenslücke annehmen und irgendwie scheint sich zu bestätigen, dass - abgesehen von dem, was man grob mit "Nostalgie" fassen kann - das Interesse an Eisenhüttenstadt, der Architektur, der Stadtgeschichte und -entwicklung in Gegenwart und Zukunft nicht ganz überraschend eher bei externen Betrachtern zu finden ist als bei den Eisenhüttenstädtern selbst.
Die nicht ganz minimalen Leserzahlen und das einlaufende Feedback dieses Weblogs bieten ein ähnliches Bild: Ein großer Teil der Besucher schneit von irgendwo herein, nur leider nicht aus der Stadt selbst. Immer wieder überrascht dabei, dass die entsprechenden Akteure in der Stadt dieses Potential an fachlich-touristischen Interesse bislang nicht massiver zu nutzen verstehen. Das Bemühen ist durchaus da und ein paar Angebote wie das sehr gelungene Wanderfaltblatt zum Stadtteil Fürstenberg sind zweifellos hervorragend. Aber warum gibt es ein solches Blättchen nicht für die Kernstadt? Auch zum Kongress, der tatsächlich ein paar Übernachtungsgäste in den Ort holt, die sonst nicht und gerade nicht zum Stadtfest oder zu Roland Kaiser bei der EWG gekommen wären, hätte man vielleicht etwas breiter beitragen können.
Umso überraschender, dass am frühen Sonntag nachmittag tatsächlich drei Eisenhüttenstädter bereits eine halbe Stunde vor Öffnung am Aktivisten anzutreffen waren. Allerdings nicht am Portikus, sondern auf der Rückseite auf einem fünf, sechs Meter hohen Kieshaufen stehend, den irgendjemand, der mitdenkt, dort aufschütten ließ. Da standen sie mittendrin im Material, dass ihnen liegt, z.B. gut in der Hand, und ließen Steine in die wenigen noch verbliebenen Fensterscheiben sausen, dass es wahrlich eindrucksvoll schepperte und selbst ein kleines Schauspiel der Destruktionskunst darstellte.
Auf die Bitte, dies zu unterlassen reagierten die Steinknaben übrigens prompt mit sofortigem Rückzug und man kann sich sicher sein, dass die Jungs gar nichts Böses im Sinn hatten. Sie wussten nur eben nicht, was sie tun und ganz sicher auch nicht wo sie tun, was sie tun. Vandalismus setzt Beziehungslosigkeit voraus und wandert man durch den Stadtraum, entdeckt man sehr viele Zeichen, die darauf hindeuten, dass ein nicht geringer Teil der Stadtbevölkerung die Beziehung zum konkreten Wohnort verloren zu haben scheint...
Vielleicht irre ich mich und die Wahrnehmung ist zugespitzt, weil die Kunstliebhaber der Stadt gerade auf Bildungsreise durch die Tate Modern geistern. Womöglich sind - wohlgemerkt
meine, nicht die der Veranstalter! - die Erwartungen an das lokale Publikum zu hoch angesetzt. Eventuell habe ich das Gewebe des - und angesichts der Bevölkerungszahl berechtigt -
Kleinstädtischen, erfüllt von dem Wunsch, endlich privat, eine Stadt wie jede andere und einfach so sein zu dürfen und nicht mehr die "erste sozialistische..." vor sich her tragen zu müssen, für diese komischen Leute, die hereintrampeln aus der Fremde und sich doch nicht für das interessieren, was hier wirklich geschieht, noch nicht richtig begriffen. Richtig, Hartz IV denkt nicht an Planstädte in China. Die Utopisten - nah verwandt mit den Futurologen - wollten all die, die sie befreien wollten, immer nur an neue Ketten legen und seien es die der Tugend...
Ganz sicher zielen die Vorstellungen von Stadt und Stadtgesellschaft in verschiedene Richtungen. Aber manchmal wünscht man sich - hier wie dort - ein paar Berührungspunkte, obschon die, die sich überlegen fühlen, es vielleicht auch sind und regelmäßig postulieren, dass in dem "Assi-Ghetto" bzw. "Industriekaff" an der Oder "Hopfen und Malz" verloren sind und sich nur ein hoffnungslos naiver Tropf bemühen würde, dort auch nur eine halbe Silbe Engagement einbringen zu wollen, das Ganze auch noch gegen den ausdrücklichen Willen der Bevölkerung, die bevorzugt "zwischen Fernsehgerät und Kaufland" pendelt und ansonsten vor allem Kaufkraft und Ruhe haben möchte, bestenfalls mitleidig lächeln.
Man kann sich in solcher Lage vermutlich nur mit Kunst und Romantik retten und bewahrtem Abstand und am Ende häufig die Stadt eigentlich nur ohne die Menschen nehmen. Der Kongress, so wie ich ihn im Verlauf wahrnehme, ist leider vor allem dies...
Nun aber den Ehst-Blues abgeschüttelt und zurück zum Zweckoptimismus! Noch blühen die Blumen am Fließ und noch ist ein anderes Kongresserleben möglich und zwar am nächsten Wochenende beim "Tag des Aktivisten". Dann stellt sich heraus, wie die Stadt tatsächlich
tickt und ob und wo sie Takt hat: Am Samstag wird Franciska Zólyom vom
Institute for Contemporary Art aus dem ungarischen Gegenstück zu Eisenhüttenstadt,
Dunaújváros (ehemals
Sztálinváros, d.h. Stalinneustadt), über eine "Stadt ohne Zentrum" sprechen. Wie eine solche aussehen kann, lässt sich vor Ort leicht prüfen, auch wenn die Route der sonntäglichen
Stadtführung vermutlich das ungebaute Zentrum aussparen wird.
Abseits der Wanderstrecke füllt sich der Aktivist hoffentlich mit Menschen, wie man es sonst nur noch von den legendären Jugendweihefeiern erinnert. Dort steht nämlich von 12 bis 24 Uhr gut Programm inklusive Live-Musik und womöglich sogar Tanz und die Vorstellung des Begleitbuches zum Kongress auf dem Veranstaltungsplan.
Die Bewohner Eisenhüttenstadts sind dabei doppelt aufgerufen: Einerseits sollen sie hingehen und all das genießen und erfahren und wirken lassen, was ihnen gratis, frank und frei dargeboten, ohne dass sie mehr als ihre Körper (hin)bewegen müssen. Der Kongress ist immerhin ein Geschenk an die Stadt, auch wenn es so mancher nicht haben mag. Zweitens sollen sie - falls vorhanden - ein
Metronom im Gepäck führen. Denn tatsächlich geht es u.a. darum, mittels dieser Taktgeber dem Herzschlag der Eisenhüttenstadt nachzuspüren.
Es wäre wirklich schön (und ohne Ironie) - trotz dem angekündigten Partyexodus der lokalen Massen zum
Altstadtfest im nahen Beresinchen (Frankfurt/Oder) - wenn ein gewisser Pulsschlag spürbar wird...
Such-Ergebnisse in Kommentaren
Hallo Alexander, ich habe keine Ahnung, ob du diese Internetseite noch ab und zu besuchst. Aber einen Versuch ist es wert. =) Ich bin der Enkel von Ellen Brosien (81) aus Eisenhüttenstadt, die ...
Es ist 2010 und verdammt lang her, wo die Zeit nur geblieben ist, beantworten die Zeilen in diesem wunderschönen Blog. Zugegeben auch ich habe mich sehr rar gemacht und Bens glühende Feder schafft ...
Sicherlich bin ich nicht Eris´ Sohn. Chancen stehen auch jedem zu. Worum es mir ging war lediglich aufzuzeigen, wie einige Eisenhüttenstädter am Montag aufgewacht sind. Beschäftigt man sich mit ...
..redet mal mit den Menschen. Viele wissen nichts von 8 Jahren Amtszeit und sehr viele gingen schlicht nicht zu Wahl oder machten ihre Stimmzettel ungültig. Alle in dem Glauben, der BM macht es ...
Das OSF weiß, warum der Artikel der Märkischen Oderzeitung verschwand: Landgericht Berlin schaltet sich in Wahlkampfberichterstattung zum Eisenhüttenstädter Bürgermeisterwahlkampf ein. Daher wird ...
Die Märkische Oderzeitung klärt heute eine der Angaben auf: 14 Wohnblöcke sind es, die Gebäudewirtschaft als Plansoll für dieses Jahr festgelegt hat. Die stehen natürlich nicht alle im Kiefernweg, ...
Was ich am Aufmacher in der MOZ sehr interessant finde, ist, dass sich "EKO" nach wie vor tapfer als Bezeichnung für das Eisenhüttenstädter Werk hält. So liest man bereits im Untertitel: ...
Das muss ja nicht unbedingt auf einen Drogenkonsum hinweisen. Auch auf Eisenhüttenstädter Dachböden blühten solche Gewächse oft aus rein zierpflanzlichen Zwecken...Kommentare ()
Jetzt sind Eier weg, wie schade. Ich hatte selbst, bis letztes Jahr, täglich Blick auf sie, da ich dort vor Abrissbeginn noch wohnte. Jeder Eisenhüttenstädter konnte mit dem Begriff "Eierhof" ...
Und das meint der Bürger Meister zur Sparkassen-Ehrung: "Finanziell zahlt sich die Ehrung nicht aus. "Aber es trägt zu einem guten Image bei und wir können mit der Auszeichnung hausieren ...
Wenigstens die Schüler des verschwundenen Fürstenberger Gymnasiums hätten es wissen können, kamen sie doch in einer Reportage des Autors für die ZEIT vor: "Und die Eisenhüttenstädter ...
Hallo Maik Wende, leider können wir Dir in diesem Fall wenig helfen. Vielleicht hilft das Dokumentationszentrum bzw. dessen Leiter Andreas Ludwig weiter. Oder der Weg in die Bibliothek. Sehr ...
Die Märkische Allgemeine Zeitung berichtet in ihrer heutigen Ausgabe über eine Demonstration gegen Sozialabbau in Brandenburg an der Havel. Mit dabei: Die Eisenhüttenstädter Montagsdemonstranten. ...
Die Frage beweist, dass Du Deine Eisenhüttenstädter Well-Pappenheimer (auch bekannt als Wellpappnasen) nicht wirklich kennst. Viele sind - wellpapperlapapp - nun mal hauptsächlich aus Pappe und ...
Bei 64k macht die Seite einfach keinen Spaß. Wie recht Du hast! Wir sind auch immer ein bisschen in der Zwickmühle bei der Gestaltung der Bloginhalte, denn einerseits wollen wir unseren ...
"Schachler will shuttle between Dofasco and Eisenhuettenstadt until a replacement is named at the German plant." - damit dürfte er momentan der Eisenhüttenstädter Pendler mit dem weitesten Weg zur ...
Ich weiß, dass es Unsinn ist, aber für alle, die es interessiert gibt es hier meine persönliche Live Playlist. Und wer mich beim The Smiths hören ertappt und dies hier kundtut, bekommt garantiert ...
Ich bin mit dabei, meine E-Mail habe ich soeben abgeschickt. Ich war auch schon bei myspace.com auf den Präsenzen von Audio88 und KidKabul - und was durfte ich entdecken? KidKabul listet ...
Lieber Andreas Wendt, im Gegensatz zu "Alfie" halte ich mich nicht raus sondern ran und daher gibt es natürlich, wie es sich gehört, eine Replik. Ich freue mich sehr über die Wortmeldung und ...
Das ist natürlich naheliegend, jedenfalls naheliegender als "Hartz aber Herzlich", denn als wirklich offenherzig tritt einem der ostbrandenburgische Durchschnittspassant in der Regel nicht ...
Man mag über André Langenfeld denken, wie man mag. Ich persönlich bin ihm zumindest sehr für seinen Kontakt zu René "Gadget" Pfennig dankbar, denn der zaubert astreine MiXtapes (siehe Link). ...
Auch an diesem Wochenende setzt sich die Traurigkeit des Eisenhüttenstädter Fußballerlebens - wenigstens für die Anhänger des EFC und von Aufbau Eisenhüttenstadt - fort: Der EFC Stahl verlor ...
Hallo Johanna, die allgemeinen Kontaktendaten findet man bei Webseiten meistens im Impressum. Wir sind sehr gespannt, was sich hinter Dir und Deiner Leidenschaft verbirgt. Schreib schnell! ...
Dieser Kommentar ist ein Loblied auf unseren unermüdlichen Heimatforscher Ben K., der durch seine regsame Quellensuche das Leben hier im Wohnblog aktiv bereichert. Wer sich fragt, woher Ben die ...
Statt Bedürfnispyramide könnte man das Bedürfnis nach einer Pyramide wecken, denn Pyramidenspiele kennen viele Eisenhüttenstädter noch aus ihrer jüngeren Vergangenheit, wobei sie dicke Geldquader ...
Wir sind übrigens mittlerweile in der Linksammlung von Thomas Neumann (hier noch weitere Bilder von ihm) erfasst...Oben über Link gehen und im Pull-Down Menü ganz nach unten scrollen.Kommentare ()
Hallo in die Runde, ich sehe es ähnlich wie alf, dass die waren Wurstblätter die genannten sind. Auch die Einstellung bzw. das Verhalten einiger Leser und das notorische sihc aufregen über die MOZ ...
Es ist schon nachvollziehbar, wenn auch überaus verbittert und an vielen Stellen ungerecht pauschalisierend, was der Reisende an einem Wintertag zusammenfasst. Richtig ist, dass man, ohne eine ...
Ach ja, die geliebte Bahn... Sollte es diese Anlage nicht mehr geben, was macht dann der Rest, der nicht unbedingt auf dem Foto abgebildet ist, aber dennoch die Anlage schon seit vielen Jahren ...
... da mein rasender Geltungsdrang mich wieder einmal beutelt, noch dies hier: auf der (eigentlichen) Startseite der EKO-Website, hier: ...
Heiliger Bim-Bam! Ich war gerade auf den Seiten von Torsten Hannig und fühle mich irgendwie an eine TV-Sendung von Eduard Zimmermann erinnert, welche da hieß "Nepper, Schlepper, Bauernfänger". ...
Ich glaube, die meint Ben. ALF, hast du eigentlich Kontakt zu Thor-ALF Bart(h Simpson)? Würde mich ja mal interessieren, was der wie-auch-ben-ex-neuzeller-gymnasiast so treibt.Kommentare ()
Am Ende stands dann doch 0:2 für die Commedia all'improvviso (zu deutsch:*StehGreifKomödie*), die natürlich auch im rechten Moment Mut zur Lücke haben und dann PantAlone vor dem Lehmannschen ...
Da drängt sich doch gleich der Gedanke auf, eine Eisenhüttenstädter Hörbuch-Edition zu starten, in der z.B. der Herr Bürgermeister persönlich Hans Marchwitzas "Roheisen" einliest - das wäre mal ...
Aber, aber. Dass wir Eisenhüttenstädter über sehr viel Kultur verfügen, beweisen doch unsere beiden sehr gelungenen Weblogs. Das meine ich ohne jegliche Tendenz zur Selbstbeweihräucherung. Schaut ...
Olaf und Helmut, die beiden Eisenhüttenstädter Originale. hatte ich schon beinahe vergessen! Ich vermute, dass sie mittlerweile auch zu den bedrohten Arten in der Stadt zählen. Auf jeden Fall ...
Ja, wie immer werde ich dem Eisenhüttenstädter "Rummel" fern bleiben. Er gibt mir ungefähr so viel wie Kartoffeldruck bei Herr Bohne. (Kunstlehrer an der Wilhelm Pieck Oberschule 3) Tja der ...
Du bekommst natürlich trotzdem ein Exemplar - bist halt zu jung für dieses Kapitel dunkle Eisenhüttenstädter Stadtgeschichte... Unter dem "Link" kann man übrigens einen Titel der EP frei und ...
Als Ergänzung: Hinter dem "Link" verbirgt sich eine Impression zum Eisenhüttenstädter Nachtleben aus dem Spätsommer 2002...also aus längst vergangenen Zeiten...Kommentare ()
Tierdressur und Animationsprogramm. Irgendwie dreht sich mir der Magen um. Welch Ereignis! Da kann man bis 24.ooUhr in die Weiten der unglaublichen Eisenhüttenstädter Kosumwelt eintauchen. Das ...