• Zur Suche springen
  • Zum Inhalt springen

Eisenhüttenstadt Blog

Weblog für eine alternative Stadtwahrnehmung

  • Blog
  • Beitragsarchiv
  • Informationen für Autoren
  • Stadtwiki
  • Impressum

Geschrieben von
Ben
in Stadtgespräch
Montag, 28. September 2009
7 Kommentare

Um 01:30 war es amtlich. Es gibt eine Überraschung und der bisherige und langjährige Bürgermeister Eisenhüttenstadts, Rainer Werner (SPD), verliert sein Amt an die Kandidatin der Partei Die Linke, Dagmar Püschel. Damit vollzieht Eisenhüttenstadt wahrlich einen gewagten Schritt ins Unbekannte: Seit 1993 war Rainer Werner ohne Unterbrechung die dominante Persönlichkeit im Rathaus und trotz des turbulenten Wahlkampfes galt er den meisten auch seiner Gegner bis zum Schluß als der sichere Sieger in diesem Duell.




Gestern noch fern gesehen, heute im Mittelpunkt des Interesses: Dagmar Püschel wird in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten, Jahren sicherlich mehr als ein Gespräch führen. Auch die Frage, inwieweit ihr Wahlsieg aus eigener Kraft oder mit Münchner Rückenwind zustande kam, wird sie sich gefallen lassen müssen. Andererseits ist es über den Tag hinaus unerheblich, aus welchen Beweggründen heraus die 8597 Eisenhüttenstädter, die für sie stimmten, dies taten. Wichtiger ist, wie sie die 7507 Eisenhüttenstädter, die für Rainer Werner votierten und die, die keine Stimme abgaben, überzeugen kann.



Man muss die Wechselentscheidung der Eisenhüttenstädter allerdings mehr als Votum gegen Rainer Werner, denn als eines für Dagmar Püschel lesen. Der oft erstaunlich farblos und zahm auftretenden Herausfordererin kamen dabei zwei Aspekte zugute. Zum einen war der Wahlkampf im Gegensatz zur letzten Bürgermeisterwahl vom 11.11.2001 von vornherein auf nur zwei Kandidaten und damit auf eine starke Polarisierung zugeschnitten. Zum anderen lag die Wahlbeteiligung diesmal mehr als 20 Prozentpunkte höher als vor acht Jahren - allerdings bei deutlich verringerter Einwohnerzahl. Perfektes Sonntagswetter, die gleichzeitig stattfindende Kombinationswahl Bundestag-Landtag-Bürgermeister sowie eben diese Polarisierung führten aber auch absolut eine größere Zahl Wähler ins Wahllokal. Am Ende wurden dreitausend Stimmen mehr als 2001 abgegeben.


Unklar bleibt, welche Rolle die umstrittene Kampagne des Advocatus Diaboli Martin Heyne im Vorfeld der Entscheidung spielte. Auf die Wahlbeteiligung könnte sie ähnlich positiv gewirkt haben, wie die allgemein massenmedial vermittelte Wahlstimmung zur Bundestagswahl. Ob sie tatsächlich wahlentscheidend war, lässt sich wohl nicht abschließend klären. Es ist aber davon auszugehen, dass sie eine gewisse Mobilisierung gerade der mit Rainer Werner Unzufriedenen zur Folge hatte. So bestätigt sie hauptsächlich den Wahlausgang als Entscheidung gegen den Amtsinhaber. Denn die Person Dagmar Püschel und ihr Programm spielten in den Werner-in-Rente-Anzeigen bestenfalls eine Nebenrolle.


Insgesamt war Rainer Werner im direkten Vergleich der Wahlkampfmittel weitaus breiter und professioneller als seine Kontrahentin aufgestellt. Eventuell zu breit und zu professionell. Nachdem nämlich die Kampagne aus München zunehmend Stadtgespräch und in den Medien reflektiert wurde, holte der Amtsinhaber zu einem hochdosierten Gegenschlag aus, der vor allem seine Persönlichkeit in den Vordergrund rückte, weniger jedoch mit neuen Argumenten aufwarten konnte. Papierfabrik, Renovierung des Flächendenkmals und beste Beziehungen zur lokalen Wirtschaft und zur Potsdamer Parteiführung sind zwar schön und gut, nutzen sich aber in der Wiederholung ab. Insofern hat Rainer Werner sein Pulver möglicherweise zu früh verschossen und nichts zum Nachladen im Pulverhorn der Leistungsbilanz gehabt. Vielleicht ist er zu oft in Phrasen zurückgefallen, wo Auseinandersetzung gefragt war. Damit bringt man skeptische Wähler bekanntlich zusätzlich ins Zweifeln.




Diese Stadt liegt hinter ihm. Jedenfalls was die Rolle des Bürgermeisters angeht. Ob Rainer Werner tatsächlich in den Ruhestand tritt, wie es manch einer forderte, oder vielleicht ins AMEH geht, um dort eine schöne Aufgabe bis zur wirklichen Rente zu übernehmen, wird die nächste Zeit zeigen. Wenn er ein fairer Verlierer ist, dann greift er Dagmar Püschel natürlich in jedem Fall so gut wie möglich unter die Arme. Und tatsächlich scheint er auf dem Bild zu überlegen, mit welchem Ratschlag er seiner Nachfolgerin als erster zur Hand gehen kann.


Womöglich überspannte Rainer Werner also gerade durch die offensive Werbung den Bogen und führte unfreiwillig einen Stimmungsumschwung in der deutlicher werdenden Diskrepanz zwischen Dauerpräsenz auf Plakatwänden, ganzseitigen Anzeigen, Flugzetteln, etc. bei argumentativer Redundanz herbei. Dadurch, dass die Reaktion auf die Anzeigen Martin Heynes so heftig ausfiel, erkannte Rainer Werner obendrein die Spielregeln dieses dritten Herausforderers an und bestätigte ihn damit in gewisser Weise. Die insgesamt eher Pro-Rainer-Werner orientierte Märkische Oderzeitung brachte sich obendrein noch durch eigene Dämlichkeit in eine unmögliche Position, als sie sich erschreckend unprofessionell und plump eine Woche vor der Wahl eine Einstweilige Verfügung erschrieb.


Tatsächlich ist in solch einer Situation guter Rat teuer und der Bürgermeister war vielleicht nicht unbedingt bestens beraten. Poster allein jedenfalls gewinnen kein Wahl. Statt sich mit Dagmar Püschel und ihrer Agenda zu befassen, befasste sich der Amtsinhaber zu viel mit sich und Martin Heyne, was letzteren heute freuen wird und weshalb sich jetzt eine lachende Dritte im Rathaus einfindet.

Was sie dort vorfindet, ist allerdings kein Spaziergang in der Septembersonne. Auf Dagmar Püschel wartet eine denkbar schwere Herausforderung: Sie muss den recht großen Anteil derer, die bis gestern hinter Rainer Werner standen und es heute vielleicht nach wie vor tun, überzeugen. Betrachtet man die Rainer-Werner-wer-sonst-Anzeigen, dann wird sie dabei vermutlich mehr gegen den Willen der lokalen Eliten antreten, als mit deren Unterstützung. Es hängt vieles davon ab, wie pragmatisch diese Akteure mit der Situation umgehen. Dass der Übergang frei von Animositäten erfolgt, wäre zwar zu wünschen, ist jedoch kaum zu erwarten. Auf diesem Terrain wird Dagmar Püschel auch die politische Vormachtstellung ihrer Partei im nun noch tiefer tiefroten Ostbrandenburg kaum helfen können. Hier muss es einen beiderseits vorurteilsfreien Dialog geben, der auch die Arbeit Rainer Werners, die eben doch oft auch richtig und wichtig war, würdigt. Der schwerste Block jedoch erwartet sie im Norden der Stadt. Wo Rainer Werners Bande ins Stahlwerk fast schon zu eng geknüpft schienen, hat Dagmar Püschel vergleichsweise wenig Ansatzpunkte. Dabei ist das Stahlwerk nach wie vor eine überdominante Instanz in Eisenhüttenstadt. Nach dem Sieg in der Stadt, muss die neue Bürgermeisterin auch im Werk gewinnen. Und das wird sicher nicht ganz einfach.
Tags für diesen Artikel: , , , lokalpolitik, rainer werner
Artikel mit ähnlichen Themen:
  • Zum 65. Stadtgeburtstag: Das Dokumentationszentrum zeigt Christine Kisorsys Lunik-Fotografien.
Trackbacks
Trackback-URL für diesen Eintrag
Keine Trackbacks
Kommentare
Ansicht der Kommentare: (Linear | Verschachtelt)
#1 Andi Leser am 09/28/09 um 08:39 [Antwort]
Kommentare (3)
#1.1 Ben am 09/28/09 um 10:03 [Antwort]
Kommentar (1)
#1.1.1 Andi Leser am 09/28/09 um 11:43 [Antwort]
Kommentare (3)
#1.2 Alexander S. am 09/28/09 um 01:43 [Antwort]
Kommentar (1)
#1.2.1 Andi Leser am 09/28/09 um 02:53 [Antwort]
Kommentare (3)
#2 wielands am 09/28/09 um 09:26 [Antwort]
Kommentar (1)
#2.1 Exilant am 09/29/09 um 03:24 [Antwort]
Kommentar (1)
Kommentar schreiben
Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

BBCode-Formatierung erlaubt
 
   
 
Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!
 

Themen

abriss Andi Leser ansichtskarte Architektur bahnhof berlin blog DDR eko Erinnerung flickr fotografie Graffiti Internet Kinder der Stadt kultur Kunst Kurz notiert lindenallee lokalpolitik moz plattenbau presse Pressespiegel Rainer Werner Sonstiges Stadtbild Stadtentwicklung stadtfest Stadtgeschichte Stadtumbau stadtumbau ost Stalinstadt Theorie unsinn Veranstaltungen weblog wirtschaftsentwicklung Wohnkomplex V wohnkomplex vi Wohnkomplex VII Zukunft

Kategorien

  • Devotionalien (26)
  • Postkarte nach Ehst. (10)
  • Exil (15)
  • Internet (53)
  • Kinder der Stadt (17)
  • Lindenallee (32)
  • Pressespiegel (101)
  • Kurz notiert (26)
  • Sonstiges (195)
  • Sport (14)
  • Stadtbild (174)
  • Stadtgeschichte (30)
  • Theorie (44)
  • Umland (6)
  • Veranstaltungen (55)

Alle Kategorien

Kommentare

wieland zu
Mo, 04.11.2013 17:42
Hallo Ben, i ch finde Deinen Vorschlag für ein Schil [...]Kommentare ()
Ben zu Der kurze Weg zur Schule. Ein Fundfoto von irgendwo.
Do, 16.05.2013 23:26
Die Vermutung l iegt nah, ist a ber leider nich t zutreff [...]Kommentar (1)
Wollenberg zu Der kurze Weg zur Schule. Ein Fundfoto von irgendwo.
Do, 16.05.2013 22:09
Das Foto Der k urze Weg zur Sc hule wurde in Eisenhütt [...]Kommentare ()
Hans Joachim Stephan zu
Do, 17.01.2013 14:20
Sehr geehrte Da men und Herren, sehr bedauerl ich, welc [...]Kommentare ()

WWW

Web 1.0
Eisenhüttenstadt.de
Tourismusverein Oder-Region Eisenhüttenstadt e.V.
Dokumentationszentrum zur Alltagskultur der DDR


Märkische Oderzeitung Eisenhüttenstadt
Blickpunkt - Ausgabe Eisenhüttenstadt
Oder-Spree Fernsehen
Oder-Neiße-Journal
Royal-Rangers Stamm 329 (Pfadfinder)

Web 2.0
ehst-twitter
wiki.huettenstadt.de

ehst-Facebook
Irre Führung Ehst.
eisen.huettenstadt.de feedburner

ehst.delicious - Bookmarkliste
FlickrGroup Eisenhüttenstadt
Seen | Eisenhüttenstadt
Logbuch Eisenhüttenstadt
urbanistiques ehst
blog.planverfasser.com (Eisenhüttenstadt/Cottbus)


Nachbarn
Hauptstadtblog
Deutschlandpuls
Kunst am Wege
Frau Indica
Freestland
sovietpostcards.net
Die Liebe und die Sowjetmacht
Terra Poetica
Photoblog Dunaújváros

Wichtige Seiten
Notfallseelsorge Landkreis Oder-Spree
lustige Videos
/usr/local/bin sei smart - nutze Linux!
Verhütung

Webdesign, CMS und Onlineshop?
Webdesign Eisenhüttenstadt
Wohnungen
Singles aus Eisenhüttenstadt
Branchenbuch Eisenhüttenstadt
Raus aus Hütte. Auf nach Paris.

Shopping-Tipps
Möbelkauf in Eisenhüttenstadt
Leuchten & Lampen
Einbauküchen kaufen
Möbeldiscounter in Eisenhüttenstadt
Seniorenbedarf
Heimwerkerfachmarkt in Eisenhüttenstadt
Lagertechnik und Lagerlogistik
Sehenswürdigkeiten & Souvenirs aus Berlin

Empfehlungen

Login für Autoren

Passwort vergessen?

Bookmarks

laemmy.net

BlogCounter.de - kostenloser Counter für Weblogs

Lizenz

Creative Commons License - Some Rights Reserved
Der Inhalt dieses Werkes ist lizensiert unter der Creative Commons Lizenz

  • Webdesign Eisenhüttenstadt
XML RSS-Feed twitter Twitter
Powered by s9y & Optional Necessity