Ob es ihn zu einem „großen Sohn der Stadt“ qualifiziert, ist, so meint man, Ansichtssache. Fakt ist, dass Torsten Hannig, eisenhüttenstadtbekannt als Musiker und Musikfachmann besonders durch sein Mitwirken an den legendären Weihnachtsmusicals der Snowy-Reihe, momentan gehörig Airtime im Fernsehen bekommt. Dies allerdings – soweit ich es überblicken kann – nicht bei den seinen tontechnischen Talenten angemessenen Programmen sondern einem Spartenanbieter, der allerdings vom Geschäftsmodell dem unsäglichen Ex-Musikverbreiter Viva Plus nicht unähnlich ist, bei dem Deutschlands ausstrahlungsärmste Möchtegernmoderatorinnen derart unvorstellbar abstoßend inszeniert werden, dass der Big-Brother-Jürgen auf 9live schon fast als intellektueller Hochgenuß daherkommt. Dann doch lieber die mit Schuhwichse auf „Afrika“ schwarzgefärbten tschechischen WM-Stripperinnen im Nachtprogramm des Deutschen „Sport“fernsehens oder besser noch abschalten. Oder umschalten auf diesen etwas wunderlichen Lebenshilfekanal des Primetime Mediendienstes, in dem unser Torsten recht häufig in die Karten schauen lässt – oder auch nicht, je nach Standpunkt. Natürlich fällt es uns durchrationalisierten Freunden der klassischen Aufklärung schwer, sich auf ein solches Programm derart einzulassen, wie man es tun muss, um hier so um die 2 EURO die Minute für Kartenleserei zu verjuxen. Andere Mitbürger scheinen damit aber weniger Probleme zu haben und so floriert das Geschäft mit der Unsicherheit bezüglich Zukunft, Geld und Partnerschaft. I-Ging-Fachmann Torsten ist für diese großen Themen des menschlichen Daseins allerdings nicht zuständig: Sein Metier ist der kleinere Fisch des Beratungsschwerpunkts „Verlorene Gegenstände“ und da Geld bekanntlich nicht gegenständlich sondern nur symbolisch auf der Bank und auf der Straße liegt, ist die Frage, wo man denn diese eigenartig hohen Beträge auf der Telefonrechnung verloren hat, hier fehl am Platze vor der Mattscheibe – falls jemand mal nachfragen wollte. Was Totti da genau tut, erfährt man leider als Voyeur des energetischen Treibens nicht wirklich detailliert, denn die Beratung selbst wird – vermutlich zum Schutze der Persönlichkeit des Anrufers – mit einem auf Dauer recht ermüdendem Entspannungssoundtrack gedubbt…
Wie dem auch sei, Oliver Kalkofe mit seiner mitunter etwas arrogant-platten Verballhornung nicht ganz so geschickter Fernsehprogrammgestaltung wäre jedenfalls sicher in seinem Element, denn Angriffspunkte bieten die Kartenleser und Pendelfans mit ihrer beratungssüchtigen Klientel zuhauf. Allzu viel werten will ich jedoch gar nicht, denn einerseits bin ich nicht über Allem stehend und erhaben und andererseits sei selbstredend jedem vergönnt, nach seiner Fasson glücklich zu werden. Und vielleicht auch reich.. Moralisch verwerflicher als ZEDs oder Jambas Trübe-Tassen-Handyquatsch-Geldschneiderei ist das HausBaccarat hier sicher nicht.
Ob der potentiell generierbare Wohlstand konkret den Torsten mit seinem Tarotblatt betrifft, kann ich nicht abschätzen. Mehr als sein Aufnahmestudio wird’s aber wohl einbringen, denn wer ohne Lohn und aus purer Nächstenliebe helfen will, der geht sicher nicht in dieser Form ins Fernsehen. Meine Kurzmeinung: Als Musiker und Kumpel im Marchi hat er mir entscheidend besser gefallen als esoterisch aktiv im Äther.
Schließlich: Nach fünf Minuten Programmbeobachtung muss ich leider sagen, dass ich unseren Torsten in dieser Form, so gern ich es möchte, nicht so recht zu den „großen Söhnen der Stadt“ zählen kann (vermutlich will er es auch gar nicht), denn er ist hier nur eine Art „beratendes Medium“ und als solches recht neutral und ohne allzu persönliche Note. Die aber braucht’s für’s Einzigartig-Sein. Vielleicht klappt es ja irgendwann doch noch mal mit Musik. Ich würde es ihm wünschen.