Mal etwas, was uns Mut geben sollte:
Es wäre ziemlich einfältig, als Jugendlicher jetzt darauf zu warten, dass die goldenen Zeiten des Angestelltenlebens wieder kommen.
Meint Wolf Lotter, Leitartikler beim Magazin für moderne Wirtschaftskultur "brand eins" im Interview mit dem politischen Wochenblatt "Das Parlament" (Ausgabe Nr. 21/22 2006, S. 16), dass den wirklichen spannenden Beitrag aus der Rubrik "Jugend im Dialog" leider noch nicht online hat. Kollege Lotter plädiert für eine verschwenderische Perspektive im Sinne der von den Postpunk-Idealisten "Deutsch-Amerikanische Freundschaft" (DAF) ausgegebenen Devise "Verschwende Deine Jugend", wobei man sich ein bisschen freut, dass nicht das ebenfalls von der Combo postulierte "Veehre Deinen Haarschnitte" zum Motto wurde. Für die achtziger Jahre - wir erinnern uns nur zu gern - war das letztere aber immerhin fast noch aktueller als das erstgenannte.
Nun leben wir im neuen Jahrtausend, ausgesetzt und hoffnungsarm in der Trümmerlandschaft einer Welt im sowohl Nach-McKinseyanischen wie auch Nach-Wohlfahrtstaatlichen Zeitalter und so freut man sich, auch von Expertenseite z.B. bestätigt zu bekommen, dass die Idiotie der "Generation Praktikum" tatsächlich eine solche ist. Es ist in doch in den allermeisten Fällen so, dass ein Praktikum gerade einen Job verhindert und wer sich darauf einlässt, Arbeitskraft ganz gratis einzubringen um danach mit guten Wünschen und leerer Tasche gleich zum nächsten Praktikumsplatz herüberbuckelt, mit Schuld ist, am Niedergang des Wirtschaftsstandorts D. Hier verschwendet man sich falsch und sehr dämlich. Dann doch lieber Verschwendung für ein höheres Ziel (z.B. die Selbstwerdung oder eine funktionierende Gemeinschaft, ein angenehmes Zusammenleben, die Erhaltung bedrohter Arten, die kommenden Generationen oder irgendetwas anderes, was in einem von einer Kurzzeit- und HandindenMund-Ökonomie geprägten Daseinsrahmen keine große Rolle mehr spielt.)
Ich pflichte Lotter uneingeschränkt bei, wenn er sagt:
Verschwendung ist für mich, dass wir uns richtig verausgaben, anstrengen, weil es ein tolles Gefühl ist, Neues zu schaffen, vor allem dann, wenn das Alte so wenig Perspektive für viele hat.
Hier liegt nämlich auch im Eisenhüttenstädterischen der Hase bis zum Hals im Pfeffer: Geblendet von der Schaufensterwelt eines schon damals auf dem - wenn auch leuchtenenden - Abstiegspfad vom Gipfel des Wirtschaftswachstums befindlichen Systems hat man einerseits auf breiter Front in tumbem Anpassungswillen alles zu verleugnen versucht, was sich nur Vergangenheit nennen könnte und andererseits keine bessere Idee gehabt, als sich katzbuckelnd in Imitation und Anbiederung zu üben, die sich von dem kleinbürgerlichen Anpassungsverhalten des vorhergehenden Zeitalters (DDR) eigentlich nur in der jeweiligen Aus- und Hinrichtung unterschied. Der Mensch als Gewohnheitstier ist prima, solange sich seine Welt nicht ändert. Allerdings tut sie dies und zwar ständig und massiv und entsprechend ist nichts törichter, als das sich totstellen in der Grube. Das Geheimnis der Evolution liegt in der Vielfalt, wobei immer eine Menge scheitert, aber am Ende trotzdem so wundervolle Dinge wie eine Phalaenopsis hieroglyphica, Nachtigallengesang oder die junge Angelina Jolie überbleiben. Die dinosaurierhafte Einfalt eines Aufdenboden-Kauerns dient - so mag man sich richtig einwerfen - einer kurzfristigen Existenzsicherung, die Frage ist aber: Auf welchem Niveau? Und zu welche Zweck? Etwas wie "Perspektive" gibt es da kaum, es sei denn, man explodiert irgendwann und wird zum Schmetterling. Die Meisten, die ihr Glück in dieser Methode zu schmieden versuchen, bleiben allerdings eher Engerling und werden früher oder später vom Schnabel des Gespenstervogels "Kapitalismus", der nach wie vor mangels plausibler Alternative (natürlichem Fressfeind) hartnäckig in wieder etwas raubeiniger Form in den rückständigen Teile Europas (Deutschland) umhergeht, aufgepickt und weggeschluckt.
Und so sollte man sich bei den Jubelfeiern zum Kauflandausbau schon mal fragen, ob es nicht besser wäre, wenn man der Stadt die kunterbunten Einkaufshallen nicht in dieser Üppigkeit aufdrücken und entsprechend das wenige Geld am Ende doch gen Heilbronn, Bielefeld und Kirkel im schönen Saarland transferieren würde und stattdessen auf lokaler Ebene wirtschaftsfördert? Solch ein Mutmaßen ist müßig, das Kind ist bereits im Brunnen und ich denke, in Eisenhüttenstadt ist es der Allianz aus lokalen Entscheidungsträgern und globalen Investoren außerordentlich gut gelungen, die lokale Einzelhandelsstruktur nachhaltig zu zerstören. Daher ist man zwangsläufig in gewisser Weise zum Mitspielen gezwungen, was aber nicht heißt, dass man es begrüßt. Und wenn man als junger Mensch noch ein bisschen mehr Schaffensdrang spürt, als es die Kleingärtner- und Fernbedienungsgemeinschaft zwischen eigengebrödelter Nische und Sehnsucht nach dem Boulevardereignis tut, dann sollte man sich auch seiner Verantwortung bewusst werden und diesen im Sinne Lotters und im Sinne von DAF verschwenden, wie es nur geht und zwar mit dem Ziel eine Vielfalt zu erzeugen, die die schlichten Strukturen der schlichten und gemütlichen Gemüter, welche die Deckel zu den (Nicht-Mehr)Fleischtöpfen in Eisenhüttenstadt und anderswo an sich pressen, zu überwinden. Polify your life! heißt die Losung (und vielleicht auch die Lösung) und das geht nur mittels Verschwendung, denn, so Lotter
Wer sich gegen "simplify your life" wehrt, muss sich der Viefalt zuwenden und verschwenderisch mit ihr umgehen, was ja nicht kopflos heißt, im Gegenteil. Mehr in Varianten und Alternativen denken, hat noch niemandem geschadet. Aber leider liegt "simplify your life" im Trend.
Hier, so glaube ich sagen zu können, nicht mehr. Hier verschwenden wir uns.
Auch deshalb gibt es www.eisen.huettenstadt.de.
Such-Ergebnisse in Kommentaren
Es ist 2010 und verdammt lang her, wo die Zeit nur geblieben ist, beantworten die Zeilen in diesem wunderschönen Blog. Zugegeben auch ich habe mich sehr rar gemacht und Bens glühende Feder schafft ...
Hallo Alex, danke für den Kommentar. Ich habe hier eine Antwort formuliert.Kommentare ()
Es schaut so aus. Mehr dazu in diesem Beitrag.Kommentare ()
Vielen Dank für die Gratulation und auch für den Hinweis auf die verkehrte Jahreszahl. Den ersten der bislang immerhin 704 größeren und kleineren Postings im Weblog gab es natürlich am 27.März ...
Ach.. und den gesuchten Reiseschriftsteller musst du auch noch erraten..Kommentare ()
Hallo Igor, irgendwie war Dein Kommentar in der Moderationsschleife hängen geblieben. In der Tat habe ich eine kleine Sammlung von Eisenhüttenstadt-Ansichtskarten, wobei sich alt auf die ...
Sollte die Prowell-Papierfabrik tatsächlich entstehen, wäre dies übrigens das zweite Mal binnen relativ kurzer Zeit, dass sich Eisenhüttenstadt gegen das sachsen-anhaltinische Burg ...
Und Andi Leser hat mit seinem Kommentar den 1000sten in der Geschichte des Eisenhüttenstadt-Blogs hinterlassen und sich so taktisch geschickt seinen Platz im Erinnerungsbuch gesichert.Kommentare ()
Ich weiß, dass es Unsinn ist, aber für alle, die es interessiert gibt es hier meine persönliche Live Playlist. Und wer mich beim The Smiths hören ertappt und dies hier kundtut, bekommt garantiert ...
In der Tat! Der Zauber der HDR-Meisterin Ines ist derart gewaltig, dass unser Blog-Kollege Andi Leser nicht umhinkam, sie zur Königin Saarlouisa auszurufen. Nicht zu unrecht, wie ich finde. Was ...
Das ist beinahe richtig, nur würde ich sicher nicht zweimal nach dem selben Titel fragen. Diesmal ist es entscheidend schwieriger, auch wenn "Brigitte Reimann" für das erste Zitat auch die ...
Was mit dem wiki.huettenstadt los ist?...nun, das wüssten wir auch gern. Im Ernst: Huettenstadt ist umgezogen und zwar auf einen neuen Server und dabei ist der virtuelle Möbelwagen mit dem Wiki ...
Das Bild des Monats steht fest: es versteckt sich hinter dem angegebenen Link. Ein ausführlicher Bildbericht für unser Projket "Eisenhüttenstadt Photograph" (http://photograph.huettenstadt.de/) ...
Künstlerisch geformte Hühnervögel im öffentlichen Raum gibt es übrigens auch anderswo in den Stadträumen Ostdeutschlands. Das vielleicht markanteste Exemplar ist dieses: Ein Ratespiel mache ich ...
1. Einloggen kann man sich, wenn man einen Autorenaccount hat. Diesen gibt es nach einem persönlichen Kennenlernen mit der Blogredaktion bei gegenseitiger Sympathie. Kontaktaufnahme: webmaster at ...
Mehr zur Erhebung hatten wir auch im AugustKommentare ()
Selbstverständlich gibt es in der ehemaligen Pionierrepublik am wunderschönen Werbellinsee Objekte, von denen man meint, dass sie auch mitten in Eisenhüttenstadt lägen. So z.B. dieses Objekt, ...
In einem Satz: Hier ist schon mal mein Bahnhofsfoto.Kommentare ()
Und um die Schmach des Herrn Knabe noch zu mehren, hat SPIEGEL online den historischen Mißgriff gleich noch ins englische übersetzt. Screenshot " Eisenhüttenstadt was changed to Stalin Stadt. ...
Schön, dass Du wieder aktiviert bist! Aber Du könntest ruhig auch das Vollbild vom Honignapf verlinken, sonst weiß doch keiner, dass die Lindenauslese aus der Imkerei von Manfred Dittmann ...
Hallo Johanna, die allgemeinen Kontaktendaten findet man bei Webseiten meistens im Impressum. Wir sind sehr gespannt, was sich hinter Dir und Deiner Leidenschaft verbirgt. Schreib schnell! ...
Da ließ der HERR Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra (1. Mose Kapitel 19 Vers 24) Damit uns das nicht passiert lohnt sich vielleicht ein Besuch der Kirchen in ...
Nun kann ich endlich den Entwurf zur 24 Pfennig-Ullbricht Marke nachliefern. Veröffentlicht wurde er auf dem Titelblatt der zu diesem Zeitpunkt wirklich ideologisch bis zum Grade der ...
Vielen Dank für diese gloriose Laudatio, der ich mich mit Rührung beuge. Das possierliche Büchlein von Reinhard Bernhof, welches der Berliner Künstler und Grafiker Olaf Nehmzow nicht unbedingt ...
Das Ziel dieser Zusammenstellung wird es sein, eine Art subjektiven Bildband zu Eisenhüttenstadt zusammenzustellen. Während wir hier also unser Alltagsgeschäft betreiben und alles, was anfällt ...
"Ein Mensch jedoch, dessen Selbst durch Gehorsam gegenüber einer Autorität, die ihm sein Eigenes verboten hat, abhanden kommt, wird sich immer nach einer äusseren Autorität, einer Religion und ...
"What is wrong with groovin' ?" sang so schön wie niemand sonst Sowetos goldenes Kehlchen Letta Mbulu. Natürlich gar nichts ist die einzig korrekte Antwort, vorausgesetzt man hat den passenden ...
Heute in der eisen.huettenstadt.de Marketingetage: "..Mousepad schön und gut...die Leute wollen aber (1.) das was passiert,klaro, und (2.) Trikotagen, Beutel, Wimpel. Kann man da nicht etwas ...
Auf die Idee bin ich auch schon gekommen. Nur bei diesem Theme lässt sich das nicht so gut machen. Ich hab in diesem Theme ja ein Foto welches aus 3 Bildern besteht. Problematisch ist außerdem die ...
Dann musst Du aber auch Links auf die Artikel, die das Stadtfest in Eisenhüttenstadt feiern, setzen: Comedy kills Kultur der Stadt, Stadtfest, gegen die Kultur ...
Die Kinder der dereinst vertriebenen Paradieswohnkomplexbewohner nahmen übrigens üble Rache an den Errichtern der Stadt: Maurer in Trümmern...Kommentare ()
Nun gut, meine Kritik fiel etwas forsch aus, aber wahrscheinlich geschah dies aufgrund des Zitats "Das ist der Mann, der Eisenhüttenstadt durch den Code seiner Fotografien verändert". Ich ...
Wir danken herzlich für das Lob lieber Björn, aber noch mehr würden wir uns freuen, Dich hier öfter als Autoren begrüßen zu können. Wie wär's?Kommentare ()
Mir war es gestern Nacht vergönnt, mal einen Blick auf die Aufsteller zu werfen und entsprechend kann ich heute die von Wieland beschriebene Bilderlücke zum Projekt endlich schließen.Kommentare ()
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Nach einer ersten Kurzvisite kann ich fast schon wieder Entwarnung geben. Die Ausstellung ist dann doch mehr als Event konzipiert und auf die allgemeine Lauftouristik zugeschnitten als ...
Hey Wieland, ich bin ein großer Lump. Deine Mails beantworte ich spät bis nie und Deinen Kommentar zur stadtbezogenen Musique concrète lösche ich auch noch unglücklicherweise beim Großeinsatz ...
Leute, schaut mal bei WIKIhüttenstadt nach! Dort sind wieder einige Neuigkeiten hinzugekommen, die nach weiteren Ergänzungen verlangen.Kommentare ()
Vielleicht ergibt sich ja demnächst die Gelegenheit für ein bisschen gemeinsame fotografische Dokumentationsaktivität - nachdem ich letzten Samstag das große Vergnügen hatte, einen Abend mit ...