In welchem Nest liegen diese Eier?:
fragt der ehst.tische Flickr-Fotograf ehst.tick mit vollkommener berechtigter Neugier in seinem Fotostream. Anders als bei dem heute in der Märkischen Oderzeitung erläuterten, hinsichtlich des Outcome etwas betroffenden stimmenden, "Plan B für Eisenhüttenstadt", einem so lobenswerten wie anrührenden Unterfangen der Plan B Consulting GmbH Berlin und der Stadtwerke Eisenhüttenstadt, die momentan auch massiv und so lokal ausgerichtet, wie vermutlich selten eine Werbekampagne zuvor, mit Plakaten im Stadtbild zeigen, dass sie Odergas geben (sh. auch bei ehst.tick hier und dort) will, handelt es sich bei den Eiern um etwas ganz Konkretes, besonders auch im Sinne der Doppelbedeutung des englischen Terminus concrete. Allerdings hat sich die Sache mit den Eiern, trotzdem sie gelegte sind, demnächst im Sande der Sandkästen Osteisenhüttenstadts verlaufen, denn ursprünglich als zentrale Kinderspielobjekte konzipiert, liegen sie nun dort, wo die Spielplätze dezentralisiert zu Hunde- oder Streunerwiesen umgewandelt und die umliegenden Wohnbereiche sorgfältig dem Boden gleich gemacht werden. Was mit den Eier geschehen soll, ist mir nicht bekannt. Momentan sind die Einstiegsöffnungen in den Betoneierschalen verschlossen und vermauert.
Sind das die Eier der berühmten eierlegenden Wollmilchsau, die man in Eisenhüttenstadt so gern in Investorengestalt durchs Dorf getrieben sähe?
Falls ja, hat man sie nicht sehr fein, quasi nicht wie ein rohes Ei, behandelt.
Falls ja, hat man sie nicht sehr fein, quasi nicht wie ein rohes Ei, behandelt.
Eigentlich könnte man sie auch in der entstehenden freien innerstädtischen Wildbahn liegen lassen. Sonderlich vandalismus- und zerstörungsanfällig sind die Dinger mit ihrer harten Schale und dem nun unergründbaren Kern nicht und außerdem könnten sie als Kletter- und Aussichtsobjekte den Hinaufkraxelnden den Horizont ein klein wenig erweitern. Im P2-Paradies war dies gar nicht nötig, denn die Sicht reichte, wie man oben noch sieht, schlicht bis zum nächsten Standardbauteil der industriellen Wohnungsbaugesellschaft. Bald ist hier aber auch endlich freies Land, auf dem z.B. die "acht konkreten Projekte", die mit dem Heilsversprechen von 600 Arbeistplätzen noch "in der Schwebe", d.h. also noch nicht endgültig abgesagt sind, als Silberstreifchen über den Eisenhüttenstädter Horizont huschen, angesiedelt werden könnten.
Werden sie aber vermutlich nicht, denn, so erfahren wir von "Plan B"-Vertreter Michael Krüger, es ist in Investorenkreisen in steigendem Maße üblich, bereits bestehende Unternehmen zu übernehmen, und sich selbst dabei häufiger auch. Beim Grundstein und bei Null anzufangen lohnt sich dagegen kaum noch. Das entspricht nun auch der zeitgemäßen Investitionsmusik, die vorwiegend auf mezzaninen Finanzierungsinstrumenten u.ä. gespielt wird, und deren Laufzeiten meist derart knapp gemessen sind, dass sich Umstrukturierung eher rechnet als ungewisse Neuansiedlungs- und Aufbaubemühungen.
Ob das zukünftige Heil Eisenhüttenstadts, auch wenn der zuständige SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Vogelsänger in Eisenhüttenstadt den wichtigsten Industriestandort im ansonsten ziemlich industriearmen Landkreis Oder-Spree sieht, maßgeblich in einer Konzentration auf Werbefeldzüge für Industrieinvestitionen zu suchen ist, bleibt in meinen Augen mehr als fraglich. Sinnvoller als die von Brandenburgs Infrastrukturminister Reinhold Dellmann bestätigte prioritäre Stellung der Anbindung Eisenhüttenstadts an die Autobahn A 12, schiene mir ein prioritärer Anschluss der gesamten Stadt an das weltweite Datennetz WWW. Wäre dies gegeben, könnte man vielleicht überlegen, die Ansiedlung von Unternehmen des Web-Dienstleistungssektors zu forcieren.
Denn es ist irgendwie schon Allgemeinwissen, seit Daniel Bell, Alvin Toffler, Peter Drucker und all die anderen Wirtschaftsweisen der postindustriellen Gesellschaft seit den späten 1960er Jahren darauf hinweisen, dass das Industriezeitalter nunmal so nach und nach sein Ende findet. Und man spürt es oft auch direkt vor der Haustür. Der tertiäre Wirtschaftssektor, d.h. die primär immaterielle Produktionsbereich vom Frisörhandwerk über die Werbewirtschaft bis hin zur Wissensindustrie ist die Wertschöpfungsquelle No. 1. Dass außer dem für die Nachhaltigsgesellschaft Recyclinghandwerk hier am östlichsten Ende Deutschlands kaum noch etwas industriell perspektivisch Sinnvolles an Neuansiedlungen kommen wird, ist sicher keine übertrieben pessimistische Ansicht.
Warum man aber dessen bewusst nicht ein Wirtschaftssystem, dass weitgehend dezentral, also genauso gut in Alaska wie in der Wüste Gobi und eben auch in Eisenhüttenstadt funktionieren kann, wenn die für Ostdeutschland wirklich zu meisternden Hürden "Breitbandnetz-Anschluss", "geringe bürokratische Hemmschwellen" und "günstige Umfeldbedingungen (günstige Mieten, sauberes Trinkwasser, verfügbare Lebensmittel)" gegeben sind, in den Mittelpunkt der Bemühungen rückt und die Nähe zum Kreativkessel Berlin dabei mitnutzt, ist für mich ziemlich unverständlich. Natürlich wird man im e-Business über Nacht keine 600 Arbeitsplätze schaffen, aber vielleicht 20 familienorientierte junge "Macher" und "Macherinnen" binden oder anlocken, die im Medialutionsgeschäft mit dem „Triple-Play“ mitmischen und damit ein bisschen mehr Ausstrahlung in die Stadt bringen.
Ich denke, die Stadt braucht Menschen, die in ihr wohnen, weil es hier nett ist, die Wege - ob ins Schlaubetal oder nach Berlin Mitte - annehmbar kurz sind, es gute Schulen gibt, die Lebenshaltungskosten günstig sind und man in einzigartiger Architektur der Nationalen Bautradition der DDR wohnen kann, denn ob man es glaubt oder nicht, weiß - im Gegensatz zu so manchem Eisenhüttenstädter - die Design-Generation der Webkids so etwas zu schätzen und in ihren postmodernen Lebensstilmix zu integrieren. Die Motivation, hier zu leben, weil man zu Niedriglöhnen an einem Fließband malochen kann, braucht eine Stadt, die irgendwo doch noch den leisen Anspruch hat, mehr zu sein, als Bündelungspunkt und Verwalterin von Schicksalen des Niedergangs, dagegen nicht.