"Anläßlich der Vorprojektioniertung im September 1953 wurden für Stalinstadt Gaststätten mit einer Platzkapazität von insgesamt 1200 Plätzen vorgesehen, ausschließlich der Gaststättenplätze in den geplanten Hotels. Der damals festgelegte Satz von 1200 Plätzen entspricht der in der Zwischenzeit von der Deutschen Bauakademie ermittelten Richtzahl von 40 Plätzen auf 1000 Einwohner." (Kurt W. Leucht (1957) Die erste neue Stadt in der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin: VEB Verlag Technik. S. 68)Die HO-Gaststätte Aktivist deckte dabei mit ihren 608 Plätzen schon die Hälfte des Planungsziels ab. Nun ist sie schon lange geschlossen und das Gebäude reift für die Abdeckerei. Doch anders als z.B. das ehemalige Gebäude der Otto-Buchwitz-Schule in der Beeskower Straße ("Von Sanierungsbedarf bei der ehemaligen Förderschule "Otto Buchwitz" in der Beeskower Straße zu sprechen, wäre eine Untertreibung. Das Gebäude ist eine Ruine." - Märkische Oderzeitung von gestern), das mittlerweile für nicht viel mehr als einen Apfel und ein Ei abgegeben würde, zeichnet sich für das Gebäude des Aktivist' eine konkrete Nachnutzung ab. Dies berichtet Janet Neiser heute im Oder-Spree-Journal der MOZ: Neues Konzept für alten Akki. Gastronomisch wird die Zukunft allerdings nicht entworfen, denn dank des einstmals beispiellosen Engagements des Eisenhüttenstädter Bürgermeisters besitzt die Stadt zwei Burger-Bratstuben, die über den Daumen geschätzt die Hälfte der gastronomischen Kaufkraft absaugen. Dazu addiert sich dann noch die übliche Bistro-Kultur, für den kleinen Hunger zwischendurch. Die verbliebenen Speiselokale leben dagegen z.T. von der Hand in den Mund und ansonsten isst der Durchschnitts-Eisenhüttenstädter, wenn es nicht ganz schnell gehen muss, nun mal gern zu Hause.
Der Rettungsring, den die Eisenhüttenstädter Wohnungsbaugenossenschaft (EWG) dem legendären Objekt im Stile der lokalen Nationalen Bautradition hinwirft, ist entsprechend ein anderer und zwar einer, dem man eher mit gemischten Gefühlen fliegen sieht: Sie möchte ihre Verwaltungsbüros dort einziehen lassen. Nachdem die "Stadt" die Umwandlung in eine Seniorenresidenz abgewiesen hat und sich stattdessen nicht immer gelungene Neubauten ins Stadtgebiet pflanzen lässt und nachdem die EWG keinen Käufer für das Objekt finden konnte - was sich angesichts des Zustands zahlreicher fröhlich veräußerter Liegenschaften in der Stadt im Nachhinein sogar als positiv herausstellen könnte - sieht sie nun darin eine elegante Ultima ratio:
Der alte "Aktivist" bekäme innen und außen die dringend notwendige und ersehnte Schönheitskur, und die Genossenschaft würde sich stärker ins Stadtzentrum bewegen. Der Stadtumbau hat die EWG nämlich eingeholt: Um
den jetzigen Bürotrakt herum werden Wohnblöcke im Bereich Fähr- und Tunnelstraße abgerissen. Dadurch verschwinden die eigenen Mieter aus der Gegend.
Bald könnte es wieder soweit sein, denn die EWG, die sich im VI. WK ihre Kunden vor der Nase wegostumbaut möchte die ehemalige HO-Gaststätte aus dem Donröschenschlaf wecken und mit ihrem Geschäftssitz aus der Fährstraße in die Karl-Marx-Straße ziehen.
So wird die Erhaltung des Gebäudes damit erkauft, dass man es in ein Bürohaus verwandelt. Ganz entkernt werden darf es dank Denkmalschutz glücklicherweise nicht. Und aus der Bierschwemme könnte ein Veranstaltungsraum werden:
"In dem Saal könnten Versammlungen, Ausstellungen oder aber auch
Konzerte stattfinden", sagt Rühr-Bach. Dann hätten auch die Bürger der Stadt etwas von dem wieder belebten Denkmal.
Das wäre vermutlich ein Kompromiss, mit dem die meisten der Eisenhüttenstädter angesichts der aktuellen Situation des Gebäudes leben könnten.