Auch wenn sich der Oktober - wenigstens bei mir in Berlin - als Vorzeigeherbst ins Zeug legt wie selten, mit buntem Laubsturm, trotz Tiefstand sehr präsenter Sonne und sogar preussischblauer Stunde, sollte man sich keinen Illusionen hingeben:
Selbst wenn die sich verkürzenden Tage bislang ohne Stimmungsaufheller zu überstehen sind, der Winter kommt wie Heinrich still und leise und sehr bestimmt auch bis zum Wannsee.
Der Grund für diesen nicht ganz originellen Hinweis ist, dass ich heute gern ein Zitat unterbringen möchte, welches mir am Morgen in der S-Bahn über den Weg wehte. Es stammt von unser aller Wissenschaftsvorbild Alexander von Humboldt, welcher sich vor 219 Jahren auf Druck seiner Mutter gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm an der Viadrina in Frankfurt an der Oder immatrikulierte. So wie heute war es auch damals: aus dem Herzen Berlins, was für Alexander zu großen Teilen auch Henriette Herzens Herz, d.h. ihren Salon am Abend, meinte, in die Stadt der Oderfurt ziehen zu müssen, ist für einen Achtzehnjährigen nicht unbedingt ein Geburtstagswunsch.
Beide Brüder waren von den Lehrinhalten wohl nicht allzu begeistert, Wilhelm litt in der Jurisprudenz und Alexander in der Wirtschaftslehre umgeben von einem "elenden Kameralistikvolk". Die Lösung für ihn war, einfach über die engen Hörsaalmauern hinaus zu denken und in diesem Zusammenhang schrieb er in einem Brief einen bemerkenswerten Satz, den wir uns in der ostbrandenburger Winternot alle zum Leitstern machen sollten (selbst wenn wir nicht der irrwitzigen Idee eines Kameralistikstudiums an der Viadrina anheim gefallen sind):
"Mit ein wenig Philosophie wird man bald gewahr, daß der Mensch für jeden Erdenstrich, also auch für die frostigen Ufer der Oder, geboren ist."
Die Rettung ist also das suchende und erkennende Denken, welches auch ein Studienleben in der Neumark erträglich macht. Allerdings weiß man nicht, was aus Alexander geworden wäre, wenn er nicht Ostern 1788 zurück ins Schloß Tegel gegangen wäre. Im selben Jahr ging übrigens ebenfalls Heinrich von Kleist nach Berlin, jedoch nicht um wie Alexander in die unbeschwerte Naturforscherwelt der Tiergarten-Botanik einzutauchen, sondern in die knüppelharte Schule des französischen Gymnasiums. Ein paar Jahre und ein paar Militärdiensterfahrungen später trieb es ihn zurück in seine Heimatstadt, wo er es drei weitere Semester aushielt, schließlich aber doch über Berlin, Leipzig und Dresden irgendwie nach Würzburg und schließlich nach Potsdam gelangte. Rein formal also ein ganz typischer geographischer Lebenslauf eines jungen rastlosen Menschen, wie man ihn sich auch in der heutigen Zeit gut vorstellen kann.
Sowohl Humboldt wie auch Kleist ahnten selbstverständlich noch nichts von der kleinen geplanten Stahlarbeitergroßstadt, die 170 Jahre später nicht allzuweit südlich von Frankfurt ins Kiefernwäldchen betoniert wurde.
Die Vorstellung den wegweisensten preußischen Naturforscher und den vermutlich tiefsten preußischen Dichter auf einer fiktiven Reise durch die Zeit mit diesem sonderbaren Gesellschaftsexperiment zu konfrontieren, böte in jedem Fall Stoff für eine spannende utopische Geschichte. Falls der Winter lang genug werden sollte, schreibt sie vielleicht jemand.
In jedem Fall sollte man Alexander von Humboldts Rat beherzigen und die dunklen Tage am Oderufer sowohl in Frankfurt an der Oder wie auch in Eisenhüttenstadt benützen, um ein wenig Philosophie zu studieren (bzw. zu treiben). Das rettet wahrscheinlich auch nicht viel, aber man ahnt immerhin eher, warum es für manches keine Rettung geben kann... Denn auch mit reichlich Philosophie, wird ein junger Geist, der nach der Weite strebt, nicht am frostigen Oderufer zu halten sein. Doch vielleicht wird er, wenn er sich weit genug hindurchdenkt, intensiv und bewusst seine Wurzeln mit sich tragen und - in einem nichtkitschigen Sinne - heimatverbunden sein. Das wäre schon allerhand.
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Es ist 2010 und verdammt lang her, wo die Zeit nur geblieben ist, beantworten die Zeilen in diesem wunderschönen Blog. Zugegeben auch ich habe mich sehr rar gemacht und Bens glühende Feder schafft ...
Hallo Alex, danke für den Kommentar. Ich habe hier eine Antwort formuliert.Kommentare ()
Es schaut so aus. Mehr dazu in diesem Beitrag.Kommentare ()
Vielen Dank für die Gratulation und auch für den Hinweis auf die verkehrte Jahreszahl. Den ersten der bislang immerhin 704 größeren und kleineren Postings im Weblog gab es natürlich am 27.März ...
Ach.. und den gesuchten Reiseschriftsteller musst du auch noch erraten..Kommentare ()
Hallo Igor, irgendwie war Dein Kommentar in der Moderationsschleife hängen geblieben. In der Tat habe ich eine kleine Sammlung von Eisenhüttenstadt-Ansichtskarten, wobei sich alt auf die ...
Sollte die Prowell-Papierfabrik tatsächlich entstehen, wäre dies übrigens das zweite Mal binnen relativ kurzer Zeit, dass sich Eisenhüttenstadt gegen das sachsen-anhaltinische Burg ...
Und Andi Leser hat mit seinem Kommentar den 1000sten in der Geschichte des Eisenhüttenstadt-Blogs hinterlassen und sich so taktisch geschickt seinen Platz im Erinnerungsbuch gesichert.Kommentare ()
Ich weiß, dass es Unsinn ist, aber für alle, die es interessiert gibt es hier meine persönliche Live Playlist. Und wer mich beim The Smiths hören ertappt und dies hier kundtut, bekommt garantiert ...
In der Tat! Der Zauber der HDR-Meisterin Ines ist derart gewaltig, dass unser Blog-Kollege Andi Leser nicht umhinkam, sie zur Königin Saarlouisa auszurufen. Nicht zu unrecht, wie ich finde. Was ...
Das ist beinahe richtig, nur würde ich sicher nicht zweimal nach dem selben Titel fragen. Diesmal ist es entscheidend schwieriger, auch wenn "Brigitte Reimann" für das erste Zitat auch die ...
Was mit dem wiki.huettenstadt los ist?...nun, das wüssten wir auch gern. Im Ernst: Huettenstadt ist umgezogen und zwar auf einen neuen Server und dabei ist der virtuelle Möbelwagen mit dem Wiki ...
Das Bild des Monats steht fest: es versteckt sich hinter dem angegebenen Link. Ein ausführlicher Bildbericht für unser Projket "Eisenhüttenstadt Photograph" (http://photograph.huettenstadt.de/) ...
Künstlerisch geformte Hühnervögel im öffentlichen Raum gibt es übrigens auch anderswo in den Stadträumen Ostdeutschlands. Das vielleicht markanteste Exemplar ist dieses: Ein Ratespiel mache ich ...
1. Einloggen kann man sich, wenn man einen Autorenaccount hat. Diesen gibt es nach einem persönlichen Kennenlernen mit der Blogredaktion bei gegenseitiger Sympathie. Kontaktaufnahme: webmaster at ...
Mehr zur Erhebung hatten wir auch im AugustKommentare ()
Selbstverständlich gibt es in der ehemaligen Pionierrepublik am wunderschönen Werbellinsee Objekte, von denen man meint, dass sie auch mitten in Eisenhüttenstadt lägen. So z.B. dieses Objekt, ...
In einem Satz: Hier ist schon mal mein Bahnhofsfoto.Kommentare ()
Und um die Schmach des Herrn Knabe noch zu mehren, hat SPIEGEL online den historischen Mißgriff gleich noch ins englische übersetzt. Screenshot " Eisenhüttenstadt was changed to Stalin Stadt. ...
Schön, dass Du wieder aktiviert bist! Aber Du könntest ruhig auch das Vollbild vom Honignapf verlinken, sonst weiß doch keiner, dass die Lindenauslese aus der Imkerei von Manfred Dittmann ...
Hallo Johanna, die allgemeinen Kontaktendaten findet man bei Webseiten meistens im Impressum. Wir sind sehr gespannt, was sich hinter Dir und Deiner Leidenschaft verbirgt. Schreib schnell! ...
Da ließ der HERR Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra (1. Mose Kapitel 19 Vers 24) Damit uns das nicht passiert lohnt sich vielleicht ein Besuch der Kirchen in ...
Nun kann ich endlich den Entwurf zur 24 Pfennig-Ullbricht Marke nachliefern. Veröffentlicht wurde er auf dem Titelblatt der zu diesem Zeitpunkt wirklich ideologisch bis zum Grade der ...
Vielen Dank für diese gloriose Laudatio, der ich mich mit Rührung beuge. Das possierliche Büchlein von Reinhard Bernhof, welches der Berliner Künstler und Grafiker Olaf Nehmzow nicht unbedingt ...
Das Ziel dieser Zusammenstellung wird es sein, eine Art subjektiven Bildband zu Eisenhüttenstadt zusammenzustellen. Während wir hier also unser Alltagsgeschäft betreiben und alles, was anfällt ...
"Ein Mensch jedoch, dessen Selbst durch Gehorsam gegenüber einer Autorität, die ihm sein Eigenes verboten hat, abhanden kommt, wird sich immer nach einer äusseren Autorität, einer Religion und ...
"What is wrong with groovin' ?" sang so schön wie niemand sonst Sowetos goldenes Kehlchen Letta Mbulu. Natürlich gar nichts ist die einzig korrekte Antwort, vorausgesetzt man hat den passenden ...
Heute in der eisen.huettenstadt.de Marketingetage: "..Mousepad schön und gut...die Leute wollen aber (1.) das was passiert,klaro, und (2.) Trikotagen, Beutel, Wimpel. Kann man da nicht etwas ...
Auf die Idee bin ich auch schon gekommen. Nur bei diesem Theme lässt sich das nicht so gut machen. Ich hab in diesem Theme ja ein Foto welches aus 3 Bildern besteht. Problematisch ist außerdem die ...
Dann musst Du aber auch Links auf die Artikel, die das Stadtfest in Eisenhüttenstadt feiern, setzen: Comedy kills Kultur der Stadt, Stadtfest, gegen die Kultur ...
Die Kinder der dereinst vertriebenen Paradieswohnkomplexbewohner nahmen übrigens üble Rache an den Errichtern der Stadt: Maurer in Trümmern...Kommentare ()
Nun gut, meine Kritik fiel etwas forsch aus, aber wahrscheinlich geschah dies aufgrund des Zitats "Das ist der Mann, der Eisenhüttenstadt durch den Code seiner Fotografien verändert". Ich ...
Wir danken herzlich für das Lob lieber Björn, aber noch mehr würden wir uns freuen, Dich hier öfter als Autoren begrüßen zu können. Wie wär's?Kommentare ()
Mir war es gestern Nacht vergönnt, mal einen Blick auf die Aufsteller zu werfen und entsprechend kann ich heute die von Wieland beschriebene Bilderlücke zum Projekt endlich schließen.Kommentare ()
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Nach einer ersten Kurzvisite kann ich fast schon wieder Entwarnung geben. Die Ausstellung ist dann doch mehr als Event konzipiert und auf die allgemeine Lauftouristik zugeschnitten als ...
Hey Wieland, ich bin ein großer Lump. Deine Mails beantworte ich spät bis nie und Deinen Kommentar zur stadtbezogenen Musique concrète lösche ich auch noch unglücklicherweise beim Großeinsatz ...
Leute, schaut mal bei WIKIhüttenstadt nach! Dort sind wieder einige Neuigkeiten hinzugekommen, die nach weiteren Ergänzungen verlangen.Kommentare ()
Vielleicht ergibt sich ja demnächst die Gelegenheit für ein bisschen gemeinsame fotografische Dokumentationsaktivität - nachdem ich letzten Samstag das große Vergnügen hatte, einen Abend mit ...