Sprüher und Vandalen, hört die Signale: Am Bahnhof kann man ruhig malen.
Das stimmt natürlich nicht so ganz, denn Taggen, T-Uppen, Fenster einschlagen, die Kippen ins Gleisbett schnipsen und auf den Boden aulen sind nach wie vor Tabubrüche, die man nicht gern sieht und die z.T. entweder eigentumschutzrechtlich oder nach dem Recht der guten Sitte verboten sind und bleiben.
Ansonsten ist es der Bahn aber relativ schnuppe, was am zugigen Bahnhof der Stadt geschieht:
Es werde zwar ständig kontrolliert und Gefahren beseitigt, aber das Entfernen von Graffiti und die Durchführung von Schönheitsreparaturen können aus finanziellen Gründen nicht erfolgen.
Das vermeldet Jürgen Pahn heute im Ruinenrundblick in der Märkischen Oderzeitung. Die Bahn kann sich glücklich schätzen, dass es nicht nur ihr, sondern auch den Sprayern an Geld fehlt, sonst würden die sich nach einer solch freundlichen Einladung gleich hektoliterweise Bombingchrome holen und das tun, was der Bahn AG mit dem Objekt bisher anscheinend nicht gelingt: Versilbern. Wenn es so weiter geht, dann ist der Eisenhüttenstädter Bahnhof irgendwann so heruntergekommen, wie der in Bad Homburg, was nur hinzunehmen wäre, wenn das Einkommensniveau sich parallel angleichen würde.
Ebenfalls mittelos zeigt sich der Eigentümer der ehemaligen Konsumverwaltung und später improvisierten Hip Hop- und Drogenhöhle in der Beeskower Straße, der Ende 1997 gemeinsam mit der Stadtverwaltung den vielleicht lebendigsten, offensten, multikulturellsten (Es war sogar mal ein Algerier da. Und der fuhr sogar richtig ordentlich Skateboard!) und illegalsten "Jugendklub" in der Stadtgeschichte auflösen, wobei die zum traditionellen Hausbesetzer wirklich alternativen Hausbesetzer von einige Vertretern der Stadtverwaltung mit vielerlei Versprechungen auf Ausweichobjekte geködert und verschaukelt wurden, so wie sich die Stadtverwaltung selbst augenscheinlich von einigen Vertretern vorwiegend westdeutscher Immobilienfreunde jahrelang mit leeren Versprechungen ködern und verschaukeln ließ. Die Beeskower Straße 3 ist dafür vielleicht das augenfälligste, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel. Der Niedergang des einstmals vornehmsten Gasthauses am Zentralen Platz, des Lunik, ist ein weiteres Exempel. Und das, was uns Jürgen Pahn als "Positives" berichtet, ist allein deshalb erschreckend und Symptom für die armselige Lage der Stadt, weil hier Vorschußlorbeeren verteilt werden, obschon bislang noch gar nichts geschehen ist und das, was geschehen soll, etwas vollkommen Selbstverständliches ist:
Das ehemalige Hotel Lunik, dessen abgeblätterte Fassadenfarbe schon von Weitem ins Auge fällt, ist kürzlich versteigert worden und harrt nun seiner baldigen neuen Nutzung.
Die andere "positive" Nachricht offenbart endgültig die Erbärmlichkeit der aktuellen Stadtentwicklung:
Die ehemalige Kaufhalle Mittelschleuse, so lautet eine Information des Eigentümers vom 2. November, soll künftig als Modemarkt für Kinder und Lebensmitteldiscounter genutzt werden und auch für die ehemalige Gaststätte Mittelschleuse ist demnächst die Wiedereröffnung vorgesehen.
So naiv konsumistisch kann man doch gar nicht denken, dass man einen weiteren(!) Lebensmitteldiscounter und einen ähnlich überflüssigen Kleiderhandel (was ist denn aus den Ernstings Family Filialen geworden) als Zeichen für einen Umschwung wertet. Hier geht es nicht einmal um Lerneffekte: Hier geht es darum, dass man in Eisenhüttenstadt offensichtlich absolut erfahrungsresistent geworden ist.
Und das eigene unglückliche Händchen so rechtfertigen wollen, zeugt auch von einer gewissen Dreisigkeit:
Schnell wird nach dem Rathaus gerufen, wenn es um die ruinösen Zustände in der Stadt geht. Doch der Kommune sind die Hände gebunden, wenn die Immobilienbesitzer nicht reagieren oder sogar pleite sind. Eigentum verpflichtet eben.
Vielleicht sollte man sich vorher einfach mal anschauen, mit wem man Geschäfte macht und sich nicht von jedem, der eine S-Klasse vor dem Rathaus einparkt, irgendetwas erzählen lassen. Derart entscheidungsunfähig kann man auch bei desolater Haushaltslage gar nicht sein, dass man das Immobilien- und Handlungsvermögen der Stadt in dieser Manier verheizt. Ich persönlich warte ja immer noch auf den Besuch der alten Dame...
Insgesamt gibt es im Stadtgebiet 59 desolate bzw. sanierungsbedürftige Objekte, 23 westlich des Oder-Spree-Kanals, 21 zwischen Oder-Spree-Kanal und Bahnlinie und 15 östlich der Bahnlinie,
heißt es in dem Text. Ich kenne nur eines.
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