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Eisenhüttenstadt Blog

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Geschrieben von
Ben
in Stadtbild
Samstag, 24. Oktober 2009
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Plaste oder Plastik? Verläuft die kulturelle Ost-West-Scheide am Frühstückstisch zwischen Mühlhäuser Pflaumenmus und Aachener Pflümli, in der Kantine zwischen Halberstädter und Frankfurter und im vernaschten Büroalltag zwischen Knusperflocken und Choco Crossies, so liegt im Laienplausch über Kunststoffe die Herkunftssozialisation schnell bloß, wenn der eine vom Plasteteller ißt und der andere zum Plastikgeschirr greift.

Was dem Ostdeutschen der Fetzer, ist dem Westdeutschen sein Mars und es kommt nicht von ungefähr, dass der Kriegsgott für ein Naschwerk namensgebend herhalten musste, dem das Potential zur Mobilmachung direkt in die Werbekampagne geschrieben wurde. Der Riegel, den sich die Ostdeutschen gern vorschieben, kommt in seiner onomastischen Auszeichnung dagegen noch zielbewusster zur Sache: Let's Fetz! So hieße derr Zenturio Marcus Rattenschlächter, wäre er eine Süßware! Der Riegel ist ein Reißer, besonders natürlich nach ausdauerndem Genuß und in der Hüftgegend. Bodyfit adé: bei gut 450 Kalorien auf zwei Stäbchen hängt das Business-Hemd bald entweder untailliert über dem Ranzen oder eben hulkig in Fetzen.

Die zentrale Plastik dieses kleinen Textes entzieht sich auf geschickte Weise der sprachlichen Ost-West-Differenz, denn sie ist aus Bronze gegossen und obendrein lebensdauerhaft wunderbar flachbäuchig, obwohl man schon zugeben muss, dass ihr Schöpfer sie in eine Lage versetzte, die wenigstens leichte Beulen am Abdomen gut kaschierbar macht.

Robert Metzkes' Eisenhüttenstädter "Liegender Weiblicher Akt" ist nicht die einzige Arbeit des Künstlers, die das so dankbare wie schöne Sujet des wohlgestalteten, unbedeckten weiblichen Körpers aufgreift. Auf dem bildhauerisch hochkaratig bestückten Rosenhügel fiel sie dem Flaneur immer als besonderes Schmuckstück ins überraschte Auge, fand sie sich doch etwas abseits der dereinst ausgetretenen Hauptpfade am Fuß des Hügels wieder. Aus einem nahen Gebüsch spähte Heinrich Drakes Zweimeter-Mann mit erhobenen Armen und unverhüllter Blöße herüber, so dass beide Aktfiguren in eine reizende Fernbeziehung verstrickt schienen: Der Mann des Altmeisters namens "Besinnung" in seiner etwas peripheren Hilflosigkeit gefangen und die selbstvergessene ausgestreckte junge Frauenfigur des jungen Bildhauers mit dem berühmten Vater (Harald Metzkes).

Die Vergangenheitsform in der Beschreibung dieser zwischenplastikschen Konstellation ist mittlerweile bewusst und zutreffend gewählt, denn beide wurden im Zuge der Skulpturenverdichtung am Gartenfließ aus ihrer Rosenhügelidylle also ihrem Beziehungszusammenhang gerissen und finden sich nun ein paar hundert Meter stadtnäher und doch zueinander viel ferner als zuvor.




Leicht sockelschief und sehr einsam.

Was träumt einer, der im Oktober 2009 so zur Besinnung kommt? Vielleicht frei nach Wolf Wondratschek:

"In nahen Städten endlich am Ufer eines Fließes gehn/und Frauen sehn, vom grellen Pomp des Herbstlaubs fast erdrückt,/sie schauen, schon wie Unbeteiligte entrückt/und lächeln kaum und warten lange und gewinnen..." (Original in diesem PDF)

Und die umsetzende Stadtwirtschaft Eisenhüttenstadt half auch noch mit, diese Seelenqual ins Unermessliche zu steigern...


Während sich die verzweifelte Besinnung dem Grau eines frisch balkonierten Wohnblocks gegenüber sieht und nun für völlig neue Sinnkonstruktionen passend platziert ist, liegt der Weibliche Akt rechts auf der Wiese noch hinter Siegfried Krepps Turnenden Knaben, die so ausgelassen Rücken zu Rücken handstehend ihre Beine in die Luft schlenkern.

Näher steht nun Bernd Göbels spitznasiger Akt mit Tuch und wuchtigem Gesäß, von dem sich die Besinnung jedoch und verständlich abwendet, denn diese Rückansicht führt gerade bei sinnierenden Männern oft schnurstracks in eine Besinnungslosigkeit. Die allerdings ist in diesem Fall, wie man von manchen hört, unter anderem durch die von vorn einen Tick zu eigentümlich scheinende Frisur der betuchten Kokette nicht zwingend gerechtfertigt. Ziemlicher Hochbarock eben. Dann doch lieber Aufklärung im Geiste? Und Erinnern an das und die Verlorene?

Mit welch perfektioniert schlichter Wohlproportioniertheit liegt doch die Figur Metzkes in Position! Sie ist im Vergleich zu ihrer molligen Fließnachbarin nicht weniger lasziv lesbar, wohl aber mit einem Ansatz, der sich als möglicherweise zufällig tarnen kann und sich durch diese Ambivalenz weitaus (an)spannender darbietet. Gerade in dem sie vorgibt, nicht zu schauen - den Hals nach hinten gestreckt, das Gesicht (wenn es geregnet hat) schwimmbadnass wie nach langen Bahnen im Becken und nun entspannend von der Belastung - wirkt sie umso reizvoller. Unnahbarkeit war immer schon ein Multiplikator für Attraktivität. Hier findet diese Erkenntnis ihre skulpturale Formgebung wie sonst kaum in Eisenhüttenstadt.

Den Blicken des Drake-Hühnen ist sie hinwiederum entzogen. Diese bohren sich umso gepeinigter in die Gardinen des Wohnblocks der Gartenfließstraße, während dieses eigentliche, vom Rosenhügel so vertraute Objekt seiner Begierde nun unerreichbar ums Eck entzogen, auf einen frischen Sockel gelegt und aktuell sogar noch von zusätzlichen Sichtschutzzäunen beschirmt wurde. Man sollte ihm zum Trost wenigstens einen Fetzer reichen! Denn wenn es um Konfektionsgrößen geht, darf sich der einzige weibliche Akt in seiner Reichweite , nämlich die besagte fleischige Bronzedame, nun wirklich nicht empfindlich zeigen. Fragt sich bloß, wann diese endlich den Dreh raus bekommt und nicht mehr wie die letzten Jahrzehnte nach dem kleinen, straffen Diskuswerfer mit dem Topfschnitt schielt, wenn ein splitterfasernackter Denker ihrer Hüft- und Kragenweite nur einen Hammerwurf entfernt darauf wartet, dass ihm jemand über den Verlust seiner großen Liebe hinweghilft. In solchen Fällen erzeugt die einfache Zuwendung trotz aller kalten Schultern sehr häufig einfach Zuwendung. Und die abstrakte fernschweifige Aufklärung weicht der konkreten naheliegenden Empfindsamkeit.




Sicherheit geht vor, gerade bei Akten wie diesem. 

Die bestimmt zahllosen Liebhaber der vielleicht schönsten weiblichen Nacktplastik der Stadt müssen sich dieser Tage mit einer Peepshow durch einen Sehschlitz zufrieden geben. Oder einfach aufstehen. Weiter hinten ums Eck steht aber einer, der kann sich Recken wie ein Recke und wird sie doch noch lange nicht mehr sehen. Mit den Skulpturen ist's so oft wie bei den Menschen..




Tags für diesen Artikel: , , heinrich drake, kunst, robert metzkes, , skulpturen, umsetzung
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