Im Getränkeladen neben dieser wunderschönen Quadratfensterwand wurde zum Zeitpunkt der Aufnahme mächtig zu Mittag gebechert und auch kurz mal argwöhnisch aufgeschaut. Da aber das Interesse der Stadtwanderer nur der Architektur diese winzigen Ladenzeile widmete man sich gleich wieder dem Tagesschäft, nämlich dem gepflegten Schnack unter Freunden und die Menschen mit der Kamera zogen recht bald weiter zur Kirche
Suche
Im Getränkeladen neben dieser wunderschönen Quadratfensterwand wurde zum Zeitpunkt der Aufnahme mächtig zu Mittag gebechert und auch kurz mal argwöhnisch aufgeschaut. Da aber das Interesse der Stadtwanderer nur der Architektur diese winzigen Ladenzeile widmete man sich gleich wieder dem Tagesschäft, nämlich dem gepflegten Schnack unter Freunden und die Menschen mit der Kamera zogen recht bald weiter zur Kirche
"Auf dem überwiegenden Teil der Fläche des WK VII Süd sieht das Nachnutzungskonzept die Schaffung einer einfach gestalteten Freifläche unter Einbeziehung des vorhandenen Gehölzbestandes vor, die weitgehend der Sukzession überlassen werden soll. Parallel zur Bahntrasse und im Süden soll zur räumlichen Einfassung und Abschirmung gegenüber den Bahnanlagen eine Aufforstung von Flächen erfolgen. Vorhandene Spielflächen sollen durch ein einfaches Wegenetz und ein vom ehemaligen WK VII Nord kommendes, freiraumplanerisch gestaltetes Nord-Süd-Band miteinander verknüpft werden. Vorgesehen ist der Einsatz unterschiedlicher Materialien und Pflanzen, die den Übergang von der Stadt in den Landschaftsraum visualisieren." (vgl. hier)
u.a. als Ergänzung hierzu.
Draußen am Orte,
Wo ich dich zuerst sprach,
Wacht ich oft an der Pforte,
Dem Gebote nach.
Da hört ich ein wunderlich Gesäusel,
Ein Ton- und Silbengekräusel;
Das wollte herein,
Niemand aber ließ sich sehen,
Da verklang es klein zu klein;
Es klang aber fast wie deine Lieder,
Das erinnr' ich mich wieder. ...
(aus: Goethe's Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand. Fünfter Band: Westöstlicher Divan. Unter des durchlauchtigsten deutschen Bundes schützenden Privilegien. Stuttgart, Tübingen: J.G. Cotta'sche Buchhandlung: 1827. S. 259)
Ansonsten ergibt sich der Anlass für das Zitat ganz profan aus dem Straßennamen, der dem zugegeben nicht sehr poetischen von der DDR-Plattenbaukultur der 1980er recht unsensibel gesäumten Stadtraum droben überm Oder-Spree-Kanal nahe Fürstenberg gegeben ist.
Optisch unterscheidet sie sich eher deutlich z.B. von der Goethestraße in Frankfurt/Main, in der man schon mal auf den Götterboten Hermès trifft, dies allerdings in Form eines Modeausstatters (ehemals Sattler), der - wie eigentlich jede Lifestyle-Marke der Welt (vgl. hier) - auch vom Rapstar Jay-Z gewürdigt wurde:
Insofern kommen wir in der heutigen bundesrepublikanischen Populärkultur selbst dort, wo man es nicht erwartet, nicht vom Bonzenlandflavour los, egal wo wir auch ansetzen. Die vom New Yorker Populärrapper gemeinte Tasche ist übrigens diese, wobei das Komma bei der Preisangabe in Deutschland nicht vor sondern nach den ersten drei Nullen steht...
I keep you workin' that Hermes Birkin bag/Manolo Blahnik Timbs, aviator lens
('03 Bonnie & Clyde mit Beyoncé)
Solch ein schickes krokodilledernes Wochenendhandtäschchen wird man allerdings in der Eisenhüttenstädter Goethestraße wohl an keiner Flaneurin sehen - auch wenn vieles möglich ist und wir nichts ausschließen wollen. Denn nicht nur im Monoply der Einkommensverteilung ist die in der Realität im Gegensatz zum Brettspiel selten sonnengelbe Straße dann doch eher an der Peripherie verortet.
Warum die Märkische Oderzeitung aber bei dem Wohnblock ganz weit im Osten der Stadt vom "Wohnen wie im Wilden Westen" spricht, kann eigentlich nur damit begründet werden, dass die Zeitzeugen für die Wild-West-Wohnverhältnisse sämtlich - z.B. unter der Mithilfe eines gewissen Robert Ford - erledigt wurden. Nun kann niemand mehr die Söhne der Katie Elder fragen, wie deren Mutti eigentlich den Haushalt in Schuss hielt und ob die Tapete daheim in Clearwater/Texas eigentlich ähnlich in Fetzen hing, wie es offensichtlich in manchem Hausaufgang der Gebäudewirtschaft der Fall ist:
Klaus-Jürgen Wille, Prokurist der Gebäudewirtschaft, bestätigt, dass die Hausflure seit Erbauung der Plattenbauten - und das war Ende der 80er Jahre - nicht modernisiert worden sind. Solange es keine Sicherheitsbedenken gibt, handele es sich um Schönheitsreparaturen.Der oben abgebildeten Idylle vor der Türe ist all das nicht anzumerken und entsprechend ergötzen wir uns an einer hellerleuchteten Fassadengeometrie, wie sie in ganz Texas ("..schenk nach/Sektglas/Endbenz/setz Trends/Ranch in Texas"!! - Prinz Pi: Bonzenlandflavour) und auch bei Jay-Z daheim ganz sicher nicht zu finden ist.
Was aber den von den Houris (so und nicht wie naheliegend eingedeutscht lautet der Plural der Paradieswächterinnen!) gesicherten Zugang zum Einzug ins Paradies - und jetzt denken alle wieder an den u.a. in Neuzelle am Lehrerbildungsinstitut ausgebildeten Hans Weber ("Mit Gabi in Bomsdorf"), der 1979 im Verlag Neues Leben ein Buch mit diesem Namen veröffentlichte, welches kurz darauf verfilmt wurde - angeht, legen wir die Hände besser nicht ins Fegefeuer und freuen uns lieber darüber, wie die Welt der Populär-, der Geld- und der Hochkultur sich immer wieder ganz von selbst an einer Stelle zusammenfinden, von der man es nicht vermutet...
Auf den ersten Blick verwundert es, dass die Abiturstadt von Tania la Guerrillera (Tamara Bunke) von Guerilla-Marketing weitgehend unberührt bleibt. Auf den zweiten und gar auf den dritten ist dies aber nachvollziehbar.
Zum einen hatte die Ejército de Liberación Nacional (ELN) nichts weniger im Sinn, als sich dafür instrumentalisieren zu lassen, fragwürdigen Kram mit mehr oder weniger originellem Tamtam an den Konsumbürger zu bringen. Der Gegenstand ihres Marketings - was man dereinst allerdings "Propaganda" nannte - war nichts Geringeres, als die Freiheit (bzw. was der lateinamerikanische Marxismus damit assoziierte) des (bolivianischen) Volkes. Dass Tanias Begleiter in diesem Kampf - Che Guevara - später ikonisch zu einem Allround-Bestseller aufsteigen sollte und entsprechend skrupellos kommerziell dort vermarktet wurde, wo die Jugend sich nicht so wirklich befreien wollte, aber mit dem politischen Aufstand auf dem Trikot immerhin einen temporären Gegenstandpunkt zur Welt ihrer Eltern auszudrücken versuchte, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen. Im Sinne Ches war diese post-mortem Breitwandkäuflichmachung seines Porträts sicher nicht. Für die Kinder der Vorstadt (bzw. des Vorstands) bedeutete sie aber immerhin die pragmatische Möglichkeit, sich in die Aura des Revolutionären einzuhüllen und dann zwischen Abitur und Studienbeginn ins Palästinesertuch gewickelt, einen abenteurlichen Lebensentwurf in ihrem nicht selten eher sauertöpfischen Umfeld auszuprobieren.
Die Zahl derer, die es aber tatsächlich ernst meinten mit der "Weltrevolution" und der "Befreiung der Unterdrückten" wäre dagegen für das Anwerfen der Siebdruckmaschinerie in den Textilfabriken der westlichen Hemisphäre zum Aufbügeln des unsterblichen Porträtfotos aus der Kamera des Alberto Korda als Marktgröße kaum zureichend gewesen. Außerdem hatte diese ja etwas ganz anderes zu tun als Che-Shopping.
Heute, im Zeitalter des Long Tail und der Nischenmärkte, sähe und sieht dies natürlich etwas anders aus. Und dann das: Jigga Jay-Z rappt locker flockig ""I'm like Che Guevara with bling on.." (auf dem Black Album, Public Service Announcement) zwischen "I got 99 problems but a bitch ain't one" und "Now if you shoot my dog, I'ma kill yo' cat" - so blödsinnig alttestamentarisch war der marxistische Guerrillero sicher nicht. So gut flexen konnte er aber vermutlich auch nicht. Inwieweit Parallelen zwischen Beyoncé und Tamara zu finden sind, soll hier lieber unbeleuchtet bleiben. Allerdings gibt es Ches Konterfei auch für die Frau am Strand.
Der zweite Grund, warum Guerilla-Marketing so wenig im Stadtbild Eisenhüttenstadts wahrnehmbar ist, mag dagegen mit der entsprechenden Zielgruppe zusammenhängen. Ein altgedienter Stahlwerker i.R. entspricht sicherlich weniger dem passenden Sinus-Milieu für die Eroberung der Kommunikationswelt mit einem mobilen ICQ-Gerät (Warum ist hier eigentlich niemand auf das Schlagwort Skyper 2.0 bzw. Scall 3.0 gekommen) als die hippe Crowd am Rosenthaler Platz. Daher lässt IXIMobile sein OGO-Graffiti in der Berliner Torstraße an die Wand bringen und nicht über einem Plattenbaudurchgang im Glogower Ring oder gar in der Magistrale gleich überm Hähncheneck und unterm leuchtenden Bieremblem. Und nebenbei: Dass ich dann hier indirekt auf das Produkt verweise, zeugt schon ordentlich vom Erfolg der Kampagne und davon, wo ich mich gelegentlich aufhalte.
Aber bevor ich zu absolut urteile: Wer weiß denn schon, welche Schriften der jungen Mann im Kopf hatte, der jüngst beim Malen am Bahnhof polizeilich ge- und erfasst wurde. Im Fußgängerdurchgang zum Empfangsgebäude wirbt immerhin jemand olfaktorisch mit seinem Harn und darüber prangt sich gut lesbar "Antifa" ins Gehirn der Reisenden. Inwieweit diese sich letztlich aufgrund einer solchen sinnlichen Erfahrung hinreißen lassen, den Initiatoren ihre Sache abzukaufen, bleibt Gegenstand der Aufmerksamkeitsforschung.
Eines zum Ansatz der OGO-Vermarkter ähnlichen Verfahrens bedient sich ein namentlich nicht bekannter lokaler Dienstleister, dessen improvisiertes Kalkwandinserat im Wohngebiet Anlass für die vorliegende kleine Betrachtung bot. Er verspricht in gar herzig naiver Weise unter Ausnutzung sämtlicher Klischees der Legasthenie die Lösung von Problemen im Freundeskreis:
Dan[n] melden Sie sich nicht in der Marmeladenidylle, sondern bei dem Kollegen mit dem Filzstift. Wobei die Gewaltphantasie natürlich nur eine Interpretationsvariante darstellt. Aber der stereotypen Vorstellung von durch Satellitenfernsehen vereinsamten Plattenbaubewohnern, die mit letzter Kraft einen Schrei nach Liebe auf die Außenwand ihres Blocks schreiben, wollen wir uns schon gar nicht hingeben. Und auch nicht einem Testanruf. Denn als Weblogger in einem Blog wie diesem besitzt man überhaupt gar keinen Freund ("oder Freunden") auf den (die) man keine Lust mehr haben könnte...
Jede Stadt hat sie, kaum eine Stadt zeigt sie (gern): ihre öden Orte. Durchgangsräume, verlassene Ecken, aufgegebene Objekte - gerade in einer schrumpfenden Stadt wie Eisenhüttenstadt, findet sich eine erquickende Vielfalt von stadträumlichen Ensembles, die hauptsächlich eines sind: desolat. Grob gefiltert lassen sich drei Kategorien feststellen:
Als erste gelten solche Orte, die einstmals anders geplant als Hort der Stadtlebendigkeit errichtet wurden, also in der Zielstellung ihrer Planung und Umsetzung Ausdruck eines Willens zur Stadtgestaltung aufweisen. Durch den - manchmal nicht ganz freiwilligen - Rückzug des Menschen, wie ihn der hiesige Stadtumbau nun einmal mit sich bringt und fehlender Nachgestaltung stürzt dieses Gefüge erstaunlich schnell und unter Mitwirkung der üblichen Indifferenz mittelalter Müllablagerer, Altmetalldiebe und jugendlicher bzw. Kind gebliener Steinewerfer aller Altersgruppen in sich zusammen. Hier bietet Eisenhüttenstadt vielfältige Beispiele und als besonders prominent erweist sich wiederum der verschwindende VII. Wohnkomplex.
Als zweite Kategorie gelten Raumgestaltungen, die relativ frisch erbaut einen bestimmten Zweck erfüllen sollen, aber stadträumlich derart unglücklich wirken, dass eine Raumnutzung zwar notgedrungen erfolgt, aber sich kein städtisches Leben erzeugen lässt.
Die Spannbreite dieser öden Orte reicht von den Supermarktparkplätzen bis hin zu den ohne einen Funken öffentlichen Raum geplanten Eigenheim-Suburbias. Auch wenn hier die Fassaden frisch gestrichen sind, weisen gerade die dichten Hecken und die spitzen, schmiedeeisernen Zäune an den Privatstraßen darauf hin, dass hier Exlusivräume gepflegt werden, die das Fremde, die ungewohnte Begegnung, wie sie öffentlicher bzw. Stadtraum als Kernmerkmal beinhaltet, möglichst absolut auszuschließen versuchen. Temporär mag sich hier selbstverständlich Leben einstellen, aber es ist funktional und vor allem auf Privatheit orientiert. Niemand - abgesehen vielleicht von drei Anwohnerenkeln - wird die Heinrich-Collina-Straße als Begegnungs- und Aufenthaltsort nutzen.
Ebenso sind die leeren - nicht immer leergefegten - ausufernden Parkplatzanlagen der Einkaufsorte dieser Stadt sind außerhalb der Geschäftszeiten weitgehend toter Raum, was von den Geschäftsleitungen auch so gewünscht ist, sind solche Flächen doch ihrer Zweckbestimmung sehr eindimensional: Eine Funktion über die Parkfläche hinaus erfüllen diese Hektar Stadtraum nicht. Wenn man Glück hat, sind sie rollschuhfreundlich gepflastert und der Wachdienst schaut auf entsprechende Nutzungsimprovisation nicht allzu streng. Manchmal gibt sich das Einkaufszentrum auch generös und stellt die Fläche für eine Monster-Truck-Vorführung oder ein Straßenbasketballturnier zur Verfügung. Aber selbst dann handelt es sich um Exklusivräume, die im Gegensatz zum öffentlichen Raum jederzeit und absolut vom Eigentümer in Hinblick auf gewünschte Nutzungs- und Begegnungsformen grundsätzlich reguliert werden können.
Gerade an dieser Abgrenzungsmentalität erzeugt sich der Widerspruch und eine seit 1990 entstehende interessante Ambivalenz im Eisenhüttenstädter Stadtraum. War die Stadtanlage - selbst im WK VI und WK VII grundsätzlich offen auf einander nach den jeweiligen Bedingungen abgestimmt umgesetzt und erschien deshalb als manchmal etwas disharmonisches aber immer folgerichtiges Gesamtwerk, in der mit der Werksiedlung sogar die kleinparzellige Eigenheimkultur eine Nische zugewiesen bekam, die von der Anlage auf die Stadtstruktur angepasst war, so zerfasern und irritieren die neuen Privaträume - z.B. das City Center und die m.E. völlig misslungene Ladenzeile im Norden der Lindenallee - und auch teilweise die Abrisse das Gefüge, da ihre Anpassung den angrenzenden Stadtraum nur nach Minimalansprüchen erfolgt. Ansonsten ist fast alles, was nach 1990 in der Stadt entstand nicht nur architektonisch ausgesprochen anspruchsarm. Die schlichten Zweckbauten der Autohäuser und Supermärkte sowie der Fertighäuser stehen dabei also beinahe in der Tradition der Massenbaukultur der späten DDR: Man findet wenig anderes Typenbauweise - der Unterschied liegt in der Art und Weise der Konzeption (nicht unbedingt in der Güte) und in der Finanzierung. Bis auf wenige Ausnahmen erweist sich der Stadtraum Eisenhüttenstadt allerdings erstaunlich kompakt und - wie das Beispiel der gescheiterten Nachnutzung der Schule im WK V als D+S europe Call Center zeigt - im Bestand schwer für Privatnutzung vermittelbar. Der Abriss bleibt dank des Denkmalschutzes kaum eine Option, obschon die - in privater Hand befindliche - ehemalige Kaufhalle im WK V aufgrund der üblichen Mitarbeit der Stadtvandalen ein heißer Kandidat sein dürfte. Privatwirtschaftlich nutzbar ist sie anscheinend nicht und für die Discounter-Könige ist Neubau allemal attraktiver und billiger als der Umbau in dieser ohnhin parkraumarmen Gegend der Stadt.
Die dritte Kategorie der öden Orte harmoniert mit dem Vorangegangen ein wenig. Sie bezieht sich auf Orte die von vornherein anspruchslos und zweckorientiert umgesetzt wurden und für die auch keine sonderlichen Nachgestaltungs- bzw. Erhaltungskonzepte existieren. Ein Beispiel sind die nach wie vor üppigen Garagenkomplexe, die neben den Kleingärten die eigentliche Form des Vorstadtlebens in Eisenhüttenstadt darstellen. Mehr oder weniger als Notlösung für den DDR-Bürger geschaffen, der weitaus weniger vom Privateigentum lassen wollte, als das sozialistische Gesellschaftskonzept vorsah, wurden diese tausenden PKW-Stellräume an zumeist möglichst peripheren Lagen zu Tausenden errichtet. Allen diesen Anlagen ist - u.a. auch mit den meisten Parkplätzen, wie man sie heute baut, dass sie keinerlei gestalterischen Anspruch über die Funktion hinaus besitzen. Stadträumlich sind sie fast ausnahmslos banal und mittlerweile häufig - vergleiche Kategorie eins - auch in der Nutzung verlassen, so dass das Kollektiverlebnis des Autowaschens am Samstag auch aus kulturellen Handlungsspektrum der Eisenhüttenstadt-Bewohner verschwunden sein dürfte. Manchmal kurvt tatsächlich noch einmal jemand zwischen den Reihen der Garagentore herum - nicht selten jedoch nur, um etwas Sperrmüll loszuwerden. Zur lokalen Massenkultur gehört der Traum von der Garage am Stadtrand aber sicher nicht mehr. Das daraus folgende Problem, wo die automobile Stadtgesellschaft in den parkflächenarmen frühen Wohnkomplexen, die nun nach der Sanierung wieder Einwohnerzuwachs verzeichnen, ihre Fahrzeuge wohnraumnah abstellen kann, wird womöglich eines der Kernprobleme für die Stadtentwicklung. Man hofft inständig auf eine gewisse Sensibilität, die der lokalen Bürgerschaft das Zugeständnis eines etwas weiteren Weges zum Fahrzeug abnötigt und stattdessen die Grünachsen weitgehend grün belässt. Bislang ist glücklicherweise in dieser Hinsicht wenig zerstört.
Die heutige Illustration zum Thema greift nun eine Ecke dieser schmucken Garagenkomplexe aus der Masse des im Alltag Übersehenen heraus und demonstriert deutlich, dass selbst - oder gerade - die ödesten Nischen der Stadtstruktur, dank dessen, was man "Eigensinn des Raumes" nennen kann, ästhetisch durchaus interessante Konstellationen hervorbringt.
Im öden Monat Januar ist es tatsächlich schwer, die öden Orte Eisenhüttenstadts im besten Fotolicht erscheinen zu lassen. Daher mag die ungewöhnliche Wandgestaltung im Stile des Drip-Verfahrens, die oberflächlich vielleicht sogar die assoziative Brücke zu Jackson Pollock bauen könnte, auf dieser Aufnahme etwas untergehen.
Im Kirchhofweg, der an der Nordseite fast über seine gesamte Länge - ausgerechnet mit der Ausnahme des Jüdischen Friedhofs - von solchen grauen Garagenrückwänden gesäumt wird, zu denen die Friedhofsmauer auf der Südseite auch nur bedingt einen attraktiven Kontrapunkt zu setzen vermag, bildet diese unfreiwillige Teerkleckserei immerhin schon eine Art Glanzlicht. Drüber wacht im trüben Lichte übrigens der Fürstenberger Wasserturm, der eine schönes Beispiel dafür ist, dass sich Funktionalität und ansehnliche architektonische Umsetzung nicht zwingend ausschließen.
Wie häufig hören wir auf den Stehempfängen Eisenhüttenstadts zwei Dinge! Erstens fordern uns die eifrigen Leser auf, getreu dem Motto "In der Kürze liegt die Würze" bzw. "Nur was richtig sitzt, richtig witzt" auf, weniger ausführliche Texte zu liefern und statt dessen einfach einen höheren Bild-Anteil in die virtuelle Sphäre hinaus zu posaunen. Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass wir dies bereits in den vergangenen Monaten mit Nachdruck verfolgen, wobei uns der schon jetzt Prosit 2008! ausrufende Logbuch-Schreiber und Deutschlandpulsmesser Andi Leser wie immer unerreichbares Vorbild bleibt.
Zweitens schimpfen die Bewohner von Eisenhüttenstadt-Ost, dass ihre Heimat - auch bekannt als Fürstenberg/Oder - bei uns so wenig Berücksichtigung findet. Wohl an, so führt Teil 19 des 2007er Stadtbilderreigens beide Aspekte zusammen: Wir beenden den Text an dieser Stelle und werfen einen Blick in die Fürstenberger Bahnhofstraße, nördlicher Abschnitt:
Der Landesjugendring Brandenburg sucht für ein Schreibprojekt Jugendliche an der ostdeutschen Grenze. Unter dem Motto «Stadt, Land, Fluss» sollen junge Leute ab Januar 2008 ihren Lebensalltag und ihr Umfeld über ein Jahr hinweg aufschreiben, teilte der Landesjugendring mit. Angesprochen sind Jugendliche im Alter von 16 bis 26 Jahren aus Eisenhüttenstadt, Frankfurt (Oder), Seelow, Küstrin-Kietz und Schwedt.So läuft es heute über den Nachrichten-Ticker und leider fallen wir aus der Altersspanne der Zielgruppe des brandenburgischen Landesjugendrings, sonst würden wir den Inhalt im nächsten Jahr noch stärker auf "Stadt,Land, Fluss"-Lebensalltags- und Umfelderfahrung ausrichten. So aber behalten wir unseren bisherigen "Untertitel" bei und nehmen einfach das, was uns so vor die Sinne stolpert unter das Seziermesser der schriftlichen Auseinandersetzung.
Silvio (mit Madleen) konnte sich bekanntlich jüngst über des Sinns des "Außer Haus"-Angebotes in Moretti's Diner wundern, wobei man hoffen kann, ja sogar muss, dass sich die dortigen Betreiber nicht langfristig in vollem Umfang an Moretti's Ristorante and Pizzaria im windigen Chicago orientieren. Über dieses heißt es nämlich in einer kurzen Kundenkritik:
Moretti's has the poorest service of any resteraunt[sic!] I can remember. The food is mediocre at best, but people go for the beer garden (biggest in the city) and the cute girls.Attraktive Backfische polieren selbstverständlich auch im reste-raunt den allgemeinen Eindruck ein bisschen auf, aber sie bieten keine nachhaltige Erfolgsgarantie: erstens sind sie nicht nachhaltig Backfisch und zweitens mit ihrem Anblick nicht nachhaltig Ersatz für guten Dienst am hungrigen Kunden. Von Geduldsfadennudeln ist jedenfalls noch niemand satt geworden.
Eine andere Neueröffnung aus dem mehr oder weniger gastronomischen Angeboten in Eisenhüttenstadts Magistrale stellt die nicht ganz umstrittene Backwarenverkaufsstelle mit Café-Anschluss des regionalen Bäckerei-Platzhirsches "Dreißig" dar.
Das Marketing hat sich für das Haus ein besonders hohe Ansprüche weckendes Motto herausgesucht: Nicht nur "unser träglich Brot", sondern "das täglich kleine Glück" wollen uns die Dreißiger geben. Das fordert natürlich heraus und so strebt man hinein durch die Glastür direkt auf den Verkaufstresen, an diesem vorbei in den Café-Raum, hängt den Wintermantel über den Gaderobenständer, setzt sich an einen kleinen Glastisch, zupft an der Kunstblume und blättert ein wenig durch die Speisekarte, etwas grober beschallt mit Rummelplatzweihnachtshymnen: "..mir wird so angst und bang/jeder Tag ist mir so lang..." und merkt nach gewisser Wartezeit, dass man sich in einem Selbstbedienungslokal befindet, da die Angestellten zwar emsig rotieren, sich dabei jedoch dem Tisch nicht nennenswert nähern.
Man muss also am Tresen bestellen, sonst passiert hier gar nichts und eigentlich auch gleich bezahlen. Andererseits kann man sich schnell nach der Bestellung zurück zum Platz begeben und dann wird dem Gast das Bestellte auch zum Tisch gebracht, wobei das Verkaufspersonal durch und über die Bank weg sehr freundlich und geduldig ist. Sofortige Zahlung ist trotzdem zu leisten. Die Heißgetränke sind solide, man bekommt sogar grundsätzlich und ohne Nachfragen ein Gläschen Wasser dazu, was in Ostbrandenburg nicht unbedingt zum Standard gehört. Der Kuchen ist einen Tick zu süß und an Originalität sicher noch optimierbar. Andererseits bewegt sich das Preisniveau auch deutlich unter dem des (Staats)Operncafés, so dass es hier einen gewissen Ausgleich gibt. Dennoch fehlt bedauerlicherweise nach wie vor ein Punkt in Eisenhüttenstadt, den man für wirklich exzellenten Kuchen direkt ansteuern würde...
Die Einrichtung ist bis auf eine Sofaecke eher für den Kurzaufenthalt gedacht und eventuell etwas eng gestellt. Andererseits muss sich ja auch keine Bedienung hindurchzwängen. Dafür kommt allerdings eine etwas übereifrige Angestellte mit Wischlappen und poliert gnadenlos Unruhe stiftend die Nachbartische, bevor sie glücklicherweise von einem Bekannten aufgehalten wird, mit dem sie mitten im Raum stehend allerlei Persönliches bespricht. Atmosphäre oder gar Heimeligkeit in der Weinachtszeit entsteht dadurch natürlich nicht so recht. Dafür eignet sich viel besser eine fast wandfüllend vergrößerte Fotografie mit nächtlichem Hochofenmotiv. Mit dieser wird tatsächlich ein Bezug zum Ort sehr schön dargestellt, während die anderen Wandgestaltungen der Dreißig-Corporate Identity entsprechen und die Filiale verwechselbar machen würden, wären da nicht die breiten Schaufenster mit Durchblick in die Lindenallee.
Wer Sonntags Lust auf Eierschecke oder Apfelkuchen mit Decke bekommt, findet nun nicht nur in der Saarlouiser Straße das, was er begehrt. Ein konsequent gemütliches Café-Erlebnis allerdings bisher noch nicht.
Am Fenster sitzen, die (wenigen) Flaneure beobachten können - darin liegt die eigentliche Stärke des neuen Lokals und deswegen lohnt sich auch der Besuch. Sitzt man eine Weile, sieht man deutlich, dass ein am Sonntagnachmittag geöffneter Anlaufpunkt ausreicht, um diesen Teil der Magistrale halbwegs zu beleben. Insofern erweist sich die Filiale durchaus als eine Bereicherung und wenn man konzeptionell mehr Konditorei und Café gewagt hätte, dann wären vielleicht sogar die umliegenden Backboxen und -shops nicht ganz so irritiert. "Das täglich kleine Glück" wird sich durch die Filiale nicht ganz und nicht für jeden einstellen, aber vielleicht ist dies ein erster Schritt, um im - immerhin - Stadtzentrum Eisenhüttenstadts langfristig die allgemeine Aufenthaltsqualität zu erhöhen - besser als eine Bankfiliale ist das neue Angebot in dieser Hinsicht allemal. Inwieweit die (Wieder)Belebung des Stadtzentrums dauerhaft gelingt, hängt sicher auch an dem, was im und mit dem Lunik geschehen wird und daran, ob und welche Temporärnutzungen für den Zentralen Platz gefunden werden und inwieweit sich in der Lindenallee Angebote etablieren, die sich nennenswert von dem, was die Einkaufszentren bieten, unterscheiden lassen. Die direkte Eingebundenheit in den Stadtraum erweist sich gegenüber den künstlichen und eingegrenzten Konsumillusionen, vor allem des City Centers, dabei in jedem Fall als grundsätzlicher Vorteil - vermutlich auch für die neue Dreißig-Filiale.
Update 19.12.2007
Doch dann kam Peter Dreißig. Mehr als 80 Filialen, in Guben zuhause, in Eisenhüttenstadt und Umgebung nicht unbekannt. Mitte 2007 wurde eine Zusammenarbeit vereinbart. Selbst Probleme mit dem Denkmalschutz konnten nach Aussage der GeWi-Chefin konstruktiv gelöst werden - eine Automatiktür wie in der Bäckerei Dreißig ist ein Novum im größten Flächendenkmal Deutschlands.
Passend zum Beitrag hat die Märkische Oderzeitung heute noch ein paar Hintergründe zur Entwicklung in der Magistrale im Blatt: Imagewandel in der Lindenallee. Auf die Automatiktür hätte man allerdings im "größten Flächendenkmal Deutschlands" eigentlich auch verzichten können...
Such-Ergebnisse in Kommentaren
Wir müssen als Sprachpedanten natürlich auch auf eine interessante Verwendung des Wortes "Schandfleck" in der Märkischen Oderzeitung und dort durch die selbe Reporterin hinweisen. Am 03. April ...
Oha, sollte die Stadtverwaltung tatsächlich aufgewacht sein und versuchen, sich mit dingen in und um die Stadt zu beschäftigen, die historisch oder in anderen Bereichen voielleicht auch ...
Da bahnt sich etwas an, wogegen man nicht nur innerhalb Eisenhüttenstadts protestieren sollte. Wenn wie beschrieben fast ganz Brandenburg betroffen ist, wird es Zeit nicht einzeln für sich zu ...
Da gibst Du mir ja gleich das richtige Stichwort für einen der gröbsten Kalauer der Humorgeschichte: Wie nennt man kriegführende Beutelsäuger? -?-?-?-?-?-?- Wombattanten. Kuno Fischer ...
Lieber Andi Leser, ich glaube von Beileidsbekundungen sollten wir an dieser Stelle aus Gründen der Pietät gänzlich Abstand nehmen: Das ist einfach nicht der Ort dafür. Weiterhin denke ich, dass ...
Ich erinnere mich sehr gut an diesen eigenartigen Aprilabend in Potsdam: Wieland war mit in Maschis "19er Renault", hatte gerade sein Handy verloren und drehte auf der Rückbank ziemlich durch. Wir ...
Wasserleiche, Unfall, Großbrand - damit sind wohl auch die drei Hauptsehenswürdigkeiten Eisenhüttenstadts aufgezählt.Kommentare ()
Hejda Wieland: schön Dich zu lesen. Vielleicht können wir auch in zwei Wochen den besten Milchshake Eisenhüttenstadts trinken gehen. E.mail mir doch bitte noch einmal die Nummer Deines ...