Sonstiges
Aha. EH Kennzeichen.
Es wird also weniger weniger. Oder doch nicht?
Da das Landesamt für Bauen und Verkehr im Zeitraum 2009 bis 2030 einen Bevölkerungsrückgang von -20 bis -30% für Eisenhüttenstadt prognostiziert...das würde bedeuten, dass immerhin noch 22182 bis 25351 1220er resident sind, ergibt sich ein Rückgang von rund 1% bis 1,4% pro Jahr (angenommen, es gehen den Apotheken nicht die Pillenvorräte aus - ja ich weiß es gibt andere Verhütungsmittel, aber der Charme eines Spaßes ist es, ihn nicht auf Kausalität hin zu prüfen).362 abgewanderte Einwohner sind etwas mehr als 1,14% bei 31689 Einwohnern insgesamt und damit liegt die Stadt voll in der Prognose. Jede Interpretation einer Statistik wird immer so dargestellt, wie man es gern hätte.
Liebe MOZ Redaktion...Der von Euch genannte Rückgang im Jahre 1995 beziffert sich bei 47.376 Einwohnern und einem Verlust von 392 auf etwa 0,82%.
1,14% versus 0,82%. Geringste Verluste?...wohl kaum.
Es geht mir nicht um Zahlenspiele ansich, aber das man vielleicht bei so einem Artikel mal berücksichtigt, dass die Betrachtung des absoluten Wertes des Verlusts an Einwohnern NUR in Relation zur Bevölkerungsanzahl Sinn macht...darauf hätte man bei einem Kaffee und der Betrachtung des Vogels:
vor Eurer Tür kommen können, bevor ihr ihn abschießt. Die Aussage des Artikels ist tatsächlich konvers zum realen Zustand.
Wenn 16000 Einwohner weniger da sind, ist anzunehmen, dass auch in Summe weniger Leute wegziehen (Den demografischen Wandel mal nicht betrachtet - Oma Inge (82) verkauft wohl kaum ihr Mobiliar und zieht zur Internetbekanntschaft Heinz (83) nach Stuttgart).
Fazit: Stimmt so nicht!
Aus aktuellem Anlass und aus Freude über die nunmehr 300+ Fans auf Facebook und die beinahe 1600 Stückchen fotografierte Stadtwahrnehmung in der Eisenhüttenstadt-Flickr-Gruppe und auch, weil endlich März ist und uns zwangsläufig ein Märzhase an den Nichtgeburtstag erinnert (der richtige, vierte, fällt auf den 27sten), veröffentlichen wir ganz ausgelassen ein uns jüngst zugelaufenes Traumbild:
Vor einiger Zeit polterte in einem tiefen Traumtunnel gesunden Nachschlafs aus einem noch unbestimmtem Grund ein fieberroter Zug mit mir Richtung Osten und nach Eisenhüttenstadt (Endstation). Neben mir in den Doppelsitz gespannt saß die tiefe Überzeugung – eine Vertrauensperson vor Ort hatte mir wohl Ähnliches berichtet – dass die unbarmherzige Stahlkugel des Stadtumbaus nun auch durch das Miniensemble einer nahstehenden Wohnbebauung gefahren sei. Gemeint war das Duett an sich wenig bedeutsamer Wohnriegel in der Wilhelmstraße/Ecke Ahornweg, das rechtwinklig zueinander errichtet am nordöstlichen Treffpunkt der beiden Schenkel zwei mit wundersamen Mustern bemalte Fassaden zeigte. Irgendwann einmal vor langen Jahren wohnte hinter einem der seltenen Südfenster des Ostblocks ein guter Bekannter, dem ich einige lustige Jugenderlebnisse verdanke und auf der Wiese nebendran standen possierliche Spielanlagen aus der fernen DDR. Tief und fest in mir blieb die gesamte/endlose Fahrt über die Erwartung verankert, dass eine kesse Planierraupe im Auftrag einer höheren Instanz gut gelaunt ein weiteres Artefakt meiner Erinnerung zielstrebig und wie von der Kette gelassen dahin gewalzt hätte.
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ZDF sucht Zeitzeugen
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Reduce to the Max: Dieser Vorname ist Programm und doch ein anderer.
So als Mensch, der mitten im Casual Friday einer spätkapitalistischen Gesellschaft steckt und doch nicht, also mitten in der Différance, hat man seinen mitunter Camus'chen, (drei) Kreuze und Kümmernisse. Dies weniger, weil man desillusioniert L’homme révolté immer auch als Aufstand bzw. Ausschank der Massen interpretieren muss, sondern vielmehr ganz konkret, weil man einem anderen Ende der Republik festsitzt und gerade in einer Abgeschiedenheit und Vereinzelung, wie sie sonst vielleicht nur an Brunnen mit Sternwürfeln erfahrbar wird, dem eigenen Anspruch an Einmaligkeit untreu werden muss.
Jeder Moment ein Ereignis, jeder Text zwar Simulakrum, aber eben doch nur Spur und nie Entsprechung, Variation statt Repetition, keine Metapher als scheuen Büffel ein zweites Mal über die ewiglich grünen Haine und Berge der Fantasie jagen, keine Zeichenkette ein weiteres Mal über den doppelten Wortwert des Scrabble-Bretts der zwischenmenschlichen Interaktion legen und vor allem - gilt für jeden Rapper - keinen Doppelreim doppelt reimen. Kurz: Jedes Lurchen ist ein unentschiedenes Axolotln bis jemand einfach drüber braust und dann ist alles entschieden. Dieses Weblog wollte immer der Schuh auf dem Pedal sein.
Daher sitzen die Grenzsteine einer hyperoriginellen und zugleich dauerflüchtigen Textproduktion im jenseits des Hergebrachten und daher muss man heute in Sack und Asche vor den eigenen Anspruch treten und sein Scheitern beichten: Zum ersten Mal in der Geschichte des Eisenhüttenstadt-Blogs sehen wir uns gezwungen, eine Fotografie zweimal als Illustration heranzuziehen und - als wäre dies allein nicht schändlich genug - illustrieren wir damit den womöglich einzigen Beitrag, der sich aus dem Februar 2010 in dieses Weblog schälen wird.
Woran liegt es? Wer aufmerksam in den bunten Blättern der neuerdings nerdigsten Tageszeitung Deutschlands oder der aktuelle Ausgabe der New York Review of Books blättert, nimmt den Schuldigen zielsicher ins Fadenkreuz, wie der Waidmann im Hochstand die hinkende Ricke auf der Lichtung. Es ist Facebook. Niemand anderes, nur Facebook, die Plattform in die dieses Weblog nicht mehr nur hineintröpfelt, sondern auf der es selbst und mitunter in Interaktion mit Lesern das Blogging nur mehr Micro-Blogging sein lässt und sich damit der gnadenlosen Rute der Grundbausteine webbasierter Kommunikation - Allgegenwart, Unverzüglichkeit und sofortige Überholung - beugt. Wir haben einen Wall aufgebaut, der nahezu unablässig beschrieben wird und wer nur zweihundert Freunde hat, bei dem geht das Most-Recent des Newsfeeds in ein pervitinisches Dauerfeuer über, das einerseits hochstimuliert, andererseits auch zu tiefen informationellen Abstürzen führen kann, wie "zwei aus hygienischen Gründen statt durch einen Geldschein durch einen Kassenbon [=Post-Geldschein] gezogene Lines Ritalin" (O-Ton Helene) Anspielungstriefende Textgewebe, die nur mit Slow Reading und viel, viel Hingabe zu erschließen sind, haben dort allein schon wegen der Zeichenbegrenzung in den Update-Fensterchen keinen Raum zum ent-, höchstens einen Zwinger zum zusammenfalten.
Andererseits stimmt die soziale Akzeptanz und zwar doch wieder frohgemut, denn 253 explizite Fans hatte das Eisenhüttenstadt-Blog in der Blog-only-Variante vermutlich nie. Bewahrheitet sich hier, dass begehrenswert erscheint, was rar wird? Sollte ausgerechnet der Mangel an aktuellen Texten im Blog ein Verlangen stimulieren, dass man dabei sein und direkt erfahren möchte, ob und wenn ja, wann neue Zeilen aus dem Richtext-Editor in das weltumspannende Datennetz ziehen, wie irgendwann einmal Sechse in die Welt? Oder ist es einfach der niedrigschwellige Charakter dieses virtu-sozialen Netzwerks und der Bezug zu Eisenhüttenstadt, der manche Facebook-Nutzer nichts als einen schlichten Erinnerungsknoten in das weiße Band unserer Internetpräsenz binden lässt? Die Vermutung schlägt sich auf die Seite des Letztgenannten. Denn die meisten unserer Fans stehen wohl eher in geografischer Verbindung zur Stadt als in herzlicher zu diesem Weblog.
Sollte das Eisenhüttenstadt-Blog aber tatsächlich zur einem Symbol für eine bestimmte Art Eisenhüttenstadt zu sehen und für sich aufzuheben geworden sein, dann ist jedes nur wünschbare Ziel erreicht. Und dann ist folgende APN-Meldung, die den eigentlichen Anlass für dieses kurzes Schweifen bietet, auch erklärbar:
Wenn man einzelne Regionen betrachtet, gibt es andere Nummer-1-Vornamen
als Marie - zum Beispiel Anna in Donauwörth, Lena in Hofgeismar und
Langenau oder Leonie in Siegen sowie bei den Jungen Ben
(Eisenhüttenstadt und Georgsmarienhütte), Julius (Greven), Lasse
(Eckernförde), Max (Kamenz) oder Mohamed (Langen) und Samuel
(Illertissen).
Wie soll man denn da - 250+ Anhänger bei Facebook und den eigenen Namen an der Spitze der Charts - auf dem Teppich bleiben? Wenn ich jetzt noch irgendwann wieder mal ins Radio komme, verliere ich als Autor jede Bodenhaftung. Versprochen.
Aber wie hieß es bei Rimbaud II: "Je est un autre." Übrigens auch zweimal (in einem Brief an Georges Izambard und einen Paul Demeny, beide im Mai 1871 aus Charleville-Mézières). Dürfen wir, was man Rimbaud zugesteht? Ich denke ja. Daher nun zum zweiten Mal den Maximilian (vgl. hier):
"Maximilian jetzt Leadgesang"
Da irrt Herr (Max) Herre bereits bei den Ersten Schritten, auch wenn sein Freundeskreis das vielleicht anders sieht. Maximilian war hier in Eisenhüttenstadt vielleicht mal, was er anderswo noch ist: die Number One unter den Vornamen für Jungen. Aber anderswo ist auch Ben Stiller. In unserem "Wicked Little Town" spielt dagegen eine andere Namensgruppe die erste Klampfe. Und zwar diese hier.
Miss Daisy und ein Flaneur: Eine kleine Impression zum Sonntag.
Da, wie ich heute aus selbstsicherer Quelle erfuhr, der Weltuntergang erst am 21.12.2012 und nicht etwa mit dem Schneetief Daisy („push it up, push it up“), stattfinden soll, bleibt nach wie vor Gelegenheit, immer wieder mal zu kleinen Wanderungen durch das Mark der Eisenhüttenstadt aufzubrechen und die Eindrücke etwas unsortiert auszudrücken, die sich wie von Kinderstiefeln hingestiefelte Traktorspuren auf den Schneefeldern des ehemaligen VII. Wohnkomplexes durch das schmale Sichtfeld der windbedingt zusammengekniffenen Lidern ziehen.
Mit fest geschnürtem Schneeschuhwerk betritt man also den Eisenhüttenstädter Mikrokosmos, der sich tatsächlich ein stückweit in Eis- und Endzeitstimmung präsentiert. Oder wie ein eigenartig Wirklichkeit gewordener Traum von einem verpassten Stelldichein im Stadtpark in Workuta. Nur in ganz hellen Momenten erspäht man den einen und dann auch noch den anderen dunklen winterjackenaufgepumpten Oberkörper, der sich wie beschwipst und flankiert von teilweise hüfthohen Schneeverwehungen durch die aufgeschaufelte Sonntagsruhe bewegt. Zwei junge Männer mit Trucker-Käppies schlurfen durch die so menschen- wie mieterleere Fröbelringpassage und rufen dem Winter ein trotzig-überdrehtes „Yo Alter!“ als Salut zu. Die Jahreszeit revanchiert sich dadurch, dass sie den Mittelschülern ein paar Eiszapfen in Traufhöhe über den Kopf hält und sie daran erinnert, wer hier in der Mensch-Natur-Relation eigentlich der Dionysios ist und wer sich als Damokles fühlen muss. Wenn schon nicht alles vergänglich ist, so lässt sich doch alles wenigstens einfrieren, egal wie cool es sich auch gibt.
Weiter hinten, wo Otto Schutzmeisters leider immer noch von einem albernen silbernen „Bitch“-Schriftzug beeinträchtigen Mosaik-Kosmonauten der kosmischen Kälte mit einem orangenen Schutzanzug trotzen, schwärmen Vögel in einer Höhe, die die Kosmonauten räumlich nie erreichen werden und auch die Bewohner des nebenan stehenden Hochhauses müssen sich ins Obergeschoß begeben und sich dort weit aus dem Fenster hängen, um in Vogelaugenhöhe zu sein. Von diesem Ausguck zeigt sich deutlich der besondere Zauber, der aus der Kombination deckweißer Schneeklumpen und tannengrünem Nadelgehölz, hier Modell Kiefer, ergibt. Diese Tönung aus weißgedeckter Friedlichkeit wirkt zurück auf die Gesamtstimmung des Stadtraums, der sich so sauber und erstarrt präsentiert, wie man sich ein Weltende erhofft, mit dem man leben könnte.
Wer sich in Gegenden wie Berlin-Alexanderplatz über den Schnee beklagt, dem muss diese Landschaft sibirisch erscheinen. Hier sehen wir eine Straßenquerung im VI. Wohnkomplex zur heutigen Hauptverkehrszeit.
Der Unterschied zum üblichen Sonntagserleben des Stadtbilds liegt dabei vor allem in seinem oberflächlich makellosen Äußeren und weniger in seiner ein wenig starren Verfasstheit – würde so mancher jetzt mit aller ortsüblichen Impertinenz sagen. Wir jedoch kennen die ersten Frühlingssonntage noch aus eigener Anschauung und nicht nur vom Hörensagen und wissen, dass es im Jahreslauf immer eine Handvoll Wochenenden gibt, in denen in Eisenhüttenstadt Flaneure beinahe so häufig sind, wie heute Amseln am Vogelbeerenbusch. Und ähnlich flatterhaft. Drei Frühlinge hat die Menschheit auch dem neuesten Maya-Kalender noch vor sich. Die gilt es zu nutzen. Also lautet die Antwort auf: Could this really be the end? wie es die virtuos avantgardistische Emily Well (wer es findet, sollte sich unbedingt ihr Notorious B.I.G.-Cover "Juicy" anhören..) gerade im Radio fragt, für heute erstmal nein. Jedenfalls wollen wir es weder hoffen noch vermögen wir es, zu glauben. ["Miss Daisy und ein Flaneur: Eine kleine Impression zum Sonntag." ... »]
Vorgestern twitterte die vergleichsweise junge Politikerin Kristina Köhler irgendwo in Hamburg in ein mobiles Kommunikationsgerät
"Jetzt schnell zum Hauptbahnhof, um den letzten Zug zurück nach Berlin zu bekommen."
Den hat sie wahrlich erreicht und nun ist sie Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, also in etwa alles, was mit Menschen zu tun - ausgenommen vielleicht alleinstehende Männer zwischen 25 und 65. Als Philatelist sieht man sie natürlich in der direkten Nachfolge zur berühmten Käte Strubel (Wertstufe Briefporto, Michel-Nr. 2150, ausgegeben am 09. November 2000 und noch heute gültig, aber immer seltener), von der die weise Schlußfolgerung "Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte." überliefert ist. Nach der Berufung Philipp Röslers zum Gesundheitsminister und mit dem Verteidigungsminister und Freiherrn von Guttenberg im Hinterkopf bestätigt die Berufung von Kristina Köhler einen maßgeblichen Trend in der aktuellen deutschen Politik: jung, konservativ, twitter. Mal sehen, für welchen alten Zausel Florian Bernschneider ins Kabinett nachrücken wird.
Indem Karl-Theodor von Guttenberg per Heirat und damit als Familienvater in den Bismarck'schen Stammbaum eindrang, zeigte er er ein besonders intensives Engagement, alte Werte zeitgemäß gleichermaßen zu interpretieren wie zu reproduzieren. Während er und Philipp Rösler jeweils zwei Töchter großziehen, kümmert sich die ledige Kristina Köhler bisher vorwiegend um sich selbst und mit dieser Auskunft soll es dann auch genug sein mit Gala-Wissen.
Persönlich denke ich beim Namen Köhler traditionell und für alle Zeit an einen alten Geschichtslehrer, der einst im lichten Geschichtsraum im ersten Stock einer Schule, in der jetzt Krankenkassendaten verrechnet werden, einen Mitschüler namens Mirko mächtig erschreckte, indem er neben ihm zusammensackte, um zu demonstrieren, was mit den Astronomen, Priestern und sonstigen Vor-Intellektuellen der Frühgesesellschaft geschehen wäre, wären sie nicht von eben dieser mit genügend Nahrungsmitteln als Gegenleistung für die Sterndeutungsarbeit versorgt worden.
Kultur muss man sich leisten können. So lautete die durchaus lautere Botschaft und irgendwie gilt sie auch heute noch. Bei selbigem Herrn Köhler fand man sich dann auch am Freitag, dem 10.November 1989 zur ersten Unterrichtsstunde zusammen. Schätzungsweise zwei Schüler fehlten mehr oder weniger durch die spontane Öffnung der Mauer entschuldigt und schrieben Geschichte.
Die anderen schrieben Geschichte, denn Herr Köhler fehlte nicht. So weit erinnerlich, fiel es ihm recht schwer, mit diesem Vorfall der Nacht auch nur irgendwie umzugehen. Doch was lässt sich auch sagen, wenn der so lange eisern gerechtfertigte Eiserne Vorhang holterdipolter endgültig aufgezogen und abgenommen wurde. Und das andere, in den Begrüßungsgeldwarteschlangen dieses Tages selbstverständlich von allen erbittert diskutierte Thema, nämlich die Ablösung des Generalsektärs der Kommunistischen Partei Bulgariens (und Staatschef) Todor Schiwkow durch seinen Politbüro-Kollegen Petar Mladeno, war an diesem Morgen noch keines für die historische Schulbildung.
Interessant dabei ist, dass selbst ein medial in vielerlei Hinsicht sehr präsenter Bundespräsident Horst Köhler eine in jungen Jahren festgelegte Assoziation mit dem Geschichtslehrer, dessen Vorname den Schülern nie bekannt wurde, da man immer nur respektvoll vom Herrn K. sprach, nicht zu übertünchen verstand. Allerdings ist eine Blutsverwandschaft der drei Köhlers - dem Eisenhüttenstädter Lehrer, dem in der Woiwodschaft Lublin, aus der übrigens auch Rosa Luxemburg stammt, geborenen Bundespräsidenten und der jugendlichen Familienministerin aus Wiesbaden - eher unwahrscheinlich. Die deutschen Telefonbücher listen fast 40.000 Köhler. Darin enthalten sind sieben in Eisenhüttenstadt und mehr als sieben Dutzend in Wiesbaden. Eventuelle Köhler mit Geheimnummern sind hierbei nicht erfasst.
Die zweite Kindheitsassoziation mit einem Köhler, die ebenfalls noch vor dem Bundespräsidenten wie ein morscher Schuppen vor die Augen fällt, scheucht den Karparten-Köhler aus den Mosaik-Heften "Das verschwundene Regiment" und "Das Höhlenwunder", erschienen im November und Dezember 1978, von seinem Meiler auf meinen Schirm. Die Nummern tauchten irgendwann in den 1980er Jahren in einem Stoß von Mosaikausgaben auf, den ein lieber Vater seinem Abraxfaxe-wilden Sohn nach der aufgeregten Lektüre einer Anzeige in der Tageszeitung "Der Morgen" und einem kurzen Spaziergang in den Birkenweg für ein paar (sicher nicht wenige) Mark der DDR erwarb und in die kleinen Hände drückte, worauf etwas begann, für dessen Beschreibung man das Wort Heftklammern auch ganz passend verwenden kann. Tausendmal nicht nur gelesen, sondern tatsächlich mit dem Regiment Kraxelberg-Jodelfingen durchs Österreich-Ungarische gezogen. Jawohl, so war es.
Bei der Frage nach Gemeinsamkeiten der beiden Köhler dieser Eisenhüttenstädter Kindheit, dem geschichtslehrenden und dem kuruzischen, bleibt die Erinnerung dagegen ein enger schwarzer Tunnel, in dem man sich auch nicht wirklich so drehen und wenden kann, wie man will. Auch die Verknüpfung zum Schlafwein wäre straff gelogen, selbst wenn Alkohol in der DDR ein alltägliches und vor allem im Vergleich zu heute sichtbarer alltägliches Verdruß- und Genußmittel war. Pokern könnte man also. Die Spirituosenregale in den Kaufhallen Eisenhüttenstadts präsentierten sich - zum Leidwesen von uns Kindern - grundsätzlich besser sortiert, als beispielsweise das kleine Speiseeisfach in den immer etwas muffig riechenden Kühltruhen. Nur vermag ich weder von der Truhe noch vom Schnapsregal zu sagen, ob bzw. wie oft unser Geschichtslehrer in selbige/selbiges hineingriff. Und daher passe ich hier und dazu noch auf das, was ich schreibe, auf. Dass der Herr K. immer etwas verschwitzte Hemden trug, ist dagegen nicht aus dem Bildgedächtnis zu drängeln. Ebensowenig die blonde Köhlerliesel aus den Karparten, die, da sie das Geheimnis des verschwundenen Califax kennt, mit schwerem Wagen nach Wien ziehen muss, um dort mit so fröhlichen Gestalten wie Alois Vierschroth, Hans Wurst, zwei Gendarmen mit den Wienerischen Namen Grantiger und Bösl allerlei erlebt, was man am besten selber nachliest. In der Erinnerung verschwimmt sie mir immer mit Knödel-Pfanni zu einem wundersamen Klos. In der Jetztzeit ist diese Mischung natürlich hoffungslos aufgelöst.
Geht man zu unserem aktuellen Bundespräsidenten und seinem Geburtsort zurück, was körperlich einem Quanten- und im Assoziationspool des Gehirns interessierter Zeitgenossen einem Katzensprung gleich kommt, so kann man in allergrößter Bemühung den Rundweg von Heidenstein nach Stolp (bzw. vom für deutsche Zungen phonetisch herausfordernden Skierbieszów zum klanglich hochpossierlichen Słupsk) nehmen. Beide liegen nämlich östlich des Eisenhüttenstädter Heimatflusses Oder und während bei Skierbieszów spätestens jetzt für alle Zeiten bekannt ist, welche Persönlichkeit dort geboren wurde, rätselt manch ein Leser bei Słupsk vielleicht noch. Die Philatelisten und Kartophilen denken natürlich sofort in Richtung des Begründers des modernen Postwesens, Heinrich von Stephan, (richtig), die Philosophen an den Definitoren der Inkompetenzkompensationskompetenz, Odo Marquard, (richtig) und die Filmliebhaber an den Vati von Nastassja, deren Poster aus dem Filmspiegel die Pubertät nennenswert beschleunigte: Klaus Kinski. Das ist natürlich falsch, denn dieser wurde wie Winfried Glatzeder, aber viel früher, im Ostseebad Sopot geboren und das ist gut 100 Kilometer weit von Słupsk entfernt. Wer einmal im Kinski in der Tadeusza Kościuszki seinen Cobra Verde getrunken hat und den Zug nach Słupsk bekommen musste, der wird dies nie vergessen. Aber nicht jeder schafft es überhaupt nach einem Długa 77 im Café Ferber dorthin. Zumal ums Eck noch das Pub zum Blauen Pudel wartet.
Doch nun hurtig und nüchtern zurück von Sopot nach Słupsk, z.B. mit dem Polen wahrlich durchquerenden D 18105 morgen um 14:20. Denn die Person, um die es geht, wurde genau dort geboren, auch wenn sie vielleicht nicht jeder Słupsker sofort auf dem Stadtplan hat. Fährt man dagegen nach Hoyerswerda, weiß jeder, wer gemeint ist: Jürgen von Woyski (vgl. auch hier).
Einen bekannteren Kleinplastiker der DDR findet man wohl kaum und nicht ohne Grund war er in unserem Blog schon öfters Haupt- und Nebenthema. Da auch heute wieder wenig zum Schreiben da ist (schon gar nicht zu den beiden Arbeitsunfällen auf der Prowell-Papierfabrik-Baustelle) und wir mit dem jetzt verschwundenen Kulturhaus der Hüttenwerker zu wenig verbinden, um darüber noch etwas Substantielles zu verfassen, soll dieser Artikel zum Freitagabend einzig drei schöne Fotografien einer sehr beliebten, mehrfach gegossenen und mindestens einmal (in Cottbus) von mutmaßlich Buntmetalldieben beinahe gestohlenen Arbeit namens "Liebespaar unterm Schirm" ins Netz bringen. Obwohl die Plastik aus dem Jahr 1963 in Hoyerswerda, Cottbus, Potsdam und womöglich auch noch an anderen Orten aufgestellt wurde, fokussieren alle drei Aufnahmen die Eisenhüttenstädter Variante. Die befindet sich nach wie vor, hoffentlich nur in guter Gesellschaft, auf dem Rosenhügel und vergisst in ihrer etwas schamhaften Verliebtheit ganz den Blick Richtung Gartenfließ. Der aber auch nicht mehr so richtig verzaubert, seitdem ein ästhetisch sehr billiger und daher für Feingeister schwer zu billigender Wohnblock aus den 1990ern die Sicht versperrt. Wer die Plattenbauten aus geschmacklichen Gründen verteufelte, hätte hier eigentlich nicht schweigen dürfen. Die meisten haben es aber getan und waren mit dem Kopf ganz woanders. Mit dem Herz sowieso.
Jetzt aber nach der knappen Vorrede endlich zu den drei Fotografien aus drei verschiedenen Gefühlslagen! Die erste entstand zu einem Zeitpunkt, zu dem der ÖPNV noch auf abgerundete Busse setzte und Eisenhüttenstadt - ganz sicher nicht Stalinstadt, man bedenke das Schöpfungsjahr der Plastik! - nur an Feiertagen farbig war:
Wem schwirrt nicht sofort der schönste Chanson, der nie geschrieben wurde, ins Ohr, wenn er als Schwarzweiß-Fernseher in lockerer Sommer- und Sonnenschirmstimmung auf dieses Stelldichein am Rosenhügel blickt und links und rechts davon die junge Stadt sich unterm weiten Himmel räkeln sieht.
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