So als Mensch, der mitten im Casual Friday einer spätkapitalistischen Gesellschaft steckt und doch nicht, also mitten in der Différance, hat man seinen mitunter Camus'chen, (drei) Kreuze und Kümmernisse. Dies weniger, weil man desillusioniert L’homme révolté immer auch als Aufstand bzw. Ausschank der Massen interpretieren muss, sondern vielmehr ganz konkret, weil man einem anderen Ende der Republik festsitzt und gerade in einer Abgeschiedenheit und Vereinzelung, wie sie sonst vielleicht nur an Brunnen mit Sternwürfeln erfahrbar wird, dem eigenen Anspruch an Einmaligkeit untreu werden muss.
Jeder Moment ein Ereignis, jeder Text zwar Simulakrum, aber eben doch nur Spur und nie Entsprechung, Variation statt Repetition, keine Metapher als scheuen Büffel ein zweites Mal über die ewiglich grünen Haine und Berge der Fantasie jagen, keine Zeichenkette ein weiteres Mal über den doppelten Wortwert des Scrabble-Bretts der zwischenmenschlichen Interaktion legen und vor allem - gilt für jeden Rapper - keinen Doppelreim doppelt reimen. Kurz: Jedes Lurchen ist ein unentschiedenes Axolotln bis jemand einfach drüber braust und dann ist alles entschieden. Dieses Weblog wollte immer der Schuh auf dem Pedal sein.
Daher sitzen die Grenzsteine einer hyperoriginellen und zugleich dauerflüchtigen Textproduktion im jenseits des Hergebrachten und daher muss man heute in Sack und Asche vor den eigenen Anspruch treten und sein Scheitern beichten: Zum ersten Mal in der Geschichte des Eisenhüttenstadt-Blogs sehen wir uns gezwungen, eine Fotografie zweimal als Illustration heranzuziehen und - als wäre dies allein nicht schändlich genug - illustrieren wir damit den womöglich einzigen Beitrag, der sich aus dem Februar 2010 in dieses Weblog schälen wird.
Woran liegt es? Wer aufmerksam in den bunten Blättern der neuerdings nerdigsten Tageszeitung Deutschlands oder der aktuelle Ausgabe der New York Review of Books blättert, nimmt den Schuldigen zielsicher ins Fadenkreuz, wie der Waidmann im Hochstand die hinkende Ricke auf der Lichtung. Es ist Facebook. Niemand anderes, nur Facebook, die Plattform in die dieses Weblog nicht mehr nur hineintröpfelt, sondern auf der es selbst und mitunter in Interaktion mit Lesern das Blogging nur mehr Micro-Blogging sein lässt und sich damit der gnadenlosen Rute der Grundbausteine webbasierter Kommunikation - Allgegenwart, Unverzüglichkeit und sofortige Überholung - beugt. Wir haben einen Wall aufgebaut, der nahezu unablässig beschrieben wird und wer nur zweihundert Freunde hat, bei dem geht das Most-Recent des Newsfeeds in ein pervitinisches Dauerfeuer über, das einerseits hochstimuliert, andererseits auch zu tiefen informationellen Abstürzen führen kann, wie "zwei aus hygienischen Gründen statt durch einen Geldschein durch einen Kassenbon [=Post-Geldschein] gezogene Lines Ritalin" (O-Ton Helene) Anspielungstriefende Textgewebe, die nur mit Slow Reading und viel, viel Hingabe zu erschließen sind, haben dort allein schon wegen der Zeichenbegrenzung in den Update-Fensterchen keinen Raum zum ent-, höchstens einen Zwinger zum zusammenfalten.
Andererseits stimmt die soziale Akzeptanz und zwar doch wieder frohgemut, denn 253 explizite Fans hatte das Eisenhüttenstadt-Blog in der Blog-only-Variante vermutlich nie. Bewahrheitet sich hier, dass begehrenswert erscheint, was rar wird? Sollte ausgerechnet der Mangel an aktuellen Texten im Blog ein Verlangen stimulieren, dass man dabei sein und direkt erfahren möchte, ob und wenn ja, wann neue Zeilen aus dem Richtext-Editor in das weltumspannende Datennetz ziehen, wie irgendwann einmal Sechse in die Welt? Oder ist es einfach der niedrigschwellige Charakter dieses virtu-sozialen Netzwerks und der Bezug zu Eisenhüttenstadt, der manche Facebook-Nutzer nichts als einen schlichten Erinnerungsknoten in das weiße Band unserer Internetpräsenz binden lässt? Die Vermutung schlägt sich auf die Seite des Letztgenannten. Denn die meisten unserer Fans stehen wohl eher in geografischer Verbindung zur Stadt als in herzlicher zu diesem Weblog.
Sollte das Eisenhüttenstadt-Blog aber tatsächlich zur einem Symbol für eine bestimmte Art Eisenhüttenstadt zu sehen und für sich aufzuheben geworden sein, dann ist jedes nur wünschbare Ziel erreicht. Und dann ist folgende APN-Meldung, die den eigentlichen Anlass für dieses kurzes Schweifen bietet, auch erklärbar:
Wenn man einzelne Regionen betrachtet, gibt es andere Nummer-1-Vornamen
als Marie - zum Beispiel Anna in Donauwörth, Lena in Hofgeismar und
Langenau oder Leonie in Siegen sowie bei den Jungen Ben
(Eisenhüttenstadt und Georgsmarienhütte), Julius (Greven), Lasse
(Eckernförde), Max (Kamenz) oder Mohamed (Langen) und Samuel
(Illertissen).
Wie soll man denn da - 250+ Anhänger bei Facebook und den eigenen Namen an der Spitze der Charts - auf dem Teppich bleiben? Wenn ich jetzt noch irgendwann wieder mal ins Radio komme, verliere ich als Autor jede Bodenhaftung. Versprochen.
Aber wie hieß es bei Rimbaud II: "Je est un autre." Übrigens auch zweimal (in einem Brief an Georges Izambard und einen Paul Demeny, beide im Mai 1871 aus Charleville-Mézières). Dürfen wir, was man Rimbaud zugesteht? Ich denke ja. Daher nun zum zweiten Mal den Maximilian (vgl. hier):
"Maximilian jetzt Leadgesang"
Da irrt Herr (Max) Herre bereits bei den Ersten Schritten, auch wenn sein Freundeskreis das vielleicht anders sieht. Maximilian war hier in Eisenhüttenstadt vielleicht mal, was er anderswo noch ist: die Number One unter den Vornamen für Jungen. Aber anderswo ist auch Ben Stiller. In unserem "Wicked Little Town" spielt dagegen eine andere Namensgruppe die erste Klampfe. Und zwar diese hier.