So richtig mein Fall ist es ja nicht, was die Stadtbibliothek morgen zum "Tag der Gegenwartsliteratur" im Programm, aber ich bin vom Literaturgeschmack her auch extrem konservativ und eher auf die Kleistsche Vergangenheit des Landes westlich der Oder gerichtet bzw. auf die Witold Gombrowicze-Richtung des Landes östlich davon. Da jedoch ein Erdbeben von Chili für die zeitgenössischen Lektürekreise mittlerweile eher etwas Gestriges zu sein scheint und bei Büchern wie Ferdydurke besonders bei den jüngeren Lesekreisen eher die Devise Markise von ZU als Marquise von O. heißt, trifft die Stadtbibliothek mit ihrer aktuellen Auswahl sicher eher den Geschmack der breiten Zielgruppe, dies besonders, da man mit dem Rowohlt-Nachwuchsautor Amon Barth jemanden zur Lesung gewonnen hat, der des Lebens ganze Breite wirklich ausgeschöpft zu haben scheint. Ich hätte mir da lieber aus dem Rowohltschen Verlagsprogramm Daniel Kehlmann mit seiner eigenartig vermessenen Welt gewünscht, aber den habe ich, wenn ich mag, ja auch manchmal in Berlin. Amon Barth jedenfalls hat mit seinem Büchlein "Breit. Mein Leben als Kiffer." das Taschenbuch des Monats geschrieben, wobei die Ziel- und Identifikationsgruppe bei diesem Thema in Eisenhüttenstadt bestimmt nicht ganz klein ist.
"Ich bereue nicht die Erfahrungen, die ich gemacht habe, sondern dass ich meine Jugend versäumt und viele Erfahrungen nicht gemacht habe."
heißt es in der Ankündigung zu diesem Titel, dessen 21jährigen Autor allerdings die Chance auf Jugendlichsein nun auch noch nicht ganz verloren gegangen sein dürfte. Die heute zu einer Jugend nicht selbstverständliche Erfahrung der Teilhabe an einer Lesung bietet er jedenfalls (ab 13 Uhr) und wer als Gesellschaftskundelehrer das Thema mit den zuhörenden Cannabis-Neugierigen vertiefen möchte, findet bei Rowohlt Lehrermaterial zum Thema. Am Abend gibt es dann eine Vorstellung des Weimaraner KIECK-Theaters (mehr auch hier) unter dem Titel "Liebe, Lachen, Tod und Teufel", die schon in einigen Stadtbibliotheken für - glaubt man der jeweiligen Regionalpresse - einen ganz guten Eindruck hinterließen. Ich gehe einfach mal davon aus, dass die Performance empfehlenswert ist.
Notierenswert ist in jedem Fall die Tatsache, dass es entgegen allem (auch hier gern verbreiteten) "Kulturpessimismus" doch ein anscheinend halbwegs lebendiges kulturelles Leben in der Stadt gibt und dass sich die Stadtbibliothek in dieser Beziehung als wichtiger Initiator etabliert. Bitte mehr davon und vielleicht irgendwann auch mal eine Gombrowicz-Lesung. Für die würde ich sogar extra aus der Ferne anreisen.
Mehr zum Thema hat heute der Regionalteil der Märkischen Oderzeitung: Lachen, Nachdenken, Träumen
P.S. Es wäre natürlich sehr schön, wenn jemand der hingeht hier seine Einschätzung ungehemmt als Kommentar einstellt...
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