Zur Aufarbeitung der eigenen sozialistischen (Schüler)-Vergangenheit gehört auch der Aspekt der regelmäßigen Verleihungen von Auszeichnungen zu Zeugnisausgabe bzw. Fahnenappell, wobei die Anlässe dafür recht vielfältig waren: von allgemein gutem Lernen bis hin zur hervorragenden Ergebnissen bei der Sekundärrohstoffakquise in den Hausaufgängen und Kellerverschlägen Eisenhüttenstadts gab es tausend Gründe für die der fleißige Schüler bzw. die strebsame Schülerin in der realexistierenden sozialistischen Leistungsgesellschaft etwas an die Brust geheftet bekommen konnten. Die inflationäre Vergabe der Ehrenzeichen für besondere Dienste an die Ordensschüler zog offensichtlich eine gewisse Zurückhaltung bei der Urkundengestaltung nach sich, wie das folgende Dokument beweist:
Ob mit der Auszeichnung auch eine passende Anstecknadel verbunden war, entzieht sich meiner Erinnerung. Falls ja, dann kam diese nicht als klassischer Bruststern sondern eher als ?förmiges Etwas in dieser Art daher:
Im Erwachsenenalter steckte man dann entweder aus massiver Systemfrust LPG-Scheunen, aus massiver Langeweile Zigaretten oder aus massiver Auszeichnungswut Ehrennadeln an, die einerseits ein prächtiges Bekenntnis zur DDR-Symbolik ausstrahlten:
und andererseits rückseitig wichtige Verhaltensregeln enthielten, die man sich so auch als einfache Verkäuferin in der Kaufhalle nebenan oder als selten kommende Bedienung in der HO-Gastronomie regelmäßig ins Gedächtnis rufen konnte, sollte man zufällig einen Hauch von Willen zum Dienst am Kunden verspüren (auch hier gab es natürlich "solche" und "solche", darunter sehr viele "solche"):
Manchmal, ja garantiert wirklich nur ganz selten, kann man bei Behördengängen z.B. in der Berliner öffentlichen Verwaltung (Ost und West!) einen Hauch dieser vermeintlich sozialistischen Ausprägung der Arbeitsmoral nachempfinden, deren Grundmaxime beispielsweise als "Der Kunde ist Störenfried" umschreibbar war...
Was man allerdings in der DDR nicht kannte, waren Orden, die zur Not auch als regionale Wanderkarten brauchbar waren. Für solche musste man bis zur zweiten Hälfte der 1990er warten. Dann gab es nämlich folgende Auszeichnung:
Dieses schöne Stück wurde mir persönlich 1997 im Rathaus Eisenhüttenstadt verliehen, zu einem Zeitpunkt, zu dem man dachte, dass die damalige Oderflut tatsächlich ein einmaliges Ereignis und nicht ein bloßes Präludium zu den bunten Folgen anthropoklimatischer Wechselwirkungen im Weltwetter darstellte.
Daher gab es für uns, die wir Tag und Nacht den Deich bewacht haben, aber dennoch nicht durchgängig schützen konnten, nachdem die Flut verflossen war, einen Sonderorden ("Ehrenzzeichen") des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg und ich erinnere mich sogar die Bratschistin, die den Abend sehr schön begleitete. Ein bisschen Stolz waren wir schon, was ich betone, weil es a) wahr ist und weil b) wie ich hörte im Ordensgesetz der Bundesrepublik Deutschland eine mögliche Entziehung wegen Unwürdigkeit enthalten ist (obschon ich bezweifele, dass diese Ehrenauszeichnung konkret betroffen wäre. Es ist ja noch kein Pour le merite.)
Zur Kanzlerrettungsflutkatastrophe 2002 gab es übrigens sogar einen Fluthilfemedaillen-Erlass (Gemeinsamer Erlass des Bundesministers des Innern und des Bundesministers der Verteidigung über die Stiftung der
Einsatzmedaille "Fluthilfe 2002" vom 20. September 2002).
Die Elbeflutmedaille 2002 des Landes Brandenburgs griff auf das Design von 1997 zurück, nur die kehrseitige Landkarte wurde entsprechend angepasst. Im Versandhandel ist das Einsatzzeichen "Oderflut Brandenburg 1997" mittlerweile für prächtige 7 EURO erhältlich, die "Elbeflutmedaille Brandenburg 2002" kostet immerhin 13,50 EURO. Aber den außerordentlichen immateriellen Wert für den Träger kann man natürlich nicht überschätzen.