Böse Zungen behaupten viel. Z.B. dass man in Eisenhüttenstadt im Bereich Street Art bzw. Urban Art ein subkulturelles Brachland sondergleichen vorfindet. Und wo wäre ein besserer Ort, gegen solche Vorurteile die Streitaxt zu schwingen, als in unserem schönen Weblog. Nun könnten wir noch einmal auf die erfolgreichen Bilder der Stadt im Graffiti- und Streetart-Ueberportal ekosystem.org verweisen. Aber die wahren Streetart-Orchideen blühen, in Berlin wie in Eisenhüttenstadt, häufig im Stillen und nicht bunt und grell an den Bahnlinien dieser Lande. Und noch orchideeiger ist es, wenn nicht Banksy oder Above oder Eltono y Nuria oder gar die Bifi Crew ihre mittlerweile auch galeristisch etablierte (gilt für die ersten drei genannten) Kunst in den Straßenraum einbringen, sondern junge Künstler, die vielleicht gar nicht wissen, dass sie welche sind, aktiv werden und dem Stadtbild eine unverwechselbare Note geben. So trifft es sich gut, dass ich justament beim Aufräumen auf eine ältere Fotografie gestoßen bin, die eine der herzerweichensten Filzstiftarbeiten (vermutlich von Pony Spice) zeigt, die Eisenhüttenstadt bisher gesehen hat und die - wenn überhaupt - in der Tradition der bezaubernden Arbeiten der nicht minder bezaubernden Espoir (hier ein Beispielbild) zu sehen sind. Bevor nun dieses schöne Dokument der Zeitgeschichte wieder auf irgendeinen Datenträger migriert wird und auf ewig und drei Tage im dunklen Reich der Vergessenheit versinkt, lasse ich es an dieser Stelle in unser virtuelles Eisenhüttenstadt-Archiv eingehen.
Nachrichtentechnisch ist für mich in Bezug auf unser Sujet
Eisenhüttenstadt ein bisschen Saure-Gurken-Zeit. Während Blogkollege
und Freizeit-Jecke Andi Leser sich bemüht, ein Eisenhüttengaudi in der Linsenallee zu beschwören, vermelden sowohl die Internetwache Brandenburg, wie auch Andreas Wendt in der Märkischen Oderzeitung, dass für den angehenden Meisterdieb Mario A. das Gesetz die/der Einbruchsserie brach und er am letzten Wochenende auf frischer Tat - wie man so schön sagt - dingfest gemacht wurde: Über 70 Taten zugegeben.
Einen anderen - und wenn man den Polizeiticker liest zeitgemäßeren - Stil legten die Täter bei diesem aktuellen Fall an den Tag:
Sechs junge Männer im Alter zwischen 21 und 23 Jahren wurden am späten Sonntagabend nach einem Überfall in Eisenhüttenstadt festgenommen. Die zum Teil erheblich angetrunkenen Männer drangen durch Eintreten der Wohnungseingangstür in die Wohnung eines 19-Jährigen An der Schleuse ein. (Märkische Allgemeine Zeitung)So langsam gewinnt man den Eindruck, die unreife und mittelreife Jugend der Stadt bemühte sich mit Gewalt, der Entscheidung für den Erhalt des Amtsgerichts nachträglich eine Legitimation zu verschaffen. Was wohl Amtsrichter Peter Wolff zu diesem zweifelhaften Engagement sagt? Sonderlich begrüßenswert ist diese Form von "place branding", die längerfristig im Wiederaufleben des alten Nachwende-Stigmas der Kriminalitätshochburg Eisenhüttenstadt münden kann, in keinem Fall. Denn wo es kriminell wird, da ducken und fliehen sich die Menschen und dann sieht es allerorten in der ehemaligen Stahlmetropole so aus, wie auf unserem Illustrationsbild:
Ein schönes Fundstück in der Blogosphäre:
Ausserdem führt der Städtenamen “Eisenhüttenstadt” hier in Dänemark zu einigen Verwirrungen. Viele Leute verstehen darunter eine Stadt, die nur aus Eisdielen (Eishütte) besteht. Keine Angst, internationale Zusammenarbeit ist auch dafür da, solche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.
So schreibt es heute "Herr Geisler in Dänemark" in seinem Weblog unter der einzigartigen Adresse stockhuhn.de. Die paradiscremeische Milcheisbar-Fantasie - denn Milcheisbar müsste eine Eisdiele in Eisenhüttenstadt schon heißen - besitzt durchaus eine gehörige Portion Charme (med hindbærpuré, varme vafler og sorbet)..
Leider gibt es nun anno 2007 den Treibhauseffekt mit der globalen Erderwärmung und den milden, magenschonenden Prodomo-Wintern im Rucksack und daher müssen die Jungs wieder zu Sprühlack statt Sprühsahne greifen. Denn die Eisbilder halten unter diesen klimatischen Bedingungen nicht mehr und laufen schneller die Wände herunter als Astor damals die Gleise entlang (mit der Polizei im Nacken versteht sich)... Ach Zeiten waren das!
Die Märkische Oderzeitung vermeldet es noch detaillierter:Eisenhüttenstadt (dpa/bb) - Die Arcelor Eisenhüttenstadt GmbH will in diesem Jahr 100 Millionen Euro investieren. Im Vordergrund stehen dabei nach Angaben von Eisenhüttenstadts Chef Jürgen Schachler vom Montag zwei Großvorhaben im Kaltwalzwerk und beim Ausbau der Zinkwalzanlage. Auch für 2007 wird wieder eine gute Auslastung der Eisen- und Stahlproduktion erwartet. Wie schon in den beiden Vorjahren erzielte das Stahlwerk im brandenburgischen Landkreis Oder- Spree auch 2006 mehr als eine Milliarde Euro Umsatz. (Meldung von 8:20)
Die größten Projekte, die bereits vom Aufsichtsrat und Arcelor Mittal genehmigt wurden, sind die Kopplung von der Beize 2 mit dem Quarto-Tandem im Kaltwalzwerk und eine Kapazitätserhöhung der Verzinkungsanlage 2. Mehr als 25 Millionen Euro stehen dafür bereit.
und berichtet zusätzlich, dass Bürgermeister Rainer Werner rigoros, z.B. mit Zuversicht und Optimismus, gegen alle vorgehen wird, die schlechte Stimmung verbreiten:
Mal sehen, ob das gelingt. Mehr hier: Werner: Etwas mehr Zuversicht bitte!Für Pessimisten sei kein Platz.
Das muss sich der Bürgermeister vielleicht auch selbst jeden Morgen sagen, wenn Meldungen wie diese seinen Weg kreuzen: PDS schwärzt Bürgermeister beim Landrat an
Die Überschrift des MOZ-Artikels verdient leider eine kräftige Rüge, da das Verb "anschwärzen" eindeutig im Sinne von "schlechtmachen" bzw. "verleumnden" wertend negativ besetzt ist und hier den Zusammenhang sehr tendeziell dargestellt erscheinen lässt. Für eine Presseberichterstattung über Boulevard-Niveau ist die Verwendung solcher Wörter äußerst fragwürdig und bestenfalls im "Kommentar"-Teil akzeptabel.
Was dem üblichen kritischen Eisenhüttenstadt-Blogleser im Normalfall verborgen bleibt, ist, dass auch seine zahllosen Autoren so manches Mal bis zum Hals in anderer Arbeit stecken, mit der sie bienenfleißig u.a. eine Art Lebensunterhalt für ihr dolce vita zu bestreiten versuchen. Und dann gibt es noch so viel anderes in der weiten und nahen Welt zu sehen, zu erleben, zu hören, zu schmecken, zu schreiben, zu tun und in diesem Frühlingsjanuar sogar zu schnuppern, dass man gar nicht so recht weiß, in welchen Honigtopf man zuerst Ohren, Augen, Mund und Nase hineinstupsen soll. So gelingt es uns erst recht nicht, jeden Tag das Neueste aus Eisenhüttenstadt in Erfahrung zu bringen, hier zu vermelden und durch die gewohnte Brille zu ausgiebig zu kommentieren. Aus diesem schnöden Grunde gibt es heute von mir keine botanischen Etüden über das Früherblühen der Blumen und Gehölze in unseren momentan sehr gemäßigten Breiten sondern nur den Hinweis auf einen Artikel zum Thema, den Uwe Stiehler für die heutige Ausgabe der Märkischen Oderzeitung aus der Cherry-Tastatur sprießen ließ: Blütenpracht im Januar.
Und als Zugabe liefern wir noch dieses passende kleine Stadtbild aus der Mitte des Dezembers 2006:
The real World: Schon wieder eine Pressekritik.
Mit der Aktion will real,-Geschäftsleiter Thomas Reißmann auch unter Beweis stellen, dass sich der Markt mit seinen TiP-Produkten vor ausgesprochenen Billigdiscountern in der Stadt qualitativ und preislich nicht verstecken muss.
Diese so wichtige frohe Botschaft vermeldet ndt heute im Oder-Spree-Journal der Märkischen Oderzeitung, das damit auch wieder einmal demonstriert, wie es um die Verfasstheit der Eisenhüttenstadt steht. "Toll im Preis" und "Gut und Billig" sind die Leitsterne, an denen sich das berichtenswerte Alltagsleben ausrichtet, möchte man meinen. Daran, dass das Blatt damit - d.h. besonders mit der oben genannten Aussage, die zum Glück dem Geschäftsleiter in den Mund gelegt und nicht als redaktionelle Meinung gekennzeichnet ist - ein bisschen in der Dunkelgrauzone zur Werbung herumtollt, muss man vermutlich einfach als lokalpressetypisches Ereignis hinnehmen und nicht so ein Gewese machen, wie dieses hier.
Dabei wären Leben und Wahrnehmen der jungen Azubis durchaus Stoff für eine schöne Reportage zur Situation junger Menschen in Ostdeutschland. Die schreibt man aber nicht, sondern zählt auf, dass "etwa 30 Prozent der insgesamt etwa 1700 TiP-Produkte" "vor den Kassen des Supermarktes" "auf einer extra eingerichteten 500 Quadratmeter großen Verkaufsfläche" präsentiert und verkauft werden. Das macht "viel Spaß" zumal der "Chefkoch des Café und Restaurants "C' est la vie", René Bührig" zeigt, "was man aus TiP-Produkten so alles zaubern kann." Prima. Toll. Hervorragend. Und besonders freut uns der Hinweis "Wir haben eine Discountgarantie. Das heißt, dass es 1700 Produkte nirgendwo billiger in dieser Stadt gibt als bei uns." Dafür lieben wir die Märkische Oderzeitung, die mit solchen Berichten auch irgendwie den Geruch von Discounter ausstrahlt. Wer den ganzen Beitrag lesen möchte: Azubis vermarkten TiP-Produkte.
Weitaus empfehlenswerter ist allerdings der Artikel von Andreas Wendt, der berichtet, dass das Fürstenberger Hafenrestaurant "Bollwerk 4" im aktuellen "Gault Millau" 12 Sterne (bzw. Kochmützen) bekommen hat. Auf der Website des Restaurantführers ließ sich das Lokal leider nicht entdecken, dafür aber z.B. die Landgrafenstube in der hübschen Uhrenstadt Ruhla. Wir hier in Berlin schauen dagegen um die Ecke lieber bei Luca und Irina Ferrari in der Reinhardtstraße durchs Schaufenster. Wenn wir allerdings in Eisenhüttenstadt weilen, bleibt in der Tat fast nichts anderes als das Bollwerk. Insofern liegen wir mit dem "Gault Millau" auf einer Linie. Mehr zur gastronomischen Elite Eisenhüttenstadts gibt es in der MOZ unter der leider auch nicht so ganz treffenden Überschrift: Feinschmecker testeten den Osten.
Gäbe es nur Artikel, wie den zum TiP-Festival im örtlichen Konsumtempelchen, müsste man fast die eingangs angeführte Aussage so formulieren, dass sich die Märkische Oderzeitung qualitativ vor den Gratisblättchen in der Stadt zwar preislich aber nicht qualitativ nicht verstecken muss. Man kann nur hoffen, dass man sich im Redaktionsbüro in der Lindenallee mal den Oderland-Spiegel vorhält und den eigenen Blickpunkt prüft. Auch eine Lokalpresse ist gewisserweise Teil der "vierten Gewalt" im Lande, d.h. für die Bildung der öffentlichen Meinung verantwortlich. Die Leute so penetrant auf Konsumdumpfsinn abzustumpfen ist eindeutig eine Missachtung dieser Verantwortung. Und ich möchte lieber nicht glauben, dass die Eisenhüttenstädter derart eingeschränkt denken, dass ihnen diese Art von Berichterstattung wirklich das Herz erwärmt. Obwohl man manchmal, wenn man doch mal durchs City Center läuft, um sich eine Tageszeitung zu kaufen, mitunter diesem Eindruck nicht zu entfliehen vermag.
Nach dem heutigen Zweigänge-Pressemenü bei dem "Qualität und Frische der verwendeten Inhalte" beim ersten Gang auf eine schlappe 5 von 20 Pressekochmützen, beim zweiten immerhin auf eine 12 kommen, die "Harmonie der Gerichte und Menüfolgen" im Gesamtbild mit einer 8 eingeschätzt werden, Kreaktivität und Professionalität der Zubereitung wegen des Totalausfalls des ersten Gangs nicht besser als mit einer 4 davonkommen können, die Garzeiten ebenfalls aufgrund der gar zu kurzen geistigen Abhängzeit von Beitrag Eins sich in der Gesamtheit auf eine 9 gestuft finden und die "Präsentation der Gerichte" wegen der öden Webgestaltung der MOZ - für die die Lokalredaktion aber nichts kann - auch nur eine 7 erhalten, also kurzum einer eher mäßig delikaten Angelegenheit, gibt es zur allgemeinen Verschönerung des Abends ein köstliches Bild aus dem Eisenhüttenstadt-Flickr-Pool.
Dieser ist nun bei 399 Bildern angekommen. Das hier gezeigte ist eines der interessantesten aus dieser Auswahl und hätte den Nachtbilderwettbewerb bestimmt gewonnen. Fotograf x** schickte es jedoch nicht ins Rennen und so gewann ein anderes aus seiner Sammlung, zu welchem er leider noch immer keinen Beschreibungstext lieferte. Da unsere Fotoauswahlseite jedoch aktuell nur bedingt funktioniert (und das Wiki leider auch noch nicht wieder), ist das Versäumnis noch nicht ganz so tragisch. Die Ultras unter den Anhängern von X*/X**/X*** werden aber langsam unruhig...
Metallkunst im öffentlichen Raum Eisenhüttenstadts, hier mal aus der Vogel- (bzw. Bibliotheks-)perspektive erfasst.
Ein Linktipp für alle Freunde der Planstadt bzw. an der sozialistischen Stadtplanung interessierten: Town development in the European socialist countries after World War II" Town development in the European socialist countries after World War II" - ein kurzer Text einer Frau vom Fach (Ana Kladnik, Doktorandin zum Thema Sozialistischer Städtebau an der Universität in Ljubljana) in einem dänischen Blog names DreamFactories.
Während wir über die Entwicklung Berlin nicht ganz so viel Neues erfahren und Stalinstadt nur als Beispiel genannt, aber nicht weiter betrachtet wird, bietet der kurze Abriss gerade zu Osteuropa und speziell Slovenien ein paar Basisinformationen, die man vielleicht noch nicht in der Arbeitsmappe hatte. Und womöglich wird die nächste Reise ins Slowenische auch einmal in die sozialistische Bergarbeiterstadt Novo Velenje führen.
Das markante Gebäude im Herzen Ljubljanas stammt übrigens aus dem Jahr 1933.
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