Entscheiden sich die Kreistagsabgeordneten für die Gesamtschule, würde das das Aus für das berufliche Gymnasium am OSZ Gottfried Wilhelm Leibniz bedeuten. Das möchte Günter Luhn, Fraktionsvorsitzender der Kreis-CDU, keinesfalls. Er favorisierte bereits im Bildungsausschuss das OSZ, durfte aber aus "Befangenheit" nicht abstimmen, weil er im Oberstufenzentrum arbeitet. Nun hat Michael Buhrke, Rechtsamtsleiter im Kreis, entschieden, dass Luhn nicht "befangen" war. Er sei nicht unmittelbar betroffen, da er in einem anderen Bereich des OSZ tätig ist. (MOZ)Man kann sich's natürlich auch hinbiegen. Allerdings würde der Beobachter aus der Ferne womöglich annehmen, dass Günter Luhn aufgrund seiner offensichtlichen Interessen soviel Anstand besitzt, seine gegebene Vorteilsstellung nicht derart zu nutzen. Denn zur entsprechenden Ausschusssitzung hieß es:
Er war stellvertretend für einen Partei-Kollegen im Ausschuss und hätte die Vorlage abgelehnt, bestätigte er Donnerstag. "Das OSZ bietet mehr Möglichkeiten", begründete er. Da könne man dann ein berufsorientiertes, technisches und allgemeinbildendes Abitur ablegen.
Allerdings ist schon das Ausspielen der beiden Schultypen gegeneinander eine Schurkerei und wirft erneut einen ziemlich düsteren Schatten auf die Bildungspolitik im Land Brandenburg, die kurzsichtig funktionierende Strukturen demontiert. So zwingt der Landkreis die Schulen in eine unglückliche Konfrontation und hat es beim Durchbügeln seiner Interessen umso leichter.
Eigentlich kommt es hier zum Zusammenprall von und zur Entscheidung
über zwei divergierende Bildungsvorstellungen: Auf der einen Seite die
technisch-ökonomisch orientierte, die vor allem eines will:
Gerade, weil die Industrie nach Ingenieuren und hochspezialisierten Fachleuten ruft, scheint mir zum Beispiel die Kopplung Beruf und Abitur eine sehr gute, Fachabitur und Ähnliches ebenso anstrebenswert, wie das ganz allgemeine Abitur. Spezialisierungen und Ausprägung spezifischer fachlicher Voraussetzungen, gerade für angehende Ingenieure und Diplom-Ingenieure ist in meinen Augen der entscheidende Vorteil bei den Möglichkeiten am OSZ. (Jörg Hanisch in seinem Oder-Neiße-Journal)Auf der anderen Seite steht ein primär gesellschaftlich ausgerichtetes Verständnis, das den Menschen bilden und gerade nicht nur ausbilden möchte und die Welt nicht vorrangig durch die Brille des Arbeitsmarktes sieht. Gerade weil es solch ein Denken in dieser Region Deutschlands eher gering ausgeprägt scheint, sollte man hier fördern und nachholen.
Für die Stadtgesellschaft Eisenhüttenstadts scheint der integrierende und auf die lokalen Realitäten von allen Schultypen am besten angepasste Ansatz der Gesamtschule jedenfalls der geeignetere. Eine Milieuspaltung, wie sie beim Gymnasium häufig der Fall ist, aufzuheben, ist bekanntlich das Ziel des Schultyps Gesamtschule und in einer traditionellen Arbeiterstadt bietet sich ein solcher Schultyp mit höherer Durchlässigkeit wie von selbst an. Da geht es nicht um "mehr Möglichkeiten", sondern um einen demokratisch-gesellschaftlichen Auftrag und damit auch um die Stabilisierung der Stadtgesellschaft. Durch seine Spezialisierung stellt das berufsorientierte OSZ dagegen in dieser Hinsicht eher eine Verengung dar.
Mehr auch in der gestrigen Ausgabe der Märkischen Oderzeitung: Schülerprotest wird lauter
"Bei der sozialen Auslese durch das Schulsystem bildet Deutschland das unrühmliche Schlusslicht. Die Hälfte der Kinder aus der Oberschicht geht aufs Gymnasium, die aus Arbeiterfamilien zu einem Zehntel."(Grözinger, Gerd; Maschke, Michael; Offe, Claus: Die Teilhabegesellschaft. Modell eines neuen Wohlfahrtsstaates. Frankfurt/Main: Campus, 2007. S. 110)
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