Ein weiteres flickr-Fundstück ist diese Impression, die an industrieromantischer Wirksamkeit auch von Otto Schutzmeister kaum zu überbieten gewesen wäre. Schöne Arbeit, "$chenk@1220's (Mathias)!!
Stadtbild
Der verlorengegangene Wohnkomplex
Aufgeregt rannte ich zu meinen Eltern, die so linientreu waren, dass sie sogar vor der Farbe Rot salutierten, zeigte ihnen den Bildband und fragte, wo denn zu finden sei, was dort abgebildet war. Sie reagierten sehr unwirsch und der Situation völlig unangemessen, in dem sie mir das Buch wegnahmen und sagten, ich solle lieber den Müll rausbringen. Auch später frühstückten sie mich auf meine nachbohrenden Fragen hin mit solchen Elternstandards ab wie “Sei still und iss deinen Pudding!” oder “Räum erst mal dein Zimmer auf! Der reinste Saustall ist das wieder!”
Also schnappte ich mir mein diamantenes Damenrad und fuhr Achten durch die Stadt auf der Suche nach jenen geheimnisvollen Winkeln. Irgendwo musste es diese Ecken geben, da war ich mir sicher. Ab und an begegneten mir auch einige Stellen, die so aussahen, als ob, aber sie waren den von mir gesuchten nur ähnlich, nicht aber mit ihnen identisch.
Mit der Zeit verband ich die gesuchten Örtlichkeiten mit Ideen von einer besseren Welt und die Suche danach entwickelte sich bei mir zu einer Art Besessenheit. Nachts träumte mir manches Mal, dass ich beim Müll herunterbringen zwischen den Sträuchern einen bisher verborgenen Trampelpfad entdeckte, der mich geradewegs in jenen verwunschenen Wohnkomplex führte. In der Schule erzählte ich meinen Mitschülern von dem versteckten Wohnkomplex und sagte ihnen, dass es dort sogar Geschäfte mit westlichen Produkten, BMX-Räder und Skateboards gäbe. Zum Beweis zeigte ich ihnen den Bildband mit den verblichenen Fotos. Sie glaubten mir und die Sache sprach sich wie ein Lauffeuer herum, so dass ich schon bald beim Direktor erscheinen musste. Der Rektor war außer sich vor Wut, nahm mir das Buch weg und schrie, dass es so etwas noch nicht gegeben hätte. Der versteckte Wohnkomplex sei ein missglückter Versuch gewesen, habe darum nie existiert und werde auch nie existieren. Dann zerriss er das Buch und drohte mir mit einem Schulverweis, wenn ich weiter “solchen Unsinn verbreiten” würde.
Der Wutversprecher des Direx‘ machte mich hellhörig und bestätigte mich in meinen Auffassungen. Am selben Tag nahm mich meine Deutschlehrerin, eine sehr patente ältere Dame, beiseite und klärte mich über die wahren Umstände des versteckten Wohnkomplexes auf. Als die Stadt in den fünfziger Jahren erbaut wurde, begann man mit der Errichtung eines vorbildhaften Stadtteils, in dem der neue Mensch heranreifen sollte. Alles war auf das harmonischste und nach neuesten Gesichtspunkten und Erkenntnissen gestaltet und für alles war gesorgt, denn die Bewohner sollten sich wohl fühlen. Schon bald fühlten sich die Bewohner so heimisch, dass sie ihr Zuhause nicht mehr verlassen wollten, nicht einmal, um zu arbeiten. Das gefiel natürlich niemandem von der Regierung und man versuchte, durch Argumentation, Wandzeitungen und Drohungen die Leute zum Arbeiten zu bewegen. Diese waren jedoch durch keinen Eingriff von außen dazu zu bewegen. Im Gegenteil: sie schirmten sich immer mehr von der Außenwelt ab und legten stattdessen kleine Gemüsebeete und Obstgärten auf den Rasenflächen an. Da beschloss die DDR-Regierung die vollständige Evakuierung und Zerstörung des Stadtviertels und die Errichtung eines herkömmlichen Wohnkomplexes mit langweiliger Zeilenbebauung und Wäscheplätzen dazwischen.
Und so kennen wir die Stadt heute noch. Nur auf höchst seltenen alten Ansichtskarten und bei Herbstnebel ist der verloren gegangene Wohnkomplex für Menschen mit reinem Herzen noch zu sehen. Auch sollen einzelne Reste, von Sträuchern überwuchert, im Innenstadtbereich (gemeint sind die Wohnkomplexe II und V) überdauert haben, z.B. die ehemalige HO-Gaststätte “Aktivist” oder der kleine Pavillon an der Kreuzung Friedrich-Engels-Straße/Poststraße.
(c) 6. August 2006 by Alf Artig
Die Frage lautet, wo befindet sich dieses Wandgemälde?
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Das Steiersche-Hermannsche-Werk in der Steier-only-Version wurde hier schon einmal kurz vorgestellt. Am gestrigen Dienstag warf nun auch die Märkische Oderzeitung ein Streiflicht auf den Zwischenstand des Mammut-Projektes und hat, was das Interessante an dem Artikel darstellt, gleich auch noch einmal die Leute aus der Nachbarschaft befragt. Meine frühere Interpretationsleistung bezüglich des paradiesfruchtigen Motivs wird allerdings durch eine bedeutende Aussage leicht relativiert:
Apfel ist für Steier ein Markenzeichen wie für Van Gogh die Sonnenblumen.
Ach so - entsprechend ist es doch primär eine Selbstdarstellung des Künstlers, wobei natürlich Künstler sich im Prinzip immer selbstdarstellen, wenn auch manchmal mit thematisch erweiternden Ergänzungen (Weltrevolution, Die bessere Zukunft, Die Unmöglichkeit der Liebe, Alles ist möglich, Das ist keine Pfeife...), die über die Person hinausweisen. Hier ist's also das Eis und die Geologie. Erweitert wird dies demnächst durch das ranke Apfelmännchen auf dem zottligen Urviech von Eckhard Herrmann, dessen Schraubung in den nächsten Monaten ansteht.
Wie sehen nun die Kunstfreunde von der Straße das Werk, wie es bis hierhin gedieh? Janine und Michelle analysieren ganz richtig: "Das ist einmal was Anderes." und hätten woanders gern mehr, dann aber lieber noch etwas Anderes als dieses Andere, nämlich "andere Motive". Ein älterer Mann auf einem Fahrrad findet, dass man sich über Geschmack grundsätzlich streiten lässt, verspürt aber dazu wenig Lust und verfällt in die inoffizielle Stadtsprache ("Grummeln"). Eine wartende Frau kann (und will) nichts mit dem Bild "anfangen". Gut. Da muss es die Jugend richten: Aber auch Sandra und Micha sind nicht ganz auf Motivlinie, "aber immerhin". Nur dass man es nicht so gut von der Straße sieht, wird bemängelt. Vielleicht ist es auch einfach nichts für die Straße... Fazit: Es ist nicht unbedingt an Zankapfel, der sich da giebelt, aber eine alte Liebe wird am Ende auch nicht herauskommen. Warum? Nun, das Mammut ist cortenstählern:
"Das ist ein Material, das schnell rostet, aber nur bis zu einem gewissen Punkt und dann nicht weiter."
Eine alte Liebe aber, die rostet nicht.
Der MOZ-Beitrag: Bald kommt das Mammut
BMX in EHST. : eine kleine Erinnerung und ein Bild
Früher einmal, nachdem ich im Kinoprogramm des Friedrich-Wolf-Theaters (mindestens 3mal) den Film "Die BMX-Bande" gesehen hatte und verliebt über beide Ohren in Nicole Kidman (Judy) durch die Stadt rannte, schlug mein Herz für diese etwas wildere Variante des Kunstradsports. Dann gab es noch diesen Pepsi-Werbespot in dem ein Radathlet in prächtiger Sommerstimmung auf einem Pier tailwhippte und ich war hin und weg und voller Sehnsucht nach einem entsprechenden Rad. An ein Mongoose, wie es Moustache oder Whitey die Hafenstraße des (Film)Melbourne hinunterritten, war in der DDR natürlich nicht zu denken, aber zum Schrecken meiner armen Eltern und wie der Zufall es nunmal wollte begann man just zu diesem Zeitpunkt in den Mifa-Werken (glaube ich) mit der Produktion von BMX-Rädern für den DDR-Markt. Dass produziert wurde, hieß allerdings noch nicht, dass man auch eines bekam. Ich glaube, ich bin hundertmal in den Fahrradladen in der Leninallee gerannt, um nachzufragen, ob und wann es solche tollen Fahrräder gäbe. Und als die Hoffnung schon fast geschwunden war und ich mittlerweile mit einem nagelneuen 26er Diamant-Sportrad herumflitzen konnte, schritt ich zufällig gerade in dem Moment in's Fahrradgeschäft, in dem die neuangelieferten Räder mit schaumstoffbepolsterten Lenkstangen und Rahmen in den Verkaufsraum gerollt wurden. Ganze drei BMX-Räder waren da und meine mit meinem Segenswunsch schwergebeutelte Mama hatte erst gar keine Chance an Vernunft oder ähnliches zu appellieren. Darüber schlafen - das ging nicht, galt doch im DDR-Konsumsystem bei solch seltener Ware grundsätzlich die Devise "Wenn weg, dann weg!". Und sehr oft war der Ladentisch so hoch, dass diese Form von Gütern bereits darunter verschwand und "weg war", bevor man überhaupt von ihrer Existenz erfahren konnte.
So wurde ich einer der ersten BMX-Fahrer der Eisenhüttenstadt und vermutlich einer der erfolglosesten, denn der reine Besitz eines Fahrrades macht den Besitzer noch nicht automatisch zu einem Kevin Jones. Talent, Geschicklichkeit und Mut waren mir nicht aussreichend genug in die Wiege gelegt, um hier wirklich zu glänzen. Curb-Endos, Wheelies und ein paar Stufen hinunterhüpfen plus Bunny-Hops bis mittlere Schienbeinhöhe - das war mein Trickrepertoire und irgendwann kam dann das Skateboard auf den weihnachtlichen Gabentisch und der Radsport war überwunden.
Beides, Skateboard wie auch BMX-Sport, wurden in Peer-Group und erwachsener Umwelt, ich erinnere mich gut an die scheelen Blicke und boshaften Kommentare, nicht so recht als altersadäquat für 12jährige Buben verstanden, was in der Rückschau schon etwas komisch wirkt.
Ähnlich amüsant liest sich heute die Passage in einem BMX-Buch, das ich 1990 erwarb, in welcher geschrieben steht, dass die Zeit des Skateboardings nun endgültig vorbei sei. Und gern erinnere ich mich an die Aussage eines westdeutschen Besuchers von etwa 1988, der sagte, dass in der BRD nun überhaupt niemand mehr ein BMX-Rad anrühren würde, denn es gäbe jetzt die Mountain-Bikes...
Heute im 21sten Jahrhundert weiß man, dass BMX-Sport und Skateboarding mehr oder weniger friedlich koexistieren können und dies sogar in Eisenhüttenstadt. Da wir gestern etwas zu den Skateboardern lesen konnten, möchte ich in ausgleichender Linkgerechtigkeit einen Verweis auf die Eisenhüttenstädter BMX-Aktiven an- und unterbringen, die auf ihrer Stammseite jüngst ein paar sehr schöne Fotografien eingestellt haben, auf denen Sport und Stadt wunderbar zusammenwirken.
Dokumentationszentrum mit Berliner Konkurrenz?
Seit heute hat das Eisenhüttenstädter Dokumentationszentrum zur Alltagskultur der DDR heftige Konkurrenz in der Mitte Berlins. Dort wurde nämlich heute mehr oder weniger passend im DomAquarée ein DDR Museum (vgl. auch den Hauptstadtblog) eröffnet.Wegen Rondo-Kaffee-Tüten und Pionierhalstüchern wird nun wohl niemand mehr aus Berlin nach Eisenhüttenstadt anreisen. Allerdings besitzt die Einrichtung in der ehemaligen Stalinstadt einen tollen Standortvorteil: die Architektur! Denn das Gebäude in der Erich-Weinert-Allee ist allein schon wegen den grandiosen Womacka-Fenstern im Treppenhaus (sh. auch hier) dem Halbkellergeschoß am Spreeufer in jedem Fall überlegen. Wenn man sich überlegt, dass so bunt eine Kindertagesstätte(!) verglast wurde...
Wenn es dann auch noch gelingen würde, die Baudenkmäler der umliegenden Wohnkomplexe z.B. mittels eines Architekturlehrpfades mit dem Austellungszentrum zu verknüpfen, ständen die Chancen womöglich ganz gut, doch noch Besucher - gar noch in steigender Zahl - aus der Hauptstadt anzulocken. Vielleicht hilft die ferne Konkurrenzeinrichtung, die in meinen Augen längst überfällige Anbindung von baulicher Kernstadtgestaltung und Ausstellungsbereich umzusetzen. Warum man bislang nicht mit diesem Pfund herumwuchert, ist mir aus der Exilperspektive absolut unverständlich. Ich werde einmal bei Gelegenheit die Berliner Einrichtung besuchen, um das tatsächliche Gefährdungspotential zu evaluieren.
Etwas tun, um die an sich sehr schöne Einrichtung hinter der Weltkugel noch attraktiver zu gestalten, sollte die Stadt allerdings schleunigst. Liest man das Gästebuch im DOK-Foyer, eine Aktivität, die ich nur jedem missmutigen und schließungswütigen Stadtverordneten ans Herz legen kann, sieht man, dass das Stahlstädtchen hier etwas besitzt, das eine wirkliche Positivwirkung entfaltet. Bitte ausbauen!
Zwischenbild, einfach so
Während das wirkliche kleine Finale (jedenfalls aus deutscher Perspektive das "kleine") einerseits knochenhart und andererseits mit einem wunderschönen Elfmeter-Wembley-Tor von Zizou so langsam beginnt, ordentlich zu werden, lege ich hier ein bisschen Content nach, denn die Flaute im Eisenhüttenstadt-Weblog gefällt mir gar nicht. Allerdings ist der Sommer in der kleinen Stadt bislang von mir kaum wahrgenommen, daher an dieser Stelle nur eine stille Plattenbauimpression aus dem Südteil des sechsten Wohnkomplexes, einen Steinwurf vom Oder-Spree-Kanal entfernt. Mehr folgt hoffentlich demnächst. Ich schau mal, ob sich nicht noch ein schönes Foto findet.
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