Stadtgeschichte
Ansonsten wurden die Stadt und ihre Planung in höchsten Tönen gelobt. „Man sieht die Idee dahinter“
Bei den Reden kam hervor, dass man die Innenstadt als Zukunftsstadt betrachtet. Sie habe einen hohen Wohnwert! Im Gegensatz zu anderen Städten verlagert es sich in Eisenhüttenstadt von außen nach innen. Insgesamt stehen dafür 10 Millionen Euro zur Verfügung, um 1500 Wohnungen sanieren zu können. Die Sanierung steht dabei im Zeichen der Aufwertung von innerstädtischen Werten.
Nach dem die Ausstellung betreten werden konnte hörte man viele verschiedene Eindrücke über die Stadt. Dabei ist zu sagen, dass das Durchschnittsalter der Eröffnungsteilnehmer über 50 Jahre lag. So konnte man Sätze hören wie: „Ich wohne nun schon seit 1961 hier in Eisenhüttenstadt - und das gerne“.
["" vollständig lesen »]
Manch einer der drei bis vier regelmäßigen Leser unseres kleinen virtuellen Stadtsammelsuriums fragt sich bestimmt schon seit Stunden entsetzt, was eigentlich bei uns los ist. Seit Dienstag gibt es keine frische Post im Blogfach, der Feed schweigt und die flickr-Bildersammlung wird langweilig, denn man kennt das alles schon. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass es Autoren sowie Bei- und Zuträgern mangelt - an Themen allerdings nicht. Was genau geschehen ist, lässt sich schwer rekonstruieren,
Unsere frühere Stammkraft Andi "Alf" Leser tritt nur noch sporadisch bzw. bestenfalls mit tausend Zugen kommentarisch in Erscheinung und verlässt rabenväterlich sogar sein eigenes Logbuch völlig verwaist im virtuellen Raum zurück. Silvio war nicht im Rhein- sondern im Super-GAU und ist technisch entschuldigt. Ich selbst habe ebenfalls jüngst meinen Stamm-Rechner durch höhere Gewalt verloren und bemühe mich, die Daten so gut es geht, wieder aufzutreiben. Zudem gilt es, auch andere Fronten zu erkämpfen. Wieland und ALex versuchen etwas aus ihrem Leben zu machen, zum Beispiel sinnvoll zu arbeiten und haben deswegen verständlicherweise nur eingeschränkt Zeit. Jetzt bräuchte man einen Einwechsel-Edel-Joker, der die Lage im Blick und die Tastatur im Griff hat.
Bis wir einen solchen gefunden haben oder selbst wieder in der Lage sind, die Webseiten, -zeilen und -spalten so zu füllen, wie es unsere Leserschaft zu recht erwartet, bleibt nur der Blick ins Blog-Archiv oder der Gang zu Alternativmedien zum Alternativmedium.
Beispielsweise zur Märkischen Oderzeitung, die wir selbstverständlich trotz aller Widrigkeiten täglich (online) lesen. Uwe Stiehler hat für die heutige Ausgabe etwas Unterirdisches abgeliefert, was mich an meine Grund- und Mittelschulzeit erinnert: Er war nämlich in den Heizkanälen der Stadt unterwegs, die wir Kindern einst als traumhaftes Spielparadies und Heimat zahlreicher Mutproben wertschätzten. Der Mensch ist doch ein Höhlentier und das Geheimnisvolle, welches in der Verborgenheit der dunklen Gänge lag, die sich myzelienartig unter den Wohnkomplexen ausdehnten, zog uns regelmäßig hinab in den warmen Bauch der Stadt. Der Vorteil der Wärmeversorgungsschächte lag darin, dass sie nicht ganz so kloakig waren, wie ihr ebenfalls öfters durchstiefeltes Gegenstück "Kanalisation" (sozusagen der Ausscheidungstrakt der Stadt). Dafür war diese warme Unterwelt auch die gefährlichere, denn sah man sich nicht vor und ging zu weit, stand man mitunter mittendrin im Heizhaus und mit den dortigen Mitarbeitern war auch für Zehnjährige nicht zu spaßen. So hat man es sich jedenfalls erzählt, denn persönlich haben es ich und mein Mut nie bis zum Licht am Ende der Tunnel geschafft.
Nun denn, auch dieser Möglichkeitsraum für Räuber- Gendarm und Heizwerker-Spiele erledigt sich so langsam, denn in Eisenhüttenstadt wird nicht nur überirdisch rückgebaut.
So werden demnächst im Zuge der Hauptstraßen-Sanierung im (nominellen) Stadtzentrum die unter Tage liegenden Wärmerversorgungsanlagen a) demontiert bzw. b) verschüttet. Die Unterwelt verschwindet also, die Halbwelt Eisenhüttenstadts bleibt aber vermutlich. Dass die Idee, die Wärme auf diese Weise zu transportieren in ihrer Zeit wirklich fragwürdig war, wie der Text behauptet, wage ich ein bisschen zu bezweifeln. Denn erstens waren die Strecken innerstädtisch nicht wirklich weit (von hier zum Standort des abgerissenen Heizkraftwerks waren es vielleicht zwei Kilometer), zweitens konnten die Häuser nicht so leicht durch lecke Gastanks explodieren und auch sonst musste man sich wenig Gedanken um die warme Stube machen und drittens gab es für die Kinder der Stadt nebenbei tolle Abenteuerspielplätze a la Alaska.de, nur eher friedlich und unschuldig. In diesem Punkt muss ich aus der Rückschau Straßenmeister Thomas Jehnichen wirklich zustimmen:
"Aber hier runterzugehen, macht[e] immer wieder Spaß."
Jawohl! Recht hat der Mann! - das übrigens auch mit einer weiteren zitierten Aussage, die bestimmt nicht so zweideutig gemeint ist, wie sie klingt:
"Die haben hier damals nichts dem Zufall überlassen."
Wir, die wir auch das Leben der Anderen kennen, vermögen uns durchaus vorzustellen, wer außer uns neugierigen Kindsköpfen durch die Kanäle schlich und lauschte. Da zischte - so gaukelt es uns die Fantasie in die Erinnerung - vermutlich nicht nur heißer Dampf um die Ecke, da hatte manches auch Hand und Fuß. Nun, so angeregt durch die aktuelle Stimulation aus der Zeitung, wünschte man sich, die entscheidenden Stellen der Stadt würden vor der Verfüllung der Anlagen noch einmal eine Heizstollenführung ermöglichen (gern auch gegen Eintritt), damit man Abschied nehmen kann, von diesem nicht zu unterschätzenden Erinnerungsort. Ansonsten bleiben uns die Zeilen aus der MOZ: Eisenhüttenstadt von Unten.
Hitting the Streets - Skateboarding 1992
Was sich all die verwöhnten Skateboard-Kids mit ihren Rollmops- oder Robotron-Skateboards, die heute im Park auf der Insel leider häufig mehr schnöde abhängen als wie blöde shredden, vermutlich nicht vorstellen können, ist, wie sich die Skateboardszene Eisenhüttenstadts vor 15 Jahren darstellte.
Damals war Skateboardfahren in der Stahlstadt nämlich weitgehend unbekannt bzw. etwas sehr Exotisches und die Zahl der (Gelegenheits)Boarder lag nicht höher als schätzungsweise drei. Zwei davon waren mein Basketball-Kumpel Luis und ich und wir waren so ahnungslos, wie man es sich nur vorstellen kann. Als einziger Kontakt nach Außen und damit als Leitmedium galten die damals teilweise noch etwas improvisiert wirkenden, aber nicht minder geherzten und bewahrten Hefte des Monster Skateboard Magazins, die es im frisch eröffneten Kaufland gab. Dort konnten wir auch für 17 D-Mark unser erstes Skateboard-Video erwerben, durch welches wir endgültig der Verderbnis des Rollbrettsport zugeführt wurden: Streets Of Fire von Santa Cruz (gedreht etwa 1989), das mit alternativem Cover in einer Funsportsreihe erschienen war und sich daher irgendwie in die Videoabteilung des Discounters verirrte.
Dank YouTube kann ich mir den uns bis ins Mark erschütternden Part von Natas Kaupas heute wieder ansehen, wobei diese Konfrontation mit den alten Vorbildern schaufelweise Melancholie aufsteigen lässt. Das dort Gezeigte war es, was unseren Lebens-, Skate- und Kleidungsstil prägte, hier fuhren unsere ersten Helden. Entsprechend inspiriert bollerten wir in den Straßen Eisenhüttenstadts herum und zogen uns aufgrund der damit verbundenen Lärmentwicklung einerseits die Aufmerksamkeit der Passanten und andererseits den Unmut der Anwohner zu. Und vielleicht war es genau diese Tatsache die letztlich die Grünanlagenpfleger auf die Idee brachte, etwa 1994 auf der Insel den kleinen Park hinzubetonieren und mit ein paar Rampen auszustatten. Dieser zog recht bald die coolen Jungs aus Frankfurt/Oder an, die uns dann mit allen szenespezifischen Dos and Don'ts ausstatteten, so dass wir statt auf Santa Cruz auf Birdhouse abfuhren und T-Shirts der heute längst vergessenen Marken Color oder Prime zu riesenweiten Bully-Pants trugen. Die Karohemden blieben von da an im Schrank, die Reebok-Schuhe ebenfalls, denn nun trug man Airwalk NTS und später Dukes und Kastel (Ronnie Bertino: Die bequemsten Schuhe, die ich jemals mein Eigen nannte.). Einen schönen Eindruck, wie wir nach der Frankfurter Überarbeitung herumliefen, kann man sich bei diesem Ron Knigge-Video, ebenfalls auf YouTube, holen. Der Ausschnitt stammt aus dem exzellenten Filmchen Whatever von New Deal, welches ich mir 1993 auf einem Klassenausflug nach London im Shop im Skatepark von Harrow als meinen zweiten Skateboardfilm überhaupt zulegen konnte. Wie man sieht, war nun im Gegensatz zu dem schnellen späten 1980ern eher gediegenes Standskateboarding angesagt.
Die untenstehende Fotografie zeigt mich noch vor der Whatever-Phase und versucht einen kleinen Eindruck von den Bedingungen zu vermitteln, die sich uns damals boten.
Aus Sperrholz, Blechen und anderen Bauabfällen versuchten wir uns am Rampenbau und manchmal ging es ins leerstehende Schwimmbecken des Freibads Buchwaldstraße, was zu dieser Zeit noch nicht renaturiert war. Oder vor das Friedrich-Wolf-Theater und später auf's neu verlegte Pflaster des Radwegs in der Straße der Republik in Höhe des Imbiss "Automat".
Andere sehr gut geeignete Spots waren der Schulhof der Erich-Weinert-Schule und das mittlerweile ebenfalls verschütterte Schachbrettbecken (oder was es auch immer sein sollte) vor der Kaufhalle gegenüber der Juri-Gagarin-Oberschule. Dort drönten wir mit den im Vergleich zu heute etwas unförmigen und ziemlich großen Brettern, die uns eine ganze Weile die Welt bedeuteten, herum, ich am Ende, trotz geringerem Talentes, länger als mein Kompagnon Luis, der sich recht bald ganz anderen anderen Beschäftigungen widmete. Heute rollt es sich allerdings auch bei mir nicht mehr so gut und so oft - ein Versuch diesen Sommer zeigte, dass das Skateboard und ich entscheidend auseinandergewachsen sind und uns mittlerweile mehr als Fremde begegnen, die nicht mehr allzuviel mit einander zu tun haben wollen.
Ich denke, wir beide haben heute einfach ein neues und passenderes Betätigungsfeld gefunden: das Board ist Staubfänger und ich bin Eisenhüttenstadt-Blogger.
Weil das Thema Kleingärtnerei hier im Vergleich zur gefühlten Bedeutung in der Stadtbevölkerung viel zu kurz kommt, möchte ich eine eben entdeckte Passage zitieren. Denn erstaunlicherweise sollte es in der jungen Stalinstadt gar keine Klein- und Schrebergärten geben:
Stalinstadt brauche keine Kleingärten als "Lungen der Stadt". Hier gebe es "keine stickigen und dunklen Hinterhöfe, keine engen Straßenschluchten, sondern Licht, Luft und sehr viel Grün ... Die Kleingärten in der heute noch bestehenden Form sind ein typisches Produkt des Kapitalismus ...,dort ein Notventil für die unter unerträglichen ökonomischen, hygienischen und sozialen Verhältnissen lebenden Arbeiter, Arbeitslosen und Exmittierten ...In der DDR haben wir noch genug Trümmer zu beseitigen, die uns der Hitler-Faschismus als trauriges Erbe hinterließ...Auch die alten Kleingärten mit ihren Notwohnungen und ihren vielen Schattenseiten sind nicht mit einem Schlage umzugestalten. Aber wo neu gebaut wird, wo neue Städte geschaffen werden, muß von vornherein ein neuer Geist ...regieren." (Der Kleingärtner, 6 (1954), S.14)
So zitiert es Isolde Dietrich in ihrem Buch Hammer, Zirkel, Gartenzaun. Die Politik der SED gegenüber den Kleingärtnern. (Berlin, 2003. S. 112). Als Substitut sollte in der Neubaustadt ein modernes Gartenbaukombinat inklusive eines "Zentrums für Gartenkultur" die gärtnerischen Bedürfnisse der (im) Werk()tätigen befriedigen, die sich aber letztlich doch lieber auf der eigenen Scholle engagierten, was zeigte, dass auch hier der Kapitalismus das - was die Grundverfassung des Menschen angeht - überlegene System war. Und daher wurde am Stalinstadtrand wild losparzelliert, was der Spaten hergab und letztlich blieb der Stadtverwaltung - wir wissen es alle - nichts anderes übrig, als Kleinbei zu geben und den gartenkulturellen Anspruch, der jeden gärtnerisch Interessierten hätte in die öffentliche Grünflächengestaltung miteinbeziehen wollen, zu verwerfen. Ob dies daran lag, dass sich das Hüttenkombinat letztlich doch auch als Raucherlunge der Stadt erwies (z.B. bei Wind aus Nordost), nicht genug Gurken und Tomaten in den HO-Verkaufsstellen lagen oder letztlich auch in der Kollektivgesellschaft das kleine Eigene die Vormachtstellung vor dem großen Ganzen behielt, ist heute schwer zu beurteilen. Vermutlich war es eine Mischung aus diesen und anderen Gründen. Der Kleingarten galt in der DDR jedenfalls bald als Prestigeobjekt und wurde häufig auch entsprechend geschmacklos mit allerlei Zierrat und als hohlblocksteinerner Zweitwohnsitz mit gepflasterter Parkbox für den Wartburg ausgebaut. Der Nutzgartengedanke war dabei nicht selten bald sekundär. Aber selbstverständlich gab es auch die ernsthaften Gartenfreunde und so fanden sich in den Sparten Kleingeister und Kleingärtner Zaun an Zaun in trauter Abwendung vom Traumbild einer überlegenen sozialistischen Stadtgesellschaft.
Und heute? Nun, in einer Zeit, in der das Licht-und-Luft-und-Grün-Niveau z.T. wieder den Stand der 1950er erreicht und ein gehöriger Reifungsprozess durch die beschubkarrte und heckengescherte Bürgerschaft gegangen ist, fragt man sich, ob man in den neuen Brachen nicht die alte Idee einer übergreifenden Grünkultur reanimieren und ein großes Gartenparadies schaffen könnte.
Bzw. - um mal zu klotzen - die Landesgartenschau dorthin holen könnte, wo einst der VII. stand. Das wäre doch mal etwas. Gärtner, hört die Signale! (Oder wie es angesichts des Ecklokals in Schönfließ hieß: Brüder zur Sonne zum Trinken...)
Medien aller Typen vereinigt euch! Wenigstens im Bereich der Sozialen Software funktioniert dieser hehre Anspruch ein bisschen, wie z.B. der eingebettete Flickr-Button rechts in der Seitenleiste wenigstens all denen zeigt, die das entsprechende Flash-PlugIn installiert und aktiviert haben. Dies bringt Farbe in die Eisenhüttenstadt-Blogosphäre und wenn man ein bisschen rumklickt auch in die jüngere Stadtkulturgeschichte. Kollege X* ist es nämlich mit seinen X*-Files zu verdanken, dass wir nun einige Schlüsselbilder des Eisenhüttenstädter Graffitibooms zu sehen bekommen, die noch vor der allseitigen Verfügbarkeit von Digitalfotografie entstanden und selbst, vergänglich wie die Schmierfinkerei nun mal ist, heutzutage bestenfalls noch in Rudimenten anzutreffen sind.
["" vollständig lesen »]Genosse Ulbricht taufte am 07. Mai 1953 die Stalinstadt und sein Herumgerufe kann man sich auf dieser Seite des Deutschen Rundfunkarchivs anhören. Dort war es nämlich im Mai 2003 Dokument des Monats.
Weitaus interessanter ist allerdings der ebenfalls von der Seite abrufbare Ausschnitt aus einer "Reportage zum zweijährigen Bestehen von Stalinstadt". Im Onlineshop gibt es dann auch noch eine Hör-CD mit Originalaufnahmen für einsame Stalinstädtische Abende daheim.
Eisenhüttenstadt ist, nicht jeder weiß das, im Gesamten gar keine Planungsneubaureißbrettschöpfung, sondern eine Ortszusammenschließung. Im Spätherbst des Mauerjahres 1961 wurden, da der Name "Stalinstadt" nicht mehr so richtig opportun erschien, die Wohnstadt des Eisenhüttenkombinates, das Oderstädtchen Fürstenberg und das Dorf Schönfließ zu Stadt Eisenhüttenstadt zusammengeschlossen. Letzteres geht aufgrund seiner weniger urbanen Struktur häufig in der Wahrnehmung ein bisschen unter.
Da auch ich nur wenig über den Stadtteil zu sagen weiß, freue ich mich ausgesprochen über die kleine, sehr schön aufbereitete Heimatgeschichte auf der Website der Sportfreunde Schönfließ. Gefunden wurde sie dank des Hinweises bei ehsnet.
Kommentare